Militärmanöver bei Taiwan US-Regierung: "China hat überreagiert"
China führt nach dem Pelosi-Besuch ein Großmanöver nahe Taiwan durch – auch mit scharfer Munition. Die USA rechnen mit einer aggressiveren Rhetorik.
Die US-Regierung wirft China eine Überreaktion und unnötige Eskalation nach dem Taiwan-Besuch der amerikanischen Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi vor. China habe schätzungsweise elf ballistische Raketen in Richtung Taiwan abgeschossen, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Donnerstag in Washington. "Wir verurteilen diese Aktionen." Das Vorgehen Pekings sei unverantwortlich. "China hat überreagiert und den Besuch der Vorsitzenden (des Repräsentantenhauses) zum Vorwand genommen, um seine provokativen militärischen Aktivitäten in und um die Taiwanstraße zu verstärken." Kirby beklagte: "Pekings provokative Aktionen sind eine bedeutsame Eskalation."
Kirby sagte, die US-Regierung habe ein Vorgehen dieser Art vorhergesagt und gehe davon aus, dass weitere Reaktionen Chinas folgen werden. Man erwarte weitere Militärübungen und aggressive Rhetorik. Die USA strebten keine Krise an, betonte er. Es gebe keinen Grund, dass sich dies zu einer Krise entwickele.
Als Reaktion auf die jüngste Verschärfung des Konflikts um Taiwan haben die USA den Test einer ballistischen Interkontinentalrakete verschoben. Dies teilte am Donnerstag der für Themen der nationalen Sicherheit zuständige Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, mit. Es sei nicht im Interesse der USA, Taiwans und der Region, "dass eine weitere Eskalation der Spannungen zugelassen wird", begründete er die Entscheidung.
Enge Zusammenarbeit mit Japan
Japan und die USA wollen angesichts des Konflikts um Taiwan eng zusammenarbeiten. Es sei wichtig, den Frieden und die Stabilität in der Taiwanstraße zu wahren. Darauf verständigten sich Japans Regierungschef Fumio Kishida und die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, am Freitag bei einem Treffen in Tokio. Am Vortag waren bei Manövern der chinesischen Volksbefreiungsarmee in den Gewässern vor Taiwan fünf Raketengeschosse in Japans ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ) niedergegangen. Chinas Verhalten habe "ernste Auswirkungen auf den Frieden und die Stabilität in der Region und der internationalen Gemeinschaft", sagte Kishida laut japanischen Medienberichten.
Taiwans Präsidentin: "Manöver sind uverantwortlich"
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hat die chinesischen Manöver um die demokratische Inselrepublik "unverantwortlich" genannt. In einer Videoansprache am späten Donnerstagabend forderte die Präsidentin die chinesische Führung nachdrücklich zur Vernunft und Zurückhaltung auf. Taiwan werde die Spannungen nicht eskalieren, sondern wolle den Status quo bewahren. Ihre Regierung arbeite daran, den Betrieb der taiwanischen Häfen und Flughäfen reibungslos zu gestalten und die Finanzmärkte zu stabilisieren.
Die Präsidentin dankte der G7-Gruppe der sieben führenden Industrienationen zusammen mit der Europäischen Union für deren Unterstützung.
Manöver findet 20 Kilometer vor der Küste Taiwans statt
China hatte am Donnerstag seine angekündigten Militärmanöver nahe Taiwan begonnen. Sechs Gebiete rund um die Insel seien für die "Kampfübung" ausgewählt worden, "relevante Schiffe und Flugzeuge" sollten die davon betroffenen Gewässer und den entsprechenden Flugraum meiden, vermeldete der staatliche Fernsehsender CCTV am Donnerstag. Die Manöver in den Gewässern um Taiwan sollen demnach bis Sonntagmittag laufen.
Staatlichen Medien zufolge wird bei dem um 12 Uhr Ortszeit (6 Uhr MESZ) begonnenen Manöver "scharf geschossen". Die Militärübungen sollen bis zu 20 Kilometer vor der Küste Taiwans stattfinden. Die staatliche chinesische Zeitung "Global Times" schrieb unter Berufung auf Militäranalysten, die Manöver seien "beispiellos". Erstmals würden Raketen über Taiwan fliegen.
Diese Überflüge sorgten am Donnerstag für einen diplomatischen Zwischenfall. Die japanische Regierung legte Protest bei der Regierung in Peking ein. Der Grund dafür sei laut Japans Verteidigungsminister Nobuo Kishi, dass fünf chinesische Raketen in der ausschließlichen Wirtschaftszone Japans einschlugen. Diese beginnt nur wenige Seemeilen hinter der taiwanesischen Küste und wurde teilweise von China als Ziel der Raketen ausgegeben.
