Botschaft in Damaskus Baerbock will den Neuanfang mit Syrien

13 Jahre lang stand das deutsche Botschaftsgebäude in Syrien leer. Nur ein syrischer Hausmeister hielt die Stellung. Jetzt hat Deutschland wieder eine Adresse in Damaskus.
Gut drei Monate nach dem Sturz des syrischen Langzeitherrschers Baschar al-Assad hat Deutschland wieder eine Botschaft in Syrien. Außenministerin Annalena Baerbock eröffnete die 2012 nach Beginn des Bürgerkriegs geschlossene Vertretung bei ihrem Besuch in der Hauptstadt Damaskus. Eine niedrige einstellige Zahl deutscher Diplomaten soll nun vor Ort die Stabilisierung und den Wiederaufbau des schwer zerstörten Landes unterstützen.
Baerbock hatte den Syrern schon vor ihrer Ankunft in Damaskus anhaltende humanitäre Hilfe und eine weitere Lockerung von Sanktionen in Aussicht gestellt – aber nur unter Bedingungen. "Ein politischer Neuanfang zwischen Europa und Syrien, zwischen Deutschland und Syrien ist möglich", sagte die scheidende Ministerin. "Dies ist aber auch mit klaren Erwartungen verbunden, dass Freiheit, Sicherheit und Chancen in Syrien für alle Menschen gelten – für Frauen und Männer, für Angehörige aller Ethnien und Religionen."
Im Dezember war der syrische Diktator Baschar al-Assad nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg von einer Rebellenallianz unter Führung der Islamistengruppe Halat Tahrir al-Scham gestürzt worden. Nun wird das Land von einer Übergangsregierung um den Präsidenten Ahmed al-Scharaa geführt, von der man bisher nicht weiß, wo sie hinsteuert. Erst vor zwei Wochen hatte eine Militäraktion gegen Assad-Anhänger in der Küstenregion im Nordwesten des Landes mit hunderten Toten – darunter viele Zivilisten – für neues Misstrauen gesorgt.
Ein syrischer Hausmeister hielt die Stellung
In der deutschen Botschaft in Damaskus arbeiteten früher 25 bis 30 aus Deutschland entsandte Diplomaten und rund 20 lokale Angestellte. Sie war damit eine Auslandsvertretung mittlerer Größe. 2012 wurde sie aus Sicherheitsgründen geschlossen und stand seitdem leer. Als Baerbock das Gebäude bei ihrem ersten Besuch in Damaskus nach dem Sturz Assads im Januar besichtigte, hing noch ein Bild des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff (Amtszeit 2010 bis 2012) an der Wand.
In den vergangenen Jahren kümmerte sich der syrische Hausmeister Amer Nahas um das Gebäude, der bereits seit 26 Jahren für die Botschaft arbeitet. Er übergab den Schlüssel an die Grünen-Politikerin. Geleitet werden soll die Vertretung nun zunächst von dem Diplomaten Stefan Schneck, der dann als Geschäftsträger fungiert. Ein Botschafter soll erst später benannt werden.
Tagesgeschäft an geheimem Ort – Visavergabe in Beirut
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, mit der Präsenz vor Ort könne man zum Beispiel den wichtigen Kontakt zur Zivilgesellschaft besser pflegen und direkt und unmittelbar auf gravierende Fehlentwicklungen reagieren. Die Erteilung von Visa soll wie auch in den letzten Jahren die Botschaft im libanesischen Beirut übernehmen.
Das bisherige Botschaftsgebäude kann aus Sicherheitsgründen derzeit nur punktuell für Gespräche genutzt werden. Baerbock erwähnte bei der Schlüsselübergabe ein Einschussloch und mögliche Abhöreinrichtungen in dem Gebäude aus der Zeit des Leerstands. Das Tagesgeschäft findet daher bis auf Weiteres an einem anderen Ort statt, der geheim gehalten wird. Ob die Botschaft irgendwann wieder ganz genutzt werden kann, ist noch offen.
Gewaltausbruch mit hunderten Toten vor zwei Wochen
Das hängt auch von der weiteren Entwicklung der Lage in Syrien ab. Befriedet ist das Land noch lange nicht. Anfang des Monats griffen bewaffnete Anhänger der gestürzten Assad-Regierung Sicherheitskräfte an, worauf die Übergangsregierung mit einer großen Militäroperation reagierte. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sollen rund 1.500 Menschen getötet worden sein, ein Großteil davon Alawiten - eine Glaubensgemeinschaft, der auch Assad angehört. Die Beobachter sprachen von regelrechten "Massakern".
Baerbock empfing in der Botschaft einige Betroffene. Schon vor ihrem Abflug nannte sie die gezielte Tötung von Zivilisten ein "schlimmes Verbrechen" und forderte die Übergangsregierung auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Genauso vehement forderte sie aber die Aufarbeitung der Gräueltaten, die Assad zu verantworten hat.
Rundgang durch Ruinenlandschaft
Was die Assad-Regierung in Damaskus während des Bürgerkriegs angerichtet hat, konnte Baerbock bei einem Rundgang durch den Stadtteil Dschubar besichtigen. In der früheren Rebellenhochburg, in der 2011 der Aufstand gegen den Langzeitherrscher in der Hauptstadt begann, lebten einst 380.000 Menschen. Jetzt ist es eine entvölkerte Ruinenlandschaft.
Sie wirke auf ihn "wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg", sagte der CDU-Politiker Armin Laschet, der Baerbock bei ihrem Besuch begleitete. "Aber die Menschen haben die Hoffnung, dass es einen Wiederaufbau gibt." Dabei müsse Deutschland helfen.
Einer der wenigen, die in Dschubar zurückgeblieben sind, ist der Friedhofswärter Mahmud Abu Fahand, der Baerbock und Laschet durch die Trümmer von Jobar führte. "Das alles können wir wieder aufbauen, aber unsere Kinder bekommen wir nicht zurück", sagte er.
- Nachrichtenagentur dpa