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"Russlands versteckte Kriegsschulden": Rutschen Putins Banken in die Krise?


Russland vor Finanzkrise?
Putins Kriegswirtschaft hat eine bedrohliche Schwachstelle


14.01.2025 - 14:16 UhrLesedauer: 4 Min.
Kremlchef Putin begutachtet einen Panzer beim Hersteller Uralwagonsawod: "Moskau steht jetzt vor einem Dilemma."Vergrößern des Bildes
Kremlchef Putin begutachtet einen Panzer beim Hersteller Uralwagonsawod: "Moskau steht jetzt vor einem Dilemma." (Quelle: reuters)
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Russlands Banken könnten urplötzlich in die Krise rutschen, sagt der Top-Ökonom Craig Kennedy. Er hat "Russlands versteckte Kriegsschulden" untersucht.

Seit fast drei Jahren führt Russland unablässig Krieg gegen die Ukraine. Die eigene Wirtschaft und den Haushalt unterwirft der Kreml dabei weitgehend den Erfordernissen des Militärs. Und doch hat sich die russische Volkswirtschaft bislang als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Westlichen Ökonomen gibt das Rätsel auf. Dabei könnte Russlands Kriegswirtschaft deutlich anfälliger für Störungen sein als bislang angenommen.

Zu diesem Ergebnis kommt der renommierte Finanzexperte Craig Kennedy von der Harvard-Universität. In seiner neuen Studie mit dem Titel "Russlands versteckte Kriegsschulden" berichtet der Historiker und frühere Investmentbanker von einem inoffiziellen Kreditsystem des Kreml, das russische Banken in den Ruin treiben könnte – ähnlich, wie es US-Banken in der Finanzkrise 2007 erging.

"Moskau hat heimlich eine zweigleisige Strategie zur Finanzierung des Krieges gegen die Ukraine gefahren", heißt es in der Studie, deren Ergebnisse Kennedy vorab in seinem Blog veröffentlicht hat. Demnach finanziert der Kreml den Krieg nicht nur aus dem offiziellen Verteidigungsbudget heraus, sondern auch durch sogenannte Schattenkredite.

Diese müssen Russlands Banken den Rüstungsfirmen des Landes auf Anweisung des Kreml gewähren – zu staatlich bestimmten Zinssätzen und unabhängig von der Kreditwürdigkeit der Empfänger.

Russland finanziert Krieg mit Schattenkrediten

Nach Angaben Kennedys installierte der Kreml das System der Schattenkredite zwei Tage nach dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Das sei westlichen Analysten zwar nicht verborgen geblieben, habe bislang aber zu wenig Beachtung gefunden. Für seine Studie hat der Russland-Kenner, der viele Jahre für die US-Banken Morgan Stanley, Bank of America und Merrill Lynch tätig war, Zahlen der russischen Zentralbank und russischer Unternehmen analysiert.

Auf dieser Grundlage kommt Kennedy zu dem Ergebnis, dass seit Mitte 2022 umgerechnet mehr als 407 Milliarden Euro an Schattenkrediten an russische Unternehmen geflossen sind, eine Steigerung um 71 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren. Im Jahr 2023 hätten die Schattenkredite einen Umfang von fast 20 Prozent der gesamten russischen Wirtschaftsleistung erreicht.

Zur Person

Craig Kennedy hat in Oxford und Harvard slawische Sprachen, Türkisch und die Geschichte des Nahen Ostens studiert. Er promovierte über den Aufstieg Russlands zur europäischen Macht und arbeitete 25 Jahre lang für verschiedene US-Banken. Er ist Mitglied des Davis Center for Russian and Eurasian Studies an der Universität Harvard. Aktuell forscht er zu Russlands Ölindustrie seit dem 19. Jahrhundert.

Damit würden die Schattenkredite mehr zur russischen Kriegswirtschaft beitragen als die offiziellen Verteidigungsbudgets oder die Einnahmen des Kreml durch Öl und Gas.

Kennedy schätzt, dass mehr als 50 Prozent der Schattenkredite unmittelbar an russische Rüstungsfirmen geflossen sind, umgerechnet bis zu 244 Milliarden Euro. "Kurz gesagt: Russlands Ausgaben für den Krieg liegen viel höher, als die offiziellen Zahlen des Kreml vermuten lassen", schreibt Kennedy.

