Russische Invasion Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Nach langem Stillstand will der US-Kongress über neue Hilfen für die Ukraine abstimmen. Diese seien bitter nötig, mahnt der Chef des US-Geheimdienstes. Die News im Überblick.
Ohne neue US-Hilfen könnte die Ukraine den Krieg gegen Russland nach Ansicht von CIA-Direktor William Burns bis Ende des Jahres verlieren.
Sollte der US-Kongress keine neuen Hilfen bewilligen, bestehe "ein sehr reales Risiko, dass die Ukrainer bis Ende 2024 auf dem Schlachtfeld verlieren oder (den russischen Präsidenten Wladimir) Putin zumindest in eine Position bringen könnten, in der er im Wesentlichen die politischen Bedingungen diktieren könnte", sagte der Chef des US-Geheimdienstes bei einer Veranstaltung in Dallas im US-Bundesstaat Texas. "Hier steht enorm viel auf dem Spiel."
Nach monatelanger Blockade hat der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, die bevorstehende Abstimmung über neue US-Unterstützung für dieses Wochenende angekündigt. Im Falle einer Zustimmung käme noch die zweite Kammer, der Senat, zum Zug. US-Präsident Joe Biden will das Gesetz nach dem Beschluss durch den Kongress eigenen Angaben nach "sofort" unterschreiben.
Burns erläuterte, neue militärische Hilfe würde einen Aufschwung mit sich bringen - "sowohl praktisch als auch psychologisch" - und die Ukrainer in die Lage versetzen, ihre Verteidigung im Laufe des Jahres aufrecht zu erhalten, "was Putins arroganter Ansicht widerspricht, dass die Zeit auf seiner Seite ist".
Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Die vom Kongress bereits genehmigten Mittel sind nach Angaben der US-Regierung aufgebraucht - deshalb ist die geplante Abstimmung von großer Bedeutung.
Mehr Unterstützung seitens der Nato
Nach der Entscheidung der Nato zur weiteren Stärkung der Flugabwehr der Ukraine hat sich deren Präsident Wolodymyr Selenskyj zurückhaltend zufrieden geäußert. "Wir in der Ukraine schätzen die Bemühungen jedes Führers, jedes Staates, der wirklich aktiv ist, seine Versprechen einhält und versucht, die Fähigkeiten unserer Luftverteidigung zu verbessern", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.
Verteidigungsminister der Nato-Staaten hatten der Ukraine zuvor bei einer Krisensitzung mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Lieferung zusätzlicher Luftverteidigungssysteme zugesagt. Das erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Anschluss an die per Videokonferenz abgehaltenen Beratungen in Brüssel. "Die Nato-Verteidigungsminister haben sich darauf geeinigt, ihre militärische Unterstützung zu verstärken und weiter auszubauen, auch im Bereich der Luftverteidigung", sagte er.
Wer die Zusagen gemacht hat, sagte der Norweger nach der Sitzung des sogenannten Nato-Ukraine-Rates zunächst nicht. Konkrete Ankündigungen sollen demnach in den nächsten Tagen durch einzelne Mitgliedstaaten gemacht werden. Länder, die selbst keine verfügbaren Luftverteidigungssysteme haben, sagten nach Angaben von Stoltenberg zu, finanzielle Unterstützung für den Kauf von Systemen für die Ukraine zu leisten.
Angriff auf Odessa
Das russische Militär hat die ukrainische Hafenstadt Odessa mit Raketen angegriffen. Dabei sei die Infrastruktur des Hafens getroffen worden, teilte der örtliche Militärverwalter Oleh Kiper auf Telegram mit. "Die Region Odessa wird erneut vom Feind angegriffen", schrieb er. "Die Hafeninfrastruktur wurde beschädigt." Bei dem Angriff sei ein Mann verletzt worden. Gleichzeitig erinnerte der Militärverwalter die Bevölkerung daran, die Alarm-Signale zu beachten und rechtzeitig Schutzräume aufzusuchen.
Nach regionalen Medienberichten waren in der Stadt mehrere starke Explosionen zu hören. Später entwickelte sich über dem von Raketen getroffenen Gebiet dichter Rauch. Weitere Details über die Auswirkungen des russischen Angriffs wurden nicht genannt.
Russland bekräftigt erneut Anspruch auf Ukraine
Unterdessen bekräftigte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Radiointerview den Moskauer Herrschaftsanspruch über die seit mehr als zwei Jahren mit Krieg überzogene Ukraine. Unklar sei höchstens die Zukunft der Westukraine, sagte Lawrow mehreren russischen Sendern in Moskau. Ansonsten werde es nur eine Ukraine geben, "die wahrhaft russisch ist, die Teil der russischen Welt sein will, die Russisch sprechen will und ihre Kinder erzieht", sagte er. Etwas anderes stehe gar nicht zur Debatte.
Russland wolle nicht Nato-Staaten angreifen, wie dort behauptet werde, um den Wählern Angst zu machen, sagte Lawrow. "Aber wenn sie die Grenzen der Nato an unsere Grenzen vorschieben wollen, dann werden wir das in der Ukraine natürlich zu verhindern wissen."
Wie andere Moskauer Vertreter sprach Lawrow davon, dass Russland zu Gesprächen mit der Ukraine bereit sei. Er nannte aber Bedingungen. Eine Feuerpause während möglicher Verhandlungen werde es nicht geben. Gespräche mit Selenskyj seien sinnlos. Kiew müsse von dessen Friedensformel abrücken.
