Ukraine-Krieg Trump setzt US-Schützling Ukraine unter Druck
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Für Russland ist der ukrainische Präsident Selenskyj ein unbequemer Gegner, den man gern aus dem Weg hätte. Die USA scheinen sich auch in diesem Fall der Moskauer Sicht anzuschließen.
Es wirkt wie verkehrte Welt: Nach drei Jahren Ukraine-Krieg holt US-Präsident Donald Trump den Angreifer Russland aus der Isolation und setzt das angegriffene Land unter Druck. Nach einem Treffen der Außenminister in Saudi-Arabien feuerte Trump von seinem Wohnsitz in Florida eine Breitseite gegen den bisherigen US-Schützling Ukraine ab: Sie sei selbst schuld, den Krieg nicht gestoppt zu haben. Und wenn die Ukraine einen Sitz am Verhandlungstisch wolle, solle sie einen neuen Präsidenten wählen - über Wolodymyr Selenskyj schrieb Trump später bei Truth Social, er sei ein "Diktator ohne Wahlen".
Trumps Sondergesandter für die Ukraine, Keith Kellogg, begann in Kiew Gespräche über einen möglichen Friedensprozess. Er wolle zuhören, sagte er und bemühte sich, die barschen Worte seines Chefs abzufedern.
Die EU in Brüssel beschloss zum dritten Jahrestag des Kriegsausbruchs (24. Februar) ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland. Nach einer Krisenrunde von EU-Staaten am Montag in Paris berief der französische Präsident Emmanuel Macron für den Nachmittag eine Online-Runde mit anderen Ländern ein.
Die Lage in den beteiligten Hauptstädten im Überblick:
Moskau: Freude über den Ausbruch aus der Isolation
In der russischen Hauptstadt herrschte Genugtuung nach dem Treffen der Außenminister Marco Rubio und Sergej Lawrow in Riad vom Dienstag. "Der Kreml und das Weiße Haus haben eine gemeinsame Sprache gefunden", schrieb die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta".
Der Außenpolitiker Leonid Sluzki sprach von einer "positiven Bewegung zu einer Wiederherstellung der russisch-amerikanischen Zusammenarbeit". Ihn freue, dass Rubio von einer möglichen Aufhebung der Sanktionen gegen Russland nach einem Ende des Ukraine-Konflikts gesprochen habe.
Zwischen den Außenministern seien Wahlen in der Ukraine ein Thema gewesen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Er fügte hinzu: "Eine Entscheidung darüber kann natürlich nicht in Moskau oder Washington getroffen werden."
Dabei ist es vor allem Moskau, das seit vergangenem Jahr den ukrainischen Präsidenten Selenskyj als illegitim darstellt und Wahlen fordert. Für den Kreml wäre es vorteilhaft, den unbequemen Selenskyj aus Gesprächen über ein Ende des Krieges herauszuhalten.
Kiew: Frust und Angst vor dem Alleingelassenwerden
In der Ukraine setzt das geltende Kriegsrecht Wahlen während eines Krieges aus. Selenskyjs Befugnisse werden deshalb nicht angezweifelt. Es gibt auch eine breite Einigkeit im Land, nicht zu wählen, solange geschossen wird und die Teilnahme von Soldaten und Flüchtlingen im In- und Ausland schwierig wäre.
Deshalb ist der Frust über die jüngsten Entwicklungen in Kiew zu spüren. Selenskyj verschob einen Besuch in Saudi-Arabien mit der Begründung, er wolle dort keine Zufallsbegegnungen. Er warf Trump vor, Opfer russischer Desinformation zu sein. Dieser hatte unterstellt, der Ukrainer fürchte Wahlen, weil er nur auf vier Prozent Zustimmung komme. Selenskyj wies an, Trump, dem polnischen Regierungschef Donald Tusk und anderen Partnern Belege für Umfragewerte von mehr als 50 Prozent Zustimmung vorzulegen.
Weil er mit seiner Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft als Garantie gegen zukünftige russische Angriffe aufgelaufen ist, konzentriert sich Selenskyj auf eine Stärkung seiner Armee. Die Verbündeten sollen eine Truppenstärke von einer Million Soldaten finanzieren und ausrüsten. Aber Selenskyj hofft auch auf mindestens 100.000 ausländische Soldaten im Land, die unter Umständen gegen Russland kämpfen sollen.
