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Umsetzung von Bidens Gaza-Friedensplan ungewiss


Naher Osten
Umsetzung von Bidens Gaza-Friedensplan ungewiss

Von dpa
11.06.2024Lesedauer: 4 Min.
Joe BidenVergrößern des Bildes
Sein Entwurf eines Deals sieht zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor: Joe Biden. (Quelle: Alex Brandon/AP/dpa/dpa-bilder)

Erstmals seit Beginn des blutigen Gaza-Kriegs hat der UN-Sicherheitsrat einen konkreten Plan für eine Waffenruhe unterstützt. Gibt es Grund zur Hoffnung, dass nun bald die Waffen schweigen?

Seit mehr als acht Monaten tobt der Krieg im Gazastreifen, der eine hohe Opferzahl und schwere globale Verwerfungen mit sich bringt. Die USA bemühen sich mit aller Macht um eine Waffenruhe in dem verheerenden Konflikt zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas, der die Stabilität in der ganzen Region bedroht. Bereits zum achten Mal seit Kriegsbeginn ist US-Außenminister Antony Blinken mit diesem Ziel auf diplomatischer Mission im Nahen Osten unterwegs und führt intensive Gespräche.

Starken Rückwind bekommt ein von US-Präsident Joe Biden vorgestellter mehrstufiger Plan für eine Gaza-Waffenruhe nun vom UN-Sicherheitsrat. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen stimmte für den Vorschlag und damit erstmals seit Kriegsbeginn für einen spezifischen Plan für eine Waffenruhe. Der Entschluss für das Konzept, das eine Beendigung der Kämpfe im Gazastreifen in drei Phasen vorsieht, ist völkerrechtlich bindend. Da Israel und die Hamas in dem Krieg komplett entgegengesetzte Ziele verfolgen, ist eine Umsetzung des Plans trotzdem weiter ungewiss.

Was sieht Bidens Plan vor?

Der von Biden Ende Mai vorgestellte ambitionierte Entwurf eines Deals sieht zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor. In diesem Zeitraum würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Was hat Israel zu dem Biden-Plan gesagt?

US-Repräsentanten haben mehrmals erklärt, Israel habe dem Biden-Plan zugestimmt, die Hamas dagegen nicht. Blinken sagte, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe bei einem Treffen in Jerusalem seine Unterstützung für den Plan bekräftigt. Eine klare öffentliche Zustimmung zu dem Plan gab es aber bislang von Netanjahus Regierung nicht.

Ein israelischer Regierungsvertreter sagte lediglich, der Entwurf widerspreche nicht den Kriegszielen Israels. "Israel wird den Krieg nicht beenden, bevor alle seine Kriegsziele erreicht sind: die Zerstörung der militärischen und Regierungsfähigkeiten der Hamas, die Freilassung aller Geiseln und die Gewährleistung, dass Gaza für Israel künftig keine Bedrohung darstellen wird", sagte er. "Der Vorschlag ermöglicht es Israel, diese Ziele zu erreichen, und Israel wird dies tatsächlich tun."

Nach der Veröffentlichung des Plans hatte Netanjahu vor einer Woche nach Angaben seines Büros gesagt: "Die Behauptung, dass wir einer Waffenruhe zugestimmt haben, ohne dass unsere Bedingungen erfüllt werden, ist nicht richtig."

Auch in der neuen Resolution heißt es jedoch, Israel habe den Plan akzeptiert. Sie fordert die Hamas auf, dies ebenfalls zu tun und drängt alle Beteiligten zu einer Umsetzung des Plans "ohne Verzögerungen und ohne Bedingungen".

Warum äußert Israel sich nicht eindeutig zu dem Biden-Plan?

Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner haben mit dem Sturz der Regierung gedroht, sollte Israel das von Biden unterstützte Abkommen umsetzen. Sie sehen die Vereinbarung als Kapitulation vor der Hamas. Das politische Überleben Netanjahus, gegen den seit Jahren ein Korruptionsprozess läuft, hängt von diesen Partnern ab. Seit dem Austritt des gemäßigteren Benny Gantz aus der nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober gebildeten Notstandsregierung gilt dies noch stärker.

