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Letzte Chance auf Einigung: Kommt es doch noch zu einem Brexit-Deal?


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Letzte Chance auf Einigung
Kommt es doch noch zu einem Brexit-Deal?


16.10.2018Lesedauer: 5 Min.
Premierministerin Theresa May: Die britische Politikerin ist optimistisch, dass es doch noch zu einem Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen kommt. Viele EU-Politiker sind da anderer Meinung.Vergrößern des Bildes
Premierministerin Theresa May: Die britische Politikerin ist optimistisch, dass es doch noch zu einem Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen kommt. Viele EU-Politiker sind da anderer Meinung. (Quelle: imago-images-bilder)
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Am Wochenende sind die Verhandlungen gescheitert, jetzt treffen sich die Regierungschefs der EU zum wohl entscheidenden Brexit-Gipfel: Kommt es zu keinem Durchbruch, drohen weitreichende Konsequenzen.

Deal or No Deal: Die Brexit-Frage könnte noch in dieser Woche weitgehend geklärt werden. Am Mittwoch und Donnerstag kommen die europäischen Regierungschefs zusammen und werden von EU-Chef-Unterhändler Michel Barnier über den aktuellen Verhandlungsstand mit den Briten informiert. Auch mit der britischen Premierministerin Theresa May soll noch einmal gesprochen werden. Am Mittwochmittag gibt Kanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung zum Thema im Bundestag ab. Sollte es in diesen Tagen keine Lösung für die noch offenen Brexit-Fragen geben, ist ein ungeordneter Austritt Großbritanniens aus der EU wohl kaum noch abzuwenden. Und das hat weitreichende Konsequenzen.

1. Warum ist der Gipfel so wichtig?

Seit ziemlich genau zwei Jahren versuchen die verbleibenden EU-Staaten und Großbritannien eine Einigung für den britischen Austritt aus der Union zu erzielen. Eine Lösung? Bislang Fehlanzeige. Am vergangenen Wochenende wollten Vertreter der EU und Großbritanniens eigentlich den großen Brexit-Durchbruch verkünden. Doch die Diplomaten konnten sich nicht einigen, seitdem ruhen die Verhandlungen. Erst nach dem Treffen der EU-Staatschefs sollen sie wieder aufgenommen werden. Zwar betonen sowohl britische als auch EU-Politiker, dass viele Punkte in einem Austrittsvertrag bereits beschlossen werden konnten, doch in zentralen Fragen herrscht immer noch große Uneinigkeit.

Die Stimmung vor dem wohl entscheidenden EU-Gipfel schwankt daher auch zwischen Optimismus und Pessimismus. So glaubt Premierministerin May weiterhin an eine Einigung, EU-Ratspräsident Donald Tusk sieht einen No Deal wahrscheinlicher denn je. Die deutsche Bundesregierung bewertet die Lage in den Brexit-Verhandlungen als sehr ernst. Der niederländische Staatschef Mark Rutte betonte: "Wir sind sehr nahe, aber es ist schwierig." Die Briten wollen die EU in fünf Monaten verlassen. Eine Regelung über die künftigen Beziehungen müsste allerdings schon deutlich früher stehen, um Zeit für die Zustimmung in den Parlamenten zu lassen. EU-Unterhändler Barnier räumte bereits ein, dass ein Brexit-Abkommen noch auf sich warten lassen könnte. Er wolle ruhig und ernsthaft weiterverhandeln, "um diese globale Vereinbarung in den kommenden Wochen zu finden", sagte er am Dienstag bei einem Treffen der Europaminister in Luxemburg.

2. Warum ist eine Einigung so schwierig?

Zu 80 bis 85 Prozent stehe der Brexit-Deal, das lässt EU-Chefunterhändler Barnier bereits seit Monaten verkünden. Seitdem ist allerdings nicht viel passiert. Fast jede Woche ähneln sich die Schlagzeilen: Brexit-Deal vor dem Aus. Brexit-Deal vor dem Durchbruch. Am meisten hakt es an einem auf den ersten Blick eher kleineren Problem: der Irland-Frage. Das europäische Irland teilt sich seine Insel bekanntlich mit dem britischen Nordirland. Bei einem Brexit müssten daher eigentlich zwischen beiden Staaten eine Grenze gezogen und Zollkontrollen eingeführt werden. Das will die EU aber unbedingt vermeiden. Zum einen aus wirtschaftlichen Interessen: 20.000 Pendler sind täglich zwischen den beiden Ländern unterwegs. Müsste künftig jeder Lkw mit Waren an der Grenze kontrolliert werden, hätte das für die grenznahe Industrie ebenfalls große Auswirkungen. Doch auch geschichtliche Aspekte spielen eine Rolle: Es gibt Befürchtungen, dass neue Konflikte in der früheren Bürgerkriegsregion ausbrechen könnten, sollte es zu einer Teilung der irischen Insel kommen.

