Gaza-Krieg Bericht: Folter von Palästinensern in Israels Gefängnissen
Die Vorwürfe lasten schwer: Palästinensische Ex-Häftlinge beschreiben Gewalt und Demütigungen in israelischen Gefängnissen. Eine Sprecherin weist dies zurück, bestätigt aber verschärfte Bedingungen.
Eine Menschenrechtsorganisation wirft Israel systematische Folter palästinensischer Häftlinge in seinen Gefängnissen vor. Die israelische Organisation Betselem hat in einem Bericht unter dem Titel "Willkommen in der Hölle" Zeugenaussagen von 55 palästinensischen Ex-Häftlingen gesammelt. Diese beschreiben teilweise schwere Misshandlungen und Gewalt. Nach Informationen von Betselem wurden zuletzt mehr als 9600 Palästinenser in israelischen Gefängnissen festgehalten, etwa die Hälfte davon ohne offizielle Anklage.
Das israelische Militär ermittelt gegenwärtig zu Vorwürfen wegen schwerer sexueller Misshandlung eines palästinensischen Terroristen durch Soldaten in dem Militärlager Sde Teiman im Süden Israels. Das UN-Menschenrechtsbüro hatte zuletzt mitgeteilt, mindestens 53 Menschen seien in israelischem Gewahrsam ums Leben gekommen.
"Die Zeugenaussagen zeigen die Ergebnisse der hastigen Umwandlung von mehr als einem Dutzend Gefängniseinrichtungen - militärisch und zivil - in ein Netzwerk von Lagern, die dem gezielten Missbrauch von Insassen dienen", schrieb Betselem in dem Bericht. "Einrichtungen, in denen jeder Insasse absichtlich schwerem, unablässigem Schmerz und Leid ausgesetzt ist, funktionieren de facto als Folterlager."
"Der Missbrauch, der in Zeugenaussagen von Dutzenden von Individuen übereinstimmend beschrieben wird, die in verschiedenen Einrichtungen festgehalten wurden, war so systematisch, dass es sich zweifellos um eine organisierte, erklärte Politik der israelischen Gefängnisbehörde handelt", schrieb Betselem. Diese Politik sei unter Anweisung des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben-Gvir und mit voller Unterstützung der israelischen Regierung und des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu umgesetzt worden.
Der beispiellose Terrorangriff der islamistischen Hamas und anderer palästinensischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober habe die israelische Gesellschaft zutiefst traumatisiert und "tief sitzende Ängste und einen Racheinstinkt bei vielen geweckt", schrieb Betselem. Die rechtsreligiöse Regierung habe dies genutzt, um "ihre rassistische Ideologie stärker umzusetzen, indem sie die Unterdrückungsmechanismen einsetzten, die ihnen zur Verfügung stehen".
Betselem ist eine über Spenden finanzierte israelische Menschenrechtsgruppe, die sich gegen die Besatzung der palästinensischen Gebiete und für gleiche Rechte für Juden und Palästinenser einsetzt.
Ein israelischer Armeesprecher sagte, man prüfe die Vorwürfe. Eine Sprecherin der israelischen Gefängnisbehörde sagte, alle Häftlinge würden in Übereinstimmung mit dem Gesetz festgehalten und ihre grundlegenden Rechte gewahrt. Die Vorwürfe von Betselem seien der Behörde nicht offiziell übermittelt worden, "und nach unserem Wissen entbehren sie jeglicher Basis". Sie erinnerte gleichzeitig daran, dass seit Beginn des Gaza-Kriegs vor zehn Monaten die Haftbedingungen sogenannter Sicherheitshäftlinge auf Anweisung von Ben-Gvir verschärft worden seien.
- Nachrichtenagentur dpa