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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streitkräfte-Vergleich Die Kampfmoral ist einziger Trumpf der Ukraine

Ein Blick auf Truppenstärke und Ausrüstung macht klar: Sollte es in der Ukraine einen Krieg geben, dann wären Kiews Streitkräfte den Russen hoffnungslos unterlegen. Die russischen Streitkräfte verfügen über 845.000 Soldaten, moderne Hubschrauber und Kampfjets. Die Truppenstärke der Ukraine liegt bei 130.000 Mann, die Hälfte sind Wehrpflichtige ohne Kampferfahrung.
Ihre Ausrüstung stammt überwiegend aus Sowjetzeiten, die Wartung ist mangelhaft, und die Kampfjets haben kaum Flugzeiten absolviert, wie das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in einem aktuellen Bericht feststellt.
Invasion könnte aufgehalten werden
Das ukrainische Militär sei jedoch genau für einen konventionellen Landkrieg aufgestellt, der bei einem russischen Einmarsch bevorstünde, gibt Matthew Clements vom Fachblatt "Jane's Intelligence Review" zu bedenken. "Wenn die Truppen geschlossen bleiben, können sie eine russische Invasion eine ganze Weile aufhalten."
Das Kräfteungleichgewicht sei nicht so groß wie im Georgien-Krieg 2008. "Die Moral kann die Truppenstärke wettmachen", meint auch Valentin Badrak, Direktor des Zentrums für Militärstudien, Demilitarisierung und Abrüstung in Kiew. "Wenn die ukrainischen Soldaten Widerstandswillen zeigen, können sie Russland zurückdrängen."
Marinekommandeur läuft über
Anatoli Grizenko, Ex-Verteidigungsminister der Ukraine, sieht dafür aber keine Anzeichen - insbesondere mit Blick auf die Krim. Es sei "demütigend", dass ukrainische Truppen dort von russischen Paramilitärs in ihren Kasernen blockiert werden. Wenn sie nicht bald präzise Befehle aus Kiew erhielten, "dann wird ihre Moral zusammenbrechen, weil sie glauben, sie seien aufgegeben worden".
Ein Rückschlag ist auch, dass der frisch ernannte Marinekommandeur Denis Beresowski am Sonntag auf die Seite der prorussischen Regionalregierung der Krim überlief.
Nationalistische Paramilitärs wappnen sich
Auf der südukrainischen Halbinsel ist die russische Militärpräsenz schon jetzt frappierend. In der Hafenstadt Sewastopol ist die Schwarzmeerflotte stationiert, die über 25.000 Mann, 388 Kriegsschiffe und 161 Kampfjets verfügt. Und nach ukrainischen Regierungsangaben wurden am Wochenende 6000 zusätzliche russische Soldaten dorthin verlegt.
Auf dem Papier stehen ihnen 15.000 ukrainische Soldaten auf der Krim gegenüber. Aber die meisten von ihnen befanden sich offenkundig nicht in ihren Kasernen, als davor prorussische Paramilitärs aufzogen. Der Freibrief des russischen Parlaments für einen Militäreinsatz in der Ukraine ist nicht auf die Krim begrenzt. Viele fürchten deswegen, russische Truppen könnten sogar auch in andere russischsprachige Regionen vordringen, womöglich bis auf Kiew vorrücken.
Für den Fall wappnen sich bereits nationalistische Paramilitärs vom Rechten Sektor, der maßgeblich an den gewaltsamen Demonstrationen in Kiew beteiligt war. "Wir werden uns Schusswaffen besorgen, um uns russischen Besatzungstruppen entgegenstellen zu können", drohte der Sprecher des Blocks, Artem Skoropadski, am Sonntag.