"Unterirdische Hölle" Hamas veröffentlicht Botschaft von Geisel
Ein aus Israel entführter 24-Jähriger macht seiner Regierung in einem Video schwere Vorwürfe. Unter welchen Umständen der Clip entstand, war jedoch unklar.
Die Terrororganisation Hamas hat am Mittwoch ein Video einer aus Israel in den Gazastreifen verschleppten Geisel veröffentlicht. "Ich wollte mit meinen Freunden abhängen und fand mich stattdessen mit schweren Verletzungen am ganzen Körper um mein Leben kämpfend wieder", sagt der Mann in dem Video auf dem offiziellen Kanal der Hamas im Onlinedienst Telegram.
Die aus Israel entführten Menschen befänden sich in einer "unterirdischen Hölle" ohne Nahrung, Wasser und medizinische Behandlung, sagte der Entführte in dem vom militärischen Arm der Terrororganisation, den sogenannten Kassam-Brigaden, veröffentlichten Video weiter. Er forderte die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu darin auch auf, die Geiseln nach Hause zu bringen. Sie habe die israelischen Bürger nicht beschützt und im Stich gelassen – die Geiseln bereits seit fast 200 Tagen.
Auf den Aufnahmen ist der junge Mann mit fehlendem Unterarm auf einem Plastikstuhl vor einer weißen Wand sitzend zu sehen. Sein Unterarm wurde israelischen Medien zufolge abgerissen, als Terroristen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober Granaten in ein Versteck warfen, in dem er und andere Menschen Schutz gesucht hatten.
Die Echtheit des Videos konnte zunächst nicht unabhängig geprüft werden. Unter welchen Umständen das Video entstanden ist und ob der Mann aus freien Stücken oder unter Druck und Drohungen sprach, war zunächst unklar. Die Aufnahme war zudem nicht datiert, das Hamas-Massaker war am Mittwoch allerdings 201 Tage her. Israels Armeesprecher Daniel Hagari sagte: "Wir werden nichts unversucht lassen, um unsere Entführten zu finden."
Eltern in großer Sorge
Israelische Medien identifizierten den Mann als den 24 Jahre alten Hersh Goldberg-Polin, der am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival in Südisrael entführt worden war. Berichten zufolge ist der Mann israelischer und amerikanischer Staatsbürger.
Seine Mutter setzt sich auf internationaler Bühne stark für seine Freilassung ein. Sie hielt unter anderem emotionale Ansprachen bei einer Großkundgebung in Washington und vor den Vereinten Nationen in Genf. "Wir sind erleichtert, ihn lebend zu sehen, machen uns aber auch Sorgen um seine Gesundheit und sein Wohlergehen", sagten seine Eltern in einer Erklärung, die das Forum der Geisel-Angehörigen veröffentlichte. Sie hätten seit seiner Entführung erstmals die Stimme ihres Sohnes gehört. "Wenn du uns hören kannst, sagen wir dir: Wir lieben dich, bleib stark, überlebe."
"Mit jedem Tag, der vergeht, wird die Angst, noch mehr unschuldige Leben zu verlieren, größer", teilte das Forum der Geisel-Angehörigen nach Veröffentlichung des "erschütternden" Videos mit. "Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu verschwenden. Die Geiseln müssen oberste Priorität haben."
Hamas wollen Druck auf Israel ausüben
Das US-Nachrichtenportal "Axios" berichtete, die Hamas habe das Video an Katar weitergeleitet. Das Golfemirat habe es am Montag an die USA geschickt. "Axios" zufolge übt Katar seit einiger Zeit Druck auf die Hamas auf, um einen Lebensbeweis der Geiseln zu erhalten und diesen an die USA weiterzuleiten.
Für die Hamas gehe es laut des Berichts darum, Druck auf Israel im Rahmen der Gespräche über eine Feuerpause und eine Freilassung von Geiseln aufzubauen.
Dutzende Demonstranten versammelten sich am Mittwochabend in Jerusalem vor Netanjahus Amtssitz. Sie forderten, die Geiseln nach Israel zurückzubringen.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Der Angriff der Hamas am 7. Oktober hatte den Krieg ausgelöst. Mitglieder der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen drangen dabei in israelische Orte ein und verübten Gräueltaten an Zivilisten.
Nach israelischen Angaben töteten sie etwa 1.170 Menschen, zudem verschleppten sie rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Israel schätzt, dass sich noch 129 dieser Geiseln im Gazastreifen befinden – darunter 34, die das Militär für tot hält.
Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 34.200 Menschen getötet.
- Nachrichtenagenturen dpa und afp
- Beobachtungen auf X