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EU-Kommission: 100 Tage Ursula von der Leyen – mit Karacho in den Krisenmodus


100 Tage von der Leyen
Mit Karacho in den Krisenmodus

dpa, Verena Schmitt

Aktualisiert am 09.03.2020Lesedauer: 4 Min.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen: "Nach den ersten 100 Tagen, das kann ich Ihnen sagen, habe ich ein entschlossenes Europa gesehen."Vergrößern des Bildes
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen: "Nach den ersten 100 Tagen, das kann ich Ihnen sagen, habe ich ein entschlossenes Europa gesehen." (Quelle: Reuters-bilder)

Die neue Chefin der EU-Kommission ist am heutigen Montag seit 100 Tagen im Amt. Ursula von der Leyen ist mit großem Elan in ihre Amtszeit gestartet. Einige lehrte sie das Staunen. Aber irgendwie ist auch alles wie immer in der EU.

Ursula von der Leyen ist wohl die einzige Europäerin, die vor ihrem Zuhause ein zehn Stockwerke hohes Riesenbanner mit dem eigenen Motto hängen hat. "Für eine Union, die mehr erreichen will", prangt am Brüsseler Berlaymont-Gebäude, in dem die neue Präsidentin der Europäischen Kommission nicht nur ihr Büro hat, sondern praktischerweise auch ihr Apartment.

Mehr Europa, digitaler, grüner – die 61 Jahre alte CDU-Politikerin ist am 1. Dezember im Turbo in ihre Amtszeit gestartet und hat seither erstaunlich viel von dem angestoßen, was sie sich für die ersten 100 Tage vorgenommen hatte. Verblüffenderweise hat sie sogar einige einst beinharte Kritiker für sich eingenommen. Und doch lief bei Weitem nicht alles rund für die erste Frau an der Spitze der Brüsseler Machtzentrale. Die EU läuft schon wieder im Krisenmodus, getrieben von Machtpolitikern und Militärs in Libyen, Syrien, der Türkei und von einem rätselhaften Virus namens SARS-CoV-2.

Das zeigte sich im Verlauf dieser Woche, in der von der Leyen feierlich das Klimagesetz präsentieren wollte, das Herzstück ihres "Green Deal" gegen die globale Erwärmung, ihr großes Projekt. Dafür hatte sie eigens die schwedische Aktivistin Greta Thunberg nach Brüssel geladen. Doch dann dominierten ganz andere Bilder – martialische und tragische Szenen von der griechischen Grenze zur Türkei, wo Tausende Menschen auf Zutritt zur Europäischen Union hofften.

Also eilte von der Leyen mit Ratspräsident Charles Michel und EU-Parlamentspräsident David Sassoli an den Ort des Geschehens, kreiste im Helikopter über Feldern, Wiesen und Stacheldraht, sicherte Griechenland Solidarität zu, vermied jeden Hauch von Kritik an der Abwehr der Gestrandeten – Symbolpolitik in einem Dilemma, das die EU seit 2015 nicht löst: Wie umgehen mit den Flüchtlingen und Migranten, die in Europa Schutz oder ein besseres Leben suchen?


Der endlose Asylstreit ist nur eine der Altlasten, die von der Leyen von ihrem Vorgänger Jean-Claude Juncker übernommen hat und die ihr bei der eigenen Agenda in die Quere kommen. Die Briten musste sie am Brexit-Tag Ende Januar verabschieden und nun muss sie verhindern, dass die Scheidung zum Rosenkrieg ausartet. Im Haushaltsstreit der EU-Länder kann sie nach einem gescheiterten Sondergipfel Ende Februar nur auf ein rasches und gutes Ende hoffen, sonst sind ihr von Anfang nächsten Jahres an finanziell die Hände gebunden. Und dass sich die EU bei den Eurozonen-Reformen im Kleinklein verhedderte, könnte sich bei einem Abschwung wegen Covid-19 noch rächen.

"Habe ein entschlossenes Europa gesehen"

Von der Leyen hat die Gabe, die Schwierigkeiten eisern wegzulächeln. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos, so erzählte sie es vor Unternehmern diese Woche, habe ein Teilnehmer sie gefragt: "Wollen wir, dass Europa ein globaler Spieler ist oder ein Spielplatz für andere?" Die Antwort liegt für von der Leyen auf der Hand. "Nach den ersten 100 Tagen, das kann ich Ihnen sagen, habe ich ein entschlossenes Europa gesehen", beteuerte sie.

Das passt zu ihrer Ansage, sie wolle eine "geopolitische Kommission" und ein Europa, das "die Sprache der Macht" erlerne. Entschlossenheit bedeutet allerdings nicht unbedingt Wirkung. Erst stand die Kommission hilflos vor den Wirren nach dem US-Raketenangriff auf den iranischen General Ghassem Soleimani im Irak, dann vor der Zuspitzung in Libyen, dann vor dem Zerfall der Atomvereinbarung mit dem Iran, vor der Schlacht um Idlib in Syrien, die Hunderttausendende in die Flucht trieb. Auch all das fiel in die ersten 100 Tage dieser "geopolitischen Kommission".

Der SPD-Europapolitiker Jens Geier gibt der Kommissionspräsidentin für ihren Start insgesamt eine Vier – ausreichend. Der Chef der SPD-Abgeordneten im Europaparlament sagt das allerdings wie ein Deutschlehrer, der findet, dass eine Vier eigentlich eine passable Note ist. Der Green Deal, die geplanten Strategien für die Kreislaufwirtschaft und die Industrie, Ansätze eines gemeinsamen Rahmens für Mindestlöhne, das verbucht Geier alles auf von der Leyens Habenseite und lässt sich schließlich entlocken: "Sie macht das ordentlich."

Von der Leyen hat sich Respekt verschafft

Das ist insofern bemerkenswert, als Geier im Sommer 2019 nach von der Leyens Nominierung einer der schärfsten Kritiker war und gemeinsam mit seinen SPD-Kollegen geschlossen gegen die Deutsche stimmte. Das sei nie etwas Persönliches gewesen, betont er heute, das Hindernis sei gewesen, dass von der Leyen keine Spitzenkandidatin in der Europawahl war. Ähnlich äußern sich heute übrigens führende Grüne, die von der Leyen damals ebenfalls für unwählbar erklärten.

Von der Leyen hat sich also Respekt verschafft und viele mit ihrem Enthusiasmus angesteckt. Sie hat jedoch im Maschinenraum ihrer Behörde auch für vernehmbares Ächzen und Stöhnen gesorgt. Das Tempo, mit dem sie in den ersten zehn Tagen ihren Green Deal aus dem Boden gestampft hat, lässt manche Mitarbeiter heute noch schaudern. Von anfänglichem "Chaos" ist die Rede, von unklaren Zuständigkeiten und Reibereien zwischen den mächtigen Vizepräsidenten der Kommission und einigen Kommissaren. Alle neu, alle unter Volldampf. Und alle unter einer Präsidentin, die "mehr erreichen will".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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