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Boris Johnsons Brexit-Strategie: Der Premierminister droht und erpresst


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Kampfansage an die EU
Johnsons Brexit-Strategie: drohen und erpressen


Aktualisiert am 26.07.2019Lesedauer: 3 Min.
Boris Johnson bei seiner ersten Rede als Premierminister im britischen Parlament: Er ging ganz klar auf Konfrontationskurs zur EU.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson bei seiner ersten Rede als Premierminister im britischen Parlament: Er ging ganz klar auf Konfrontationskurs zur EU. (Quelle: ©UK Parliament/Jessica Taylor)
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Der neue britische Premierminister droht, die Austrittszahlungen für den Brexit zu verweigern. Das kann schwerwiegende Folgen für Großbritanniens Glaubwürdigkeit haben.

Schon bei seinem ersten Auftritt im britischen Parlament hat der neue britische Premierminister Boris Johnson klargestellt, dass er den Ton gegenüber der EU deutlich verändern wird. Während seine Vorgängerin Theresa May das eigene Parlament warnte und mahnte, ihren Brexit-Deal doch endlich anzunehmen, droht Johnson der EU und geht klar auf Konfrontationskurs.

Mays Brexit-Deal sei tot, der gesamte Ausstiegsvertrag "für das Abgeordnetenhaus und das Land inakzeptabel" und müsse neu verhandelt werden, der umstrittenen Backstop-Regelung werde er in dieser Form niemals zustimmen, da sie die wirtschaftliche Unabhängigkeit und politische Selbstbestimmung seines Landes unterbinde – wetterte Johnson.

Den Applaus und die lautstarke Zustimmung seines neuen Kabinetts, das zu überwiegenden Teilen aus Brexit-Hardlinern besteht, hatte er sicher.

Verwirrung um die korrekte Summe

Noch ist nicht klar, wie Johnsons eigener Brexit-Plan aussieht, doch zwei Dinge sind zentral: die Drohung mit einem Ausstieg ohne Deal und die Drohung mit einer Verweigerung der Austrittszahlungen. Johnson sprach im Parlament von einer Summe von 39 Milliarden Pfund (rund 43,5 Milliarden Euro), die korrekte Summe liegt nach den Brexit-Verschiebungen inzwischen bei 33 Milliarden Pfund (knapp 37 Milliarden Euro).

Dieses Geld will Johnson zurückhalten, wenn die EU Großbritannien beim Brexit nicht entgegenkommt, und das Geld in die Vorbereitung eines Austritts ohne Vertrag stecken.

Auch bei einem Brexit ohne Deal soll Großbritannien zahlen

Die Austrittsrechnung ist Teil des von May ausgehandelten Ausstiegsvertrags und wird auch "divorce bill" genannt. Sie ist also Teil des Austrittsvertrags, den Johnson ablehnt. Die Ablehnung des Vertrages und ein Brexit ohne Abkommen würde Großbritannien deshalb aber nicht von der Zahlung der Summe oder großer Teile davon entbinden.

Der Betrag soll verschiedene Forderungen der EU an Großbritannien abdecken, darunter Pensionen für britische EU-Mitarbeiter. Zudem muss das Vereinigte Königreich alle finanziellen Verpflichtungen erfüllen, die es als EU-Land eingegangen ist und die noch über den Austritt hinaus fällig werden.

Das Zurückhalten oder Verweigern der Zahlungen an die EU hatte Johnson schon im Wahlkampf um die May-Nachfolge ins Gespräch gebracht – und wurde von vielen Seiten vor den Risiken dieses Schritts gewarnt. Philip Hammond, unter May Schatzkanzler, ermahnte Johnson im Juni: Zumindest Teile der ausgehandelten Summe seien für das Vereinigte Königreich eine Verpflichtung, die Großbritannien als EU-Mitglied eingegangen sei und erfüllen müsse.


Guy Verhofstadt, der Chefunterhändler des EU-Parlaments für den Brexit, stellte klar: Eine Verweigerung der Zahlungen würde "nicht nur Großbritanniens Glaubwürdigkeit als internationalem Partner schaden", sondern sie wäre absolut inakzeptabel und widerspreche dem, "was nahezu alle Juristen in Großbritannien darüber denken".

Großbritanniens Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

Sollte Johnson mit seiner Drohung ernst machen, würde er das Ansehen Großbritanniens als verlässlichen Partner immens beschädigen – und sein eigenes genauso. Zudem würde das Vereinigte Königreich mit Sicherheit von der EU verklagt werden, sollte es sich komplett weigern, bei einem Ausstieg Geld an die Gemeinschaft zu überweisen.

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Dazu käme ein weiteres Problem: Die EU hat immer wieder betont, dass sie über zukünftige Handelsbeziehungen mit Großbritannien erst verhandelt, wenn der finanzielle Aspekt des Austritts geklärt ist. Verlassen die Briten die EU ohne Deal und ohne finanzielle Regelungen, wird sich die EU entsprechend wohl weigern, neue Handelsvereinbarungen mit Großbritannien auszuhandeln.

Dann müsste das Vereinigte Königreich mit der EU weitestgehend nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) Waren austauschen. Das würde für eine Vielzahl von Produkten höhere Zölle sowie Ein- und Ausfuhrbeschränkungen bedeuten.

Die EU bleibt gelassen

Auch ein weiteres gravierendes Problem, das durch den Brexit entsteht, bliebe in diesem Fall ungelöst: Die Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Ohne Abkommen drohen Grenzkontrollen, die den alten Konflikt zwischen katholischen Befürwortern einer Vereinigung Irlands und protestantischen Loyalisten wieder schüren könnten.

Ob Johnson wirklich bereit ist, all diese Risiken, die ein Zurückhalten der Austrittszahlungen mit sich bringen würden, in Kauf zu nehmen, muss man abwarten. Vollkommen ausschließen sollte man beim neuen britischen Premierminister jedoch nichts.


Die EU reagiert einstweilen sehr gelassen auf das Auftaktgetöse aus London. Der für die Brexit-Verhandlungen zuständige EU-Chefunterhändler Michel Barnier ließ ausrichten, die Rede Johnsons sei aus seiner Sicht "recht kämpferisch" gewesen. Ansonsten empfahl er, "ruhig zu bleiben, an den Grundsätzen und Leitlinien festzuhalten und im Kreis der 27 Solidarität und Einheit zu zeigen".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, AFP
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