Was ist der Standpunkt der Hamas?

Die Position der Hamas ist seit Monaten konstant. Sie fordert ein vollständiges Ende des Krieges als Bedingung für einen Geisel-Deal. Die islamistische Organisation begrüßte die Resolution des Sicherheitsrats und bekräftigte den Willen, die indirekten Verhandlungen für eine Übereinkunft fortzuführen. Die positive Reaktion schien jedoch keine formelle Annahme des Plans darzustellen.

Katar, Ägypten und die USA bemühen sich als Vermittler seit Monaten darum, ein Abkommen für eine Feuerpause im Gaza-Krieg, eine Befreiung der Geiseln und die Entlassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen zu erreichen.

Die Hamas bekräftigte nach der UN-Entscheidung die Ziele einer dauerhaften Waffenruhe, eines vollständigen Abzugs israelischer Truppen und eines Wiederaufbaus des Küstenstreifens. In einer Mitteilung nannte die Organisation als weitere Ziele ein Ende der israelischen Besatzung und die Einrichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt, mit einem Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge.

Der UN-Sicherheitsrat hatte in der Resolution auch das Festhalten an der Vision einer Zweistaatenlösung bekräftigt, bei der Israel und die Palästinenser friedlich nebeneinander leben können. Dafür sei es wichtig, das Westjordanland und den Gazastreifen wieder unter der Führung der palästinensischen Autonomiebehörde zu vereinen. Israel lehnt eine solche Lösung ab.

Welche Ziele verfolgt die Hamas im Gaza-Krieg?

Die islamistische Terrororganisation will im Gazastreifen an der Macht bleiben und sich als Sieger darstellen können. Für den Hamas-Chef Jihia al-Sinwar zahlt es sich offensichtlich aus, auf Zeit zu spielen. Angesichts der schlimmen humanitären Lage in dem Küstenstreifen und der hohen Opferzahl steigt der internationale Druck auf Israel immer stärker. Al-Sinwar hofft womöglich darauf, dass die internationale Gemeinschaft Israel dazu zwingt, den Krieg zu beenden - ohne dass Hamas die 120 verbliebenen Geiseln freilassen muss.

Die US-Zeitung "Wall Street Journal" hatte eigenen Angaben zufolge Zugang zu Dutzenden von Nachrichten Al-Sinwars. Aus ihnen gehe hervor, dass der Hamas-Chef sich von anhaltenden Kämpfen und steigenden Opferzahlen unter palästinensischen Zivilisten Vorteile verspricht. "Wir haben die Israelis genau da, wo wir sie haben wollen", soll er demnach kürzlich in einer Mitteilung an Hamas-Vertreter erklärt haben, die an den Verhandlungen über eine Waffenruhe beteiligt seien. In vielen Nachrichten habe Al-Sinwar "eine kalte Missachtung von Menschenleben an den Tag gelegt und deutlich gemacht, dass er glaubt, dass Israel durch den Krieg mehr zu verlieren hat als die Hamas".

Was bedeutet eine völkerrechtlich bindende Resolution in der Praxis?

Im Gegensatz zu anderen Gremien der Vereinten Nationen (UN) sind die Beschlüsse des Sicherheitsrats völkerrechtlich bindend. Das bedeutet, dass sie für alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen rechtlich verpflichtend sind und umgesetzt werden müssen. Voraussetzung ist, dass keines der fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA ein Veto einlegt. Israel ist UN-Mitgliedsstaat, die Hamas ist dagegen als Terrororganisation kein legitimer Repräsentant ihres Volkes.

Der Sicherheitsrat hat die Autorität, Maßnahmen zu ergreifen, um den internationalen Frieden und die Sicherheit zu wahren. Dies kann Sanktionen unter anderem auf wirtschaftlicher Ebene, Waffenembargos oder sogar militärische Maßnahmen umfassen und basiert auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen. Dass die internationale Gemeinschaft in den blutigen Konflikt ohne Zustimmung Israels militärisch eingreift, gilt jedoch als praktisch ausgeschlossen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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