Bürgerkrieg in Syrien Aktivisten: Rebellen umzingeln Orte vor Damaskus
Die Macht von Syriens Staatschef Baschar al-Assad gerät zunehmend ins Wanken. Oppositionskräfte bewegen sich im Umland von Damaskus. Für Assad und seine Unterstützer steht einiges auf dem Spiel.
Syrische Rebellen haben Aktivisten zufolge bereits Orte im Umland der Hauptstadt Damaskus umstellt. Während sich die Regierungstruppen nach eigenen Angaben "neu positionieren", verzeichnen die Aufständischen auch im Süden des Landes und an der Grenze zu Israel weitere Gebietsgewinne. Syriens Staatschef Baschar al-Assad gerät damit immer weiter unter Druck.
Assads Amtssitz in Damaskus sah sich bereits gezwungen, Gerüchte zu dementieren, der Präsident sei geflohen. "Wir bestätigen, dass der syrische Präsident seine Arbeit sowie seine nationalen und konstitutionellen Aufgaben von der Hauptstadt Damaskus weiterführt", so die Mitteilung. Auch kurzfristige Auslandsbesuche gebe es nicht, hieß es weiter.
Ziel der Aufständischen ist der Sturz der Regierung
Vergangene Woche flammte der Bürgerkrieg in Syrien mit einer Rebellen-Offensive unter der Führung der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) plötzlich wieder auf. In kürzester Zeit nahm die Gruppe viele Gebiete im Nordwesten des Landes teils kampflos ein. Ziel der Aufständischen ist es, die Regierung zu stürzen. Später schlossen sich andere Gruppen etwa im Süden des Landes an. Sie stehen nun vor Damaskus, während die HTS-Einheiten von Norden auf die strategisch wichtige Stadt Homs vorrücken.
Der Konflikt hatte 2011 mit Protesten gegen die Regierung Assads begonnen. Sicherheitskräfte gingen dagegen mit harter Hand vor. Die Gewaltspirale mündete in einen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung, in dem Russland, der Iran, die Türkei und die USA eigene Interessen verfolgen. Rund 14 Millionen Menschen wurden vertrieben. Nach UN-Schätzungen kamen bisher mehr als 300.000 Zivilisten ums Leben. Eine politische Lösung ist seit Jahren nicht in Sicht.
Soldaten rücken von Posten bei Damaskus ab
Soldaten der syrischen Regierung haben nach Angaben von Aktivisten Posten in der Nähe der Hauptstadt Damaskus verlassen. Die Regierungstruppen hätten sich aus dem Ort Artuz, etwa 15 Kilometer südwestlich von Damaskus, zurückgezogen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Das Militär äußerte sich zunächst nicht.
Lokale Oppositionskräfte, die sich der Rebellen-Offensive angeschlossen haben, hätten mehrere Dörfer in der Umgebung umstellt, hieß es weiter. Eines ihrer Ziele sei, Gefangene aus einem Militärgefängnis nördlich von Damaskus zu befreien. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen von Informanten vor Ort.
Symbolträchtige Stadt Daraa unter Kontrolle der Opposition
Zuvor hatte sich das syrische Militär bereits aus Daraa und Suweida im Südwesten des Landes zurückgezogen. Die syrische Staatsagentur Sana berichtete unter Berufung auf das Militär, die Regierungstruppen würden sich neu positionieren, nachdem "terroristische Elemente" Kontrollpunkte der Armee angegriffen hätten.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle steht die Provinz Daraa mittlerweile vollständig unter der Kontrolle von lokalen Oppositionskräften. Sie hätten auch die angrenzende Provinz Suweida fast vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. In der Stadt Daraa brachen im März 2011 die ersten syrischen Proteste aus.
Bewaffnete Auseinandersetzungen in Homs
Syrische Aufständische sind nach eigenen Angaben bereits in der strategisch wichtigen Stadt Homs im Einsatz. In einer Mitteilung der islamistischen Gruppe HTS hieß es, Kräfte, die hinter den feindlichen Linien stationiert seien, hätten mit "Spezialoperationen" im Stadtgebiet begonnen. Gleichzeitig gebe es einen massiven Angriff von mehreren Seiten.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass es in Homs zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt. Bisher war aber unklar, ob die Rebellen-Allianz genügend Kämpfer hat, um Homs mit seinen etwa 1,4 Millionen Einwohnern einzunehmen.
Syrische Regierungssoldaten fliehen in den Irak
Mehr als 1.000 Soldaten der syrischen Armee flüchteten unterdessen in den Irak. Die staatliche irakische Nachrichtenagentur INA berichtete unter Berufung auf eine nicht näher genannte Sicherheitsquelle, dass die Soldaten die Einreise über den Grenzübergang Al-Kaim beantragt hätten. Sie seien aufgenommen und versorgt worden.
Der katarische Nachrichtensender Al-Dschasira zitierte unterdessen einen Sprecher der irakischen Regierung, wonach bereits 2.000 Soldaten der syrischen Armee mit voller Ausrüstung in den Irak gekommen seien.
Iran dementiert Evakuierung von Diplomaten aus Syrien
Der Iran wies unterdessen Berichte als falsch zurück, wonach Diplomaten bereits aus Syrien abgezogen worden seien. Die Botschaft in Damaskus werde ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzen, sagte Außenamtssprecher Ismail Baghai laut Internetportal Iran Nuances.
Die "New York Times" hatte berichtet, dass iranische Diplomaten und Militärberater Syrien verlassen hätten. Der Außenamtssprecher hatte in der Vorwoche gesagt, dass die iranischen Diplomaten und Militärs in Syrien blieben und Staatschef Assad bis zum Ende unterstützten.
Die Aussagen Baghais stießen in Teheran auf Skepsis. Demnach gehen Beobachter davon aus, dass eine Evakuierung der Diplomaten bereits abgeschlossen sei, um sie vorsorglich in Sicherheit zu bringen.
Israel schickt mehr Soldaten an Grenze zu Syrien
Die israelische Armee verstärkte angesichts des Vormarsches syrischer Rebellen auch in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Israel seine Truppen auf den Golanhöhen. "Entsprechend der Lagebeurteilung beruft die IDF zusätzliche Kräfte für Verteidigungsaufgaben in der Region der Golanhöhen an der israelisch-syrischen Grenze ein", teilte die Armee auf Telegram mit. Angaben zum Umfang der Verstärkungen machte die Armee auch auf Anfrage hin zunächst nicht. Es war bereits die zweite Ankündigung dieser Art binnen 24 Stunden.
Israel reagierte damit auf den Rückzug des syrischen Militärs aus Daraa und Suweida im Südwesten Syriens. Die beiden Städte liegen nur wenige Kilometer östlich der Golanhöhen, die Israel im Sechstagekrieg 1967 erobert und 1981 annektiert hat. Vielen Staaten erkennen das nicht an.
- Nachrichtenagentur dpa