In London "Graf Mülltonnengesicht" will Bürgermeister werden
Der Weltraumkrieger Count Binfacer tritt für das Bürgermeisteramt in London an. Doch der Klamauk hat auch eine ernste Seite.
Lächerliches Aussehen, griffige Slogans und in jedem zweiten Satz ein Joke: Als der damalige Premierminister Boris Johnson bei der vergangenen Parlamentswahl in Großbritannien im Wahlkreis Uxbridge and South Ruislip die Bühne zur Verkündung seines Siegs betrat, traf er auf einen kuriosen Konkurrenten.
Count Binface (etwa: Graf Mülltonnengesicht) ist ein selbst ernannter intergalaktischer Weltraumkrieger, der auch in diesem Jahr wieder bei Wahlen antritt: Wenn am 2. Mai in weiten Teilen von England und Wales Kommunalwahlen stattfinden, will er zum Bürgermeister von London gewählt werden.
Verantwortliche sollen in verschmutzter Themse baden
Er hat versprochen, die Verantwortlichen des Wasserversorgers Thames Water ein Bad im Wasser der von Fäkalien verseuchten Themse nehmen zu lassen, um "zu sehen, wie es ihnen gefällt" und kündigt an, den Preis von Croissants auf ein Pfund und zehn Pennys zu deckeln. Mit diesen und anderen Versprechen versucht er, Amtsinhaber Sadiq Khan von der Labour-Partei vom Thron zu stoßen, der bereits zum dritten Mal antritt.
Quatschkandidaten wie Count Binface alias Komiker Jon Harvey haben in Großbritannien Tradition. Als Johnson 2019 seinen Sieg feierte, tummelten sich neben dem Weltraumkrieger noch ein Kandidat im Kostüm der Sesamstraßenfigur Elmo, ein Lord Buckethead (Lord Eimerkopf) und ein Yace Yogenstein, auch bekannt als Interplanetary Time Lord auf der Bühne. Die 1982 gegründete Official Monster Raving Loony Party tritt regelmäßig bei Wahlen an.
Auf die Stimmen kommt es ihm nicht wirklich an
Fragt man bei Harvey nach, warum er das macht, sagt er: "Es bringt mich zum Lachen und ich hoffe, dass es andere zum Lachen bringt." Inspirieren ließ er sich unter anderem von Star-Wars-Parodien und der Klamauk-Serie "Blackadder" mit Mr.-Bean-Darsteller Rowan Atkinson.
Doch in Wirklichkeit geht es ihm nicht darum, möglichst viele Stimmen zu bekommen, sagt Harvey im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. "Ich brauche keine einzige Stimme. Es ist immer wunderbar, wenn sie kommen. Aber darum geht es nicht. Es geht einfach darum zu zeigen, dass jeder zur Wahl antreten kann, was in so vielen Ländern der Welt nicht möglich ist", so der 44-Jährige. Die Wahlbehörden sein immer sehr entgegenkommend, lobt er. "Sie verstehen, worum es geht."
Wahlsystem ohne Mitsprache der Bürger geändert
Dass auch die Unterstützer von Count Binface durchaus eine ernsthafte Seite haben, bestätigt Politikprofessor Tony Travers von der London School of Economics. Die Binface-Wähler seien sehr gut darin gewesen, das bisherige Wahlsystem zu nutzen, bei dem sie zwei Präferenzen angeben konnten. Die erste Präferenz sei Binface gewesen. Weil der aber schnell aus dem Rennen war, wählten sie als zweite Präferenz einen der aussichtsreicheren Kandidaten, auf den die Stimme dann übertragen wurde. "Sie waren effizient darin, ein Signal zu setzen: 'Wir haben gerne ein bisschen Spaß, aber am Ende meinen wir es ernst'", fasst Travers das Motto der Binface-Gemeinde zusammen. Für den Weltraumkrieger entschieden sich bei der vergangenen Bürgermeisterwahl in London 2021 immerhin knapp 24.800 Wählerinnen und Wähler.
Das Wahlsystem wurde für die anstehende Wahl jedoch geändert und entspricht nun dem in Großbritannien auch bei der Parlamentswahl gültigen "first-past-the-post"-System, bei dem der Kandidat oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen gewinnt und alle anderen einfach verfallen. Dass diese Änderung von den beiden großen Parteien einfach durchgesetzt wurde, ohne die Wähler zu fragen, findet Harvey nicht in Ordnung. Viele Londoner seien sich wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass sie keine zwei Präferenzen mehr hätten. "Ich denke, wir sollten einfach ehrlich sein zu den Menschen", resümiert er.
Binface bleibt anders als die Konkurrenz stets bei der Wahrheit
Harvey ist es wichtig zu betonen, dass anders als manch echter Kandidat, Count Binface stets bei der Wahrheit bleibt. Als ihn ein Journalist der Zeitung "Independent" einmal fragte, ob er seine Forderung fair finde, das Wahlalter auf 16 zu senken, aber gleichzeitig ein Höchstalter von 80 einzuführen, antwortete Binface mit einem entschiedenen "Nein" – was den Reporter so aus dem Konzept brachte, dass er einige Momente brauchte, um wieder den Faden zu finden.
Vor dem Spott des Count Binface ist niemand sicher, egal welcher Partei oder politischen Richtung er angehört. Das Beste, was Harvey über Amtsinhaber Khan sagen kann, ist: "Er ist sicher besser als sein Vorgänger." Er spielt damit auf Boris Johnson an. Auf die Frage, was er von Khans konservativer Herausforderin Susan Hall hält, fragt er nur zurück: "Wer?" und beginnt zu glucksen.
- Nachrichtenagentur dpa