Selenskyj besucht ostukrainische Front
Selenskyj besuchte bei einer Reise in das ostukrainische Frontgebiet Donezk einen Kommandopunkt in der Nähe der umkämpften Stadt Tschassiw Jar. Er habe sich vor Ort über die Lage unterrichten lassen, teilte der Staatschef bei Telegram mit. Anschließend verlieh er Orden an Soldaten. Die Kleinstadt Tschassiw Jar gilt als nächstes Ziel der russischen Armee. Die Front verläuft wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Tschassiw Jar liegt unweit der vor knapp einem Jahr von den Russen nach schweren Kämpfen eingenommenen Stadt Bachmut.
Zuvor hatte der Präsident Verwundete in einem Krankenhaus in der Großstadt Slowjansk besucht und den Ausbau von neuen Verteidigungspositionen inspiziert. Selenskyj hatte bereits in den vergangenen Wochen mehrfach den Ausbau neuer Verteidigungslinien besichtigt, unter anderem im benachbarten Gebiet Charkiw.
Auch in Dnipro erkundigte sich Selenskyj über die Sicherheitslage und Schutzmaßnahmen für die kritische Infrastruktur der Großstadt. "Es ist sehr wichtig, dass alle, die jetzt Hilfe brauchen, diese auch erhalten", schrieb er auf Telegram. "Und wir arbeiten mit unseren Partnern daran, zusätzliche Luftabwehrsysteme für die Ukraine bereitzustellen." Zuletzt war Dnipro mehrfach Ziel russischer Luft- und Raketenangriffe.
Tote nach russischen Angriffen auf Gebiet Dnipropetrowsk
In der Nacht gab es erneut in vielen Regionen der Ukraine Luftalarm. Unter anderem wurde das industriell wichtige Gebiet Dnipropetrowsk in der Südukraine nach Behördenangaben von Russland massiv aus der Luft beschossen. In der Gebietshauptstadt Dnipro seien mindestens zwei Menschen getötet und 15 verletzt worden, teilte Gouverneur Serhij Lyssak auf Telegram mit. Ein fünfgeschossiges Wohnhaus und zwei Infrastrukturobjekte seien getroffen worden. Es seien gezielt Anlagen der ukrainischen Eisenbahn beschossen worden, teilte das Staatsunternehmen mit. Der Hauptbahnhof von Dnipro sei gesperrt, Fernverkehrszüge würden umgeleitet.
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In der Stadt Synelnykowe wurden nach Angaben von Innenminister Ihor Klymenko sechs Menschen getötet, darunter zwei Kinder. Getroffen wurden mehrere Einfamilienhäuser. In Pawlohrad wurde den Behördenangaben nach eine Fabrik beschädigt, in Kriwyj Rih ein Objekt der Infrastruktur. Präsident Selenskyj schrieb auf Telegram, der Himmel über der Ukraine könnte genauso gut verteidigt werden wie der Himmel über Israel, wenn die ausländischen Partner die Waffen dafür lieferten.
Nach Angaben von Gouverneur Lyssak konnte die Flugabwehr über dem Gebiet Dnipropetrowsk neun russische Raketen abschießen, aber nicht alle. In Dnipro und anderen Städten des Gebiets sind seit sowjetischen Zeiten Flugzeug- und Raketenbau sowie andere Rüstungsbetriebe angesiedelt. Im Süden bildet der Fluss Dnipro die Frontlinie zu den angreifenden russischen Truppen. Diese beschossen über den Fluss hinweg den Landkreis Nikopol mit Artillerie, wie Lyssak mitteilte.
Von Explosionen wegen des Einsatzes von Flugabwehr wurde nachts auch aus dem Gebiet Odessa am Schwarzen Meer berichtet. Die Stadt sei vom Schwarzen Meer aus mit Raketen angriffen worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit.
EU plant neues Paket mit Russland-Sanktionen
In der EU wird indessen ein 14. Sanktionspaket vorbereitet. Bestandteil sollen nach Angaben eines ranghohen EU-Beamten Strafmaßnahmen gegen Akteure sein, die bereits bestehende Russland-Sanktionen umgehen. Zudem dürfte es nach Angaben von Diplomaten eine erneute Erweiterung der Liste mit Personen und Einrichtungen geben, deren in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden müssen. Konkrete Vorschläge wollen der Auswärtige Dienst der EU und die EU-Kommission den Mitgliedstaaten in der kommenden Woche vorstellen.
Gearbeitet wird derzeit zudem an dem Plan, einen Großteil der Gewinne aus der Verwahrung eingefrorener russischer Zentralbank-Gelder in der EU für den Kauf militärischer Ausrüstung für die Ukraine zu nutzen. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten begrüßten bei ihrem Gipfeltreffen in dieser Woche Fortschritte dabei. Allein dieses Jahr könnten nach früheren Angaben bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen, mit denen dann zum Beispiel Waffen für die Ukraine angeschafft werden könnten.
Das 13. große Paket mit Russland-Sanktionen war im Februar zum zweiten Jahrestag des Kriegs gegen die Ukraine beschlossen worden. Es richtete sich gegen 106 Personen und 88 Einrichtungen, die für Handlungen verantwortlich sind, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. Darunter waren auch Personen, die an Waffenlieferungen Nordkoreas an Russland beteiligt sind, sowie der nordkoreanische Verteidigungsminister.
- Nachrichtenagentur dpa