In der Meerenge der Taiwanstraße, die Taiwan vom Festland trennt, sowie östlich der Insel wurden weit reichende Geschosse abgefeuert, wie das östliche Militärkommando der Volksbefreiungsarmee mitteilte. "Alle Raketen haben ihre Ziele genau getroffen", sagte ein Sprecher. Nach taiwanischen Angaben hat China Raketen vom Typ "Dongfeng" (Ostwind) im Einsatz. Die taiwanischen Streitkräfte sind weiter in Kampfbereitschaft. Das Verteidigungsministerium in Taipeh erklärte, alle sechs Manövergebiete sowie vorgelagerte Inseln würden überwacht.
China reagiert mit Militärübung auf Pelosi-Besuch in Taiwan
Auf dem chinesischen sozialen Netzwerk Weibo posteten Nutzer am Donnerstag Videos und Fotos der Raketen. Diese sollen von Stränden in der Provinz Fujian in Richtung der Straße von Taiwan abgeschossen worden sein. Der freie Journalist Duan Dang analysierte in einem Tweet, die Geschosse seien allem Anschein nach von der Insel Pingtan gestartet und in einer der von China ausgewiesenen Sperrzonen vor Taiwan eingeschlagen. Die Schussbahn entspreche demnach der Entfernung zwischen Pingtan und Taiwans Hauptstadt Taipeh.
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China reagiert mit den Manövern auf einen Taiwan-Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi am Dienstag und Mittwoch. Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses war die ranghöchste US-Vertreterin seit 25 Jahren, die Taiwan einen Besuch abstattete. Pelosi hatte erklärt, ihre Anwesenheit mache "unmissverständlich klar", dass die USA einen demokratischen Verbündeten wie Taiwan nicht allein ließen. Die Regierung in Peking, die Taiwan als Teil des chinesischen Territoriums ansieht, hatte erbost reagiert.
Taiwan lädt deutsche Bundestagspräsidentin ein
Taiwan lud Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ein, dem Beispiel Pelosis zu folgen. Der Repräsentant Taiwans in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, sagte dem "Tagesspiegel": "Die Hemmungen, nach Taiwan zu reisen, müssen fallen. Ich schlage vor, dass eine Bundestagsdelegation unter Leitung der Parlamentspräsidentin nach Taiwan reist."
Die deutsche Exportwirtschaft sieht die Eskalation mit Sorge. "Taiwan ist durch seine Elektro- und Halbleiterindustrie ein wichtiger Bestandteil in vielen Sektoren der Weltwirtschaft", sagte BGA-Präsident Dirk Jandura der "Rheinischen Post".
Der Nachrichtenagentur AFP gegenüber hieß es aus chinesischen Militärkreisen, die Manöver würden als "Vorbereitungen auf einen tatsächlichen Kampf" geführt. Sollten taiwanesische Kräfte "vorsätzlich in Kontakt mit dem chinesischen Militär kommen" und "versehentlich eine Waffe abfeuern", würden Pekings Streitkräfte "strenge Gegenmaßnahmen ergreifen", die taiwanesische Seite würde in diesem Fall "alle Konsequenzen tragen".
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Taiwans Verteidigungsministerium erklärte umgehend, die Lage genau zu beobachten. Die Streitkräfte des Inselstaates würden gemäß dem Prinzip handeln, sich "auf einen Krieg vorzubereiten, ohne einen Krieg zu wollen". Es werde auch keine "Eskalation des Konflikts" gesucht. Taiwan bezeichnete die Manöver als "irrationalen Schritt" – mit dem Ziel, "die internationale Ordnung infrage zu stellen".
Stoltenberg: Gibt keinen Grund für China, überzureagieren
China sollte nach den Worten von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht überreagieren auf Pelosis Besuch in Taiwan. Es gebe keinen Grund, Taiwan deswegen zu drohen oder eine aggressive Rhetorik zu verwenden, sagte Stoltenberg am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. "Die USA und andere Nato-Bündnispartner haben Taiwan über die Jahre regelmäßig mit hochrangigen Vertretern Besuche abgestattet, und deshalb gibt es keinen Grund für China zu überreagieren."
China bekommt bei seinen umstrittenen Militärmanövern Rückhalt vom verbündeten Russland. "Was die Manöver betrifft: Das ist Chinas souveränes Recht", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge. Einmal mehr kritisierte Peskow auch den von Peking scharf verurteilten Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taipeh vor wenigen Tagen. "Das war ein völlig unnötiger Besuch und eine unnötige Provokation", sagte der Sprecher von Kremlchef Wladimir Putin.
- Nachrichtenagenturen AFP und Reuters
- reuters.com: "Taiwan says it fired flares to drive away suspected drones near Kinmen" (englisch)