Washington: Radikaler Kurswechsel zulasten der Verbündeten
Trump reagierte bei seinem Auftritt in Mar-a-Lago auf Kritik der Ukraine, dass sie nicht eingeladen war zu dem Außenministertreffen der USA und Russlands. "Ich habe heute gehört: Oh, wir waren nicht eingeladen", spottete der Republikaner - und schob nach: "Nun, ihr seid seit drei Jahren dabei." Der Krieg hätte längst enden sollen, die Ukrainer seien quasi selbst schuld: "Ihr hättet es nie anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können."
Einen Tag später legte der Republikaner nach: "Als Diktator ohne Wahlen sollte Selenskyj besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben", schrieb er bei Truth Social. Der Ukrainer habe einen "schrecklichen Job" gemacht, stemme sich gegen Wahlen und wolle wahrscheinlich nur, dass Hilfen weiter an die Ukraine flössen. Welche konkreten Forderungen der US-Präsident an Kremlchef Wladimir Putin stellt, bleibt derweil ungewiss.
Trumps Behauptung, Selenskyj sei ein Diktator, rief scharfe Kritik hervor. Die Vereinten Nationen machten deutlich, Selenskyj kein illegitimes Staatsoberhaupt. "Präsident Selenskyj ist nach den ordnungsgemäß abgehaltenen Wahlen im Amt", sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, in New York.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte dem Spiegel: "Es ist schlicht falsch und gefährlich, Präsident Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen." Selenskyj sei das gewählte Staatsoberhaupt der Ukraine. Dass mitten im Krieg keine ordentlichen Wahlen abgehalten werden könnten, entspreche den Vorgaben der ukrainischen Verfassung und den Wahlgesetzen. Außenministerin Annalena Baerbockbezeichnete Trumps Vorwurf als vollkommen absurd.
Mit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat sich die Ukraine-Politik der USA drastisch gewandelt. Der Präsident sprach vergangene Woche persönlich mit Putin. Dann kam das Treffen der Außenminister; ein Gipfel der Präsidenten könnte folgen. Zwar betont Washington, im Ukraine-Krieg gehe es um eine Lösung, die dauerhaft, stabil und für alle Seiten annehmbar sei. Die bisherigen Signale deuten aber darauf hin, dass der Druck vor allem auf Kiew lastet.
Unter Trumps Amtsvorgänger Joe Biden waren die USA der wichtigste Waffenlieferant des Landes. Nun beruht die US-Unterstützung für das angegriffene Land offenkundig nicht mehr allein auf westlicher Solidarität. Trump knüpft die Hilfe an den Zugang zu seltenen Erden aus der Ukraine.
Und auch die Rolle der Verbündeten Kiews dürfte sich verschieben: Trump nimmt die europäischen Partner stärker in die Pflicht, sowohl finanziell als auch militärisch. Zwar erklärte der US-Präsident, er plane keinen vollständigen Abzug amerikanischer Truppen aus Europa. Doch es gehen Befürchtungen um, dass die Truppenstärke verringert werden könnte.
Brüssel: Auf der Suche nach einer Position der Europäer
Vertreter der 27 EU-Mitgliedsstaaten verständigten sich in Brüssel auf ein neues umfangreiches Sanktionspaket. Es wird neue Handelsbeschränkungen, Maßnahmen gegen russische Medien und die sogenannte russische Schattenflotte umfassen. Die EU will mit ihrem mittlerweile 16. Sanktionspaket für Russland den Preis für die Fortführung des Krieges noch einmal erhöhen.
In vielen anderen Punkten gibt es aber weiter keine gemeinsame Linie der EU-Staaten. Das gilt insbesondere für die Frage, wie sie auf den Kurswechsel in der US-Ukraine-Politik reagieren soll. Die Europäer müssen auch entscheiden, wie sie damit umgehen wollen, dass die Amerikaner für sie keine zentrale Rolle im Verhandlungsprozess sehen und von der Ukraine Zugeständnisse fordern.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur erwägt EU-Ratspräsident António Costa die Einberufung eines EU-Sondergipfels zu den Themen. Demnach hat er den Staats- und Regierungschef der 27 EU-Staaten deswegen jetzt auch konkrete Fragen zur weiteren Unterstützung der Ukraine und zu möglichen Sicherheitsgarantien für das Land zukommen lassen.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas schlägt vor, ein sechs Milliarden Euro schweres Paket mit neuen Militärhilfen zu schnüren. Dieses könnte die Ukraine stärken, wenn der Krieg weitergehen sollte und damit auch als eine Art Sicherheitsgarantie dienen. Vorgesehen sind 3,5 Milliarden Euro für 1,5 Millionen Artilleriegeschosse, 500 Millionen Euro für Flugabwehrsysteme und zwei Milliarden Euro für Ausrüstung und Ausbildung von zwei ukrainischen Brigaden.
- Nachrichtenagentur dpa