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Wahl in Österreich: Warum die FPÖ jetzt wieder um den Sieg zittern muss


Parlamentswahl in Österreich
Jetzt muss er doch um den Wahlsieg zittern


Aktualisiert am 29.09.2024 - 15:45 UhrLesedauer: 4 Min.
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Laut Umfragen ist die rechte FPÖ Favorit auf den Sieg (Quelle: reuters)

Bei der Nationalratswahl in Österreich sah die FPÖ lange wie der sichere Sieger aus. Doch die Rechtspopulisten könnten auf den letzten Metern noch verlieren. Einfach wird die Regierungsbildung aber nicht.

Herbert Kickl gibt sich schon lange siegessicher. Schon seit Monaten nennt sich der Chef der rechtspopulistischen FPÖ selbst "Volkskanzler", der aus seiner Sicht die Interessen der Menschen in Österreich viel besser vertrete als die aktuelle Regierung aus der konservativen ÖVP und der Grünen.

Lange Zeit sah es tatsächlich so aus, als könne der stramm rechte Kickl erstmals die Wahl um das österreichische Parlament, den Nationalrat, für seine Partei entscheiden. Doch auf den letzten Metern ist der Vorsprung der Rechtspopulisten geschmolzen. t-online gibt Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Wahl:

Was sagen die Umfragen?

Die rechtspopulistische FPÖ lag lange Zeit vorn. Zwischenzeitlich wurde sie bei 27 Prozent gesehen, was das beste Ergebnis für die Rechtspopulisten überhaupt bedeuten würde. Der X-Account "Wahlen_AT", der aus den jüngsten Umfragen einen Durchschnittswert errechnet, sieht die Partei aktuell bei 26,5 Prozent. Damit könnten die Rechtspopulisten erstmals die Nationalratswahl gewinnen.

Dahinter liegt die konservative ÖVP des aktuellen Bundeskanzlers Karl Nehammer. In den vergangenen Wochen war die Kanzlerpartei immer näher an die FPÖ herangerückt. Im Mittel liegt Nehammer mit 25 Prozent nur noch knapp dahinter. Beachtet man die statistischen Schwankungsbreiten, darf man mittlerweile also von einem offenen Rennen um den Sieg ausgehen. Die sozialdemokratische SPÖ liegt dagegen mit 21 Prozent auf Rang drei und würde bei weiteren Verlusten auf ein Rekordtief zusteuern.

Die liberalen Neos, die in Deutschland wohl am ehesten mit der FDP vergleichbar sind, dürften aktuell auf 10,5 Prozent kommen, die Grünen auf 8,5 Prozent. Dahinter machen sich noch zwei Kleinstparteien Hoffnung auf einen Einzug ins Parlament: Die satirische Bierpartei des Musikers Dominik Wlazny und die kommunistische KPÖ liegen in der Wählergunst aktuell bei 3 Prozent. Anders als in Deutschland reichen in Österreich allerdings schon 4 Prozent der Stimmen, um in das Parlament einzuziehen. Beiden hatten zuletzt in den Umfragen aber mit Verlusten zu kämpfen.

Wer sind die prägenden Figuren des Wahlkampfs?

Spitzenkandidat der ÖVP ist Bundeskanzler Karl Nehammer. Der 51-Jährige geht zum ersten Mal als Spitzenkandidat für die Konservativen ins Rennen. Denn ursprünglich war Nehammer in der Bundesregierung Innenminister unter dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz. Der trat allerdings infolge einer Korruptionsaffäre zurück und übergab kurzzeitig die Geschäfte an Außenminister Alexander Schallenberg, ehe Nehammer im Dezember 2021 im Kanzleramt übernahm.

Für die FPÖ geht Herbert Kickl ins Rennen. Kickl war wie Nehammer bereits Innenminister in einer Regierung unter Sebastian Kurz, wurde aber infolge der sogenannten Ibiza-Affäre 2019 entlassen. Kickl gilt innerhalb der Rechtspopulisten als rhetorischer Scharfmacher, blieb aber viele Jahre bislang eher im Hintergrund. Anfang der Neunziger begann er bereits Wahlslogans für den bekannten FPÖ-Politiker Jörg Haider zu formulieren, später galt er als Strippenzieher hinter dem Parteichef Heinz-Christian Strache. Mehr über Kickl lesen Sie hier.