Schattenkredite treiben Inflation in Russland

Bislang sei das System der Schattenkredite für den Kreml vorteilhaft gewesen, weil es die tatsächlichen Kriegskosten zu verschleiern half und den offiziellen Staatshaushalt stabilisiert habe, schreibt Kennedy. Doch spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 2024 hätten auch die Verantwortlichen in Moskau die Probleme durch das System der Schattenkredite nicht mehr ausblenden können.

So habe die russische Zentralbank die Schattenkredite als maßgeblichen Treiber der Inflation des Rubels und der Zinssätze auch für reguläre Kredite identifiziert. Hintergrund ist die gewaltige Steigerung der Geldmenge, die durch das System in Umlauf ist. Nach Angaben der Zentralbank lag die Inflation in Russland über das Jahr 2024 gerechnet zwischen 9,6 und 9,8 Prozent. Die tatsächliche Preissteigerung dürfte westlichen Wirtschaftsexperten zufolge aber deutlich höher sein. Um die Inflation einzufangen, hob die Zentralbank den Leitzins im Oktober von 7,5 auf 21 Prozent an.

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"Flut von faulen Krediten"

Doch inzwischen schaffen die Schattenkredite wohl noch andere Probleme als steigende Verbraucherpreise. So würden eigentlich gesunde Unternehmen der Realwirtschaft durch die hohe Kreditaufnahme in finanzielle Schwierigkeiten geraten und könnten Probleme mit dem Abbezahlen der Schulden bekommen, so Kennedy.

Als Beispiel nennt er den staatlichen Gaskonzern Gazprom, der sich inzwischen zu Zinssätzen von 22 Prozent und höher habe verschulden müssen, um den Verlust des europäischen Gasmarktes aufzufangen. Für den Kreml ist der Konzern offenbar nicht kriegswichtig genug, um ihn durch günstigere Schattenkredite zu finanzieren. Noch gefährlicher als steigende Zinssätze sind laut Kennedy aber die Risiken der Schattenkredite für die Banken, die die Kredite auf Anweisung des Kreml ausgeben müssten.

Inzwischen hat die Zentralbank selbst die Sorge geäußert, dass wichtige russische Banken im Zuge der gelockerten Bestimmungen ihr Kreditvolumen gefährlich aufgebläht hätten, ohne über ausreichende Rücklagen für den Fall von Kreditausfällen zu verfügen. Staatlich verordnete Billigkredite an Rüstungsfirmen ohne ausreichende Kreditwürdigkeit befeuern das Risiko für die Banken, so Kennedy: "Beides zusammen erzeugt eine Flut von faulen Krediten, die das gesamte System der Schattenkredite destabilisieren könnte."

"Schwächt Moskaus Bereitschaft, Krieg fortzuführen"

Ganz neu ist das System der Schattenkredite nicht. Schon in den 2010er-Jahren habe Russland seine Aufrüstung auf diese Weise mitfinanziert – und sei schon damals in Schwierigkeiten geraten. So habe der Kreml 2016 und 2017 und erneut 2019 sowie 2020 viel Geld bereitstellen müssen, um in Schieflage geratene Banken zu stabilisieren. "Angesichts des Ausmaßes der Schattenkredite wäre eine Bankenrettung inzwischen aber extrem kostspielig für den Staat und könnte sich auf die Hälfte des gesamten Haushalts 2024 belaufen", schreibt Kennedy.

Eine solche Rettungsaktion würde den russischen Staat auf Jahre hin belasten und auch die Wiederaufrüstung der Armee erschweren, glaubt Kennedy. Genau darin erkennt er auch eine Möglichkeit, politischen Druck auf Russland im Krieg gegen die Ukraine auszuüben:

"Moskau steht jetzt vor einem Dilemma: Je länger es sich Friedensverhandlungen mit der Ukraine verweigert, desto größer wird das Risiko, dass es in Russland zu systemischen Bankausfällen kommt, was die Verhandlungsposition des Kreml schwächen würde", so Kennedy.

"Wenn der Westen Russland klarmacht, dass er über die größeren Reserven verfügt und die Aufhebung von Sanktionen nur gegen den vollständigen Rückzug Russlands aus der Ukraine infrage kommt, dann schwächt das die Bereitschaft Moskaus, den Krieg fortzuführen", schreibt er.

Verwendete Quellen

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