Mega-Proteste in London Hunderttausende fordern zweites Brexit-Votum
In weniger als einem halben Jahr will Großbritannien die EU verlassen. Doch viele Briten sind damit nicht einverstanden. Nun machen sie ihrem Ärger auf der Straße Luft.
Mehr als eine halbe Million Menschen haben nach Veranstalterangaben in London gegen den Brexit demonstriert. Um ihrem Ärger Luft zu machen, nahmen viele Teilnehmer weite Anreisen auf sich, etwa von den mehr als 1000 Kilometer entfernten Orkney-Inseln vor der Nordküste Schottlands. Familien mit Kindern beteiligten sich ebenso wie EU-freundliche Abgeordnete der regierenden Konservativen. Bürgermeister Sadiq Khan von der Labour-Partei sprach von einem "historischen Moment" der Demokratie.
Größte Demonstration seit Jahren
Großbritannien will sich bereits Ende März 2019 von der Europäischen Union trennen. Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel sind aber ins Stocken geraten. Aufgerufen zu dem Marsch hatte die Kampagne "People's Vote", die ein zweites Referendum zum EU-Austritt durchsetzen will. Nach ihrem Willen sollen die Briten das Recht bekommen, über ein finales Abkommen abzustimmen.
Der Protestzug führte durch das Zentrum Londons bis zum Parlament. Die Veranstalter hatten rund 100.000 Teilnehmer erwartet, die Zahl wurde aber weit übertroffen. Offizielle Behördenzahlen gab es zunächst nicht. Es könnte sich Medienberichten zufolge um die größte Demonstration seit 15 Jahren in der Hauptstadt handeln.
"Ich kämpfe hier auch für mein Kind"
"Das ist doch alles Banane! Total verrückt!", schimpfte Jacki Hughes aus Lancaster im Nordwesten Englands über den geplanten Brexit. Und ihr Freund Anthony Brown ergänzte: "Wir wollen in der EU bleiben. Ich möchte kein Visum beantragen müssen, wenn ich zum Beispiel Deutschland besuche." Ein anderer Brite hielt ein Schild in die Luft mit der Aufschrift: "Papa war hier". Warum? "Ich kämpfe hier auch für mein Kind und meine Frau, die Italienerin ist." Der Brexit sei außerdem wirtschaftlicher Unsinn, sagte er.
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Beim Referendum 2016 sei der EU-Austritt als "einfachster Deal in der Geschichte" verkauft worden, so "People's Vote", ein Zusammenschluss mehrerer Gruppierungen. Inzwischen wisse man aber, welche Kosten der Brexit verursache und welchen Schaden er den Arbeitnehmerrechten zufüge. Kritik wurde auch an der Abwanderung von ausländischen Ärzten und Pflegepersonal sowie am schwächelnden Pfund geübt.
2016 war eine knappe Mehrheit für den Brexit
Ein 69-jähriger Demonstrant aus dem Südwesten sagte: "Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich politisch engagiere." Auch Prominente aus dem Kulturbereich wie Schauspieler Andy Serkis ("Der Herr der Ringe") tauchten in der Menge auf.
An dem Protestzug bei schönstem Wetter nahmen auch zahlreiche Studenten teil, von denen sich viele wegen ihres Alters noch nicht an dem Brexit-Referendum 2016 beteiligen durften. Damals hatte eine knappe Mehrheit (52 Prozent) der Briten für den Austritt gestimmt. Großbritannien will Ende März 2019 die EU verlassen.
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Die Verhandlungen mit Brüssel stecken in einer Sackgasse. May steht deshalb unter einem enormen Druck, auch in ihrer eigenen Partei weht ihr ein scharfer Wind entgegen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich London ohne Abkommen von der EU trennt. Dies würde Folgen für alle Lebensbereiche haben und voraussichtlich zu wirtschaftlichen Einbußen führen. Viele Unternehmen treffen bereits Vorkehrungen. Die politisch angeschlagene Premierministerin Theresa May hatte schon vor der Demonstration klar gemacht: Ein zweites Referendum soll es nach ihrem Willen nicht geben.
- dpa