Spitzenkandidat und Parteichef der SPÖ ist Andreas Babler. Im Gegensatz zu Kickl und Nehammer hat der Sozialdemokrat noch keine größeren Erfahrungen auf der Bundesebene sammeln können. Babler ist Bürgermeister der Kleinstadt Traiskirchen und wurde im vergangenen Jahr überraschend auf einem Parteitag zum Vorsitzenden gewählt. Der Verlauf war dabei kurios, da durch eine Panne beim Auszählen zunächst sein Konkurrent Hans Peter Doskozil zum Sieger erklärt worden war. Babler hat die Partei deutlich nach links gerückt: In seinem Programm fordert er unter anderem ein Einfrieren der Mieten bis 2026, die Einführung eines Spitzensteuersatzes und in einer Testphase eine Viertagewoche bei voller Lohnzahlung.

Welche Koalitionen sind denkbar?

Rein rechnerisch sind mehrere Konstellationen denkbar: Die FPÖ könnte theoretisch sowohl mit der ÖVP als auch mit der SPÖ eine Mehrheit im Parlament bilden. Das haben die Sozialdemokraten allerdings ausgeschlossen. ÖVP-Chef Nehammer hat sich dagegen lediglich gegen eine Regierung mit Beteiligung von Herbert Kickl ausgesprochen. Möglich, dass Nehammer darauf spekuliert, die Wahl doch noch knapp zu gewinnen – und dann eine Regierung mit der FPÖ ohne Kickl bilden könnte. Eine Bundesregierung aus beiden Parteien gab es bereits mehrfach in Österreich. Anders als in Deutschland gibt es etwa keinen Unvereinbarkeitsbeschluss wie bei der Union und der AfD.

Doch selbst im Falle eines Wahlsiegs der FPÖ wäre wohl eine Koalition ohne die Rechtspopulisten möglich: Denkbar wäre das vermutlich mit einer Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und den liberalen Neos. Ein solches Bündnis wäre ein Novum in der österreichischen Politik und könnte schwierige Verhandlungen nach sich ziehen: Programmatisch haben ÖVP und FPÖ deutlich mehr Schnittmengen als die weit nach links gerückte SPÖ. Zudem sind die Neos anders als in Deutschland noch eine recht junge Partei, die noch nie Teil der Bundesregierung war.

Wird Kickl bei einem Wahlsieg der nächste Kanzler?

Das ist aus mehreren Gründen unwahrscheinlich: Zum einen würde die FPÖ vermutlich keine Koalitionspartner finden, die den stramm rechten Parteichef als Kanzler akzeptieren würden. Zudem könnte das auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen verhindern: Denn er ist befugt, vorgeschlagene Minister oder den Kanzler abzulehnen. Und im Vorfeld der Wahl ließ das Staatsoberhaupt durchblicken, dass es Kickl wohl nicht zum Kanzler machen werde.

Es wird auch vermutet, dass Van der Bellen eine andere Partei nach der Wahl mit der Bildung einer Regierung beauftragt – falls es eine Mehrheit ohne die FPÖ geben sollte.

Wie hat das Hochwasser den Wahlkampf beeinflusst?

Anders als etwa in Deutschland waren während der Flut keine der Spitzenkandidaten in Gummistiefeln in den Krisengebieten zu sehen. Der Wahlkampf wurde in den ersten Tagen des Hochwassers auch ausgesetzt.

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Bundeskanzler Nehammer konnte sich dennoch als Kümmerer der Nation präsentieren: So stockte der Regierungschef etwa den Katastrophenfonds von 300 Millionen auf eine Milliarde Euro auf und war in Polen dabei, als Kommissionschefin Ursula von der Leyen zehn Milliarden Euro Hilfsgelder für die betroffenen EU-Staaten versprach. Nehammer hatte sich allerdings zuvor auch gegen eine Renaturierungsverordnung der EU gewehrt, die für weniger Flächenversieglung und dadurch mehr Ablaufmöglichkeiten bei Hochwasser hätte sorgen können.

Die FPÖ und Herbert Kickl waren dagegen deutlich weniger präsent. Kickl meldete sich mit mehreren Ansprachen, in denen er unter anderem den Hilfskräften dankte oder von der Regierung mehr finanzielle Hilfen forderte. Die Klimakrise erwähnte Kickl dagegen mit keinem Wort: Der Rechtspopulist hat mehrfach angezweifelt, dass der menschengemachte Klimawandel überhaupt existiere.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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