Die EU will also eine Grenze zwischen Irland und Nordirland unbedingt vermeiden. Und das führt zum viel größeren Problem. Premierministerin May ist in ihrer Regierung auf die Stimmen der nordirischen und probritischen Partei DUP angewiesen. Die aber wollen auf keinen Fall, dass Nordirland von der EU anders behandelt wird als der Rest des britischen Königreichs. Sollte May also auf eine Grenze zwischen Irland und dem Norden verzichten, würde die DUP aus der Regierung aussteigen. Auch eine zeitlich befristete Zollunion zwischen der EU und ganz Großbritannien würde scheitern. Denn dann wollen sich die Brexit-Hardliner innerhalb der May-Partei querstellen. Der deutsche EU-Parlamentarier Elmar Brok vermutet in eben jenem Zoff auch das Hauptproblem für das Scheitern der Brexit-Verhandlungen vom Wochenende: "Offenbar haben Machtfragen im britischen Kabinett die zentrale Rolle gespielt." Brok ist Brexit-Beauftragter der CDU.

3. Was passiert, wenn es jetzt zu keiner Brexit-Einigung kommt?

"Jeder Ausgang der Verhandlungen droht eine politische Krise in Großbritannien auszulösen", sagt Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Was er meint: Selbst wenn May und die EU-Staatschefs eine Brexit-Lösung finden, könnte der Deal noch am Veto der DUP oder der May-Kritiker scheitern, denn der Vertrag muss auf jeden Fall sowohl vom EU-Parlament als auch von den britischen Abgeordneten bestätigt werden. Scheitert der Deal im britischen Parlament, oder die EU ist mit dem Vertrag nicht zufrieden, läuft alles auf einen ungeregelten Austritt hinaus. Auf dem EU-Sondergipfel zum Brexit im November müssten dann eilig Notfallpläne für das Frühjahr geschaffen werden. Noch ist allerdings unklar, ob es überhaupt eine solche außerplanmäßige Zusammenkunft geben wird.

Selbst ohne Austrittsabkommen könnten EU und Großbritannien allerdings versuchen, mit Einzelvereinbarungen einige dramatische Auswirkungen – wie den Zusammenbruch des Flugverkehrs – abzufedern. Zölle und Kontrollen an den Grenzen wären aber wohl unumgänglich. Auch Millionen von EU-Bürgern in Großbritannien und Briten in der EU würden in Ungewissheit über ihre Rechte und Ansprüche gestürzt. Die Austrittsverhandlungen könnten auch offiziell verlängert werden. Das müssten allerdings die Briten beantragen und das EU-Parlament und die 27 EU-Staaten müssten zustimmen. Das gilt als unwahrscheinlich.

4. Ist Deutschland auf einen No Deal vorbereitet?

Wenn es zu einem ungeordneten Brexit kommt, hat das große Auswirkungen auf die Wirtschaft in Großbritannien und der EU. Nicht umsonst hat die britische Regierung bereits 75 Dokumente veröffentlicht, in denen Unternehmen und Bürger auf der Insel über die möglichen Folgen des No Deals informiert wurden. Die britische Wirtschaft würde ein ungeregelter Brexit hart treffen. Britische Unternehmen exportieren momentan Waren im Wert von 187 Milliarden Euro nach Europa.

In Großbritannien sind rund 2.500 deutsche Unternehmen mit 400.000 Beschäftigen vertreten. Die größten Firmen sind BMW, Eon, ThyssenKrupp und Siemens. Durch einen No Deal und die damit verbundenen Grenzkontrollen, mehr Bürokratie und Zölle, würden für sie deutlich höhere Kosten entstehen. Viele Firmen planen eine Reduzierung ihrer Produktion, warnt der Industrieverband BDI. Trotzdem sei Deutschland auch für dieses Szenario gerüstet, sagt Außenminister Heiko Maas: "Wir sind auf alle Fälle vorbereitet." Dies sei schon seit einigen Wochen der Fall. Zeitgleich ist Maas optimistisch, doch noch zu einer Einigung zu kommen, schließlich habe Großbritannien ein großes Interesse an einem Austrittsvertrag. Keinen Deal zu haben, hieße, sich auf "viele Ungewissheiten einzulassen, die für die Menschen, aber auch für die Wirtschaft wirklich erhebliche Risiken bieten", sagte Maas. Deshalb hoffe er, dass am Schluss die Vernunft die Oberhand habe.

5. Was passiert, wenn es doch noch einen Deal gibt?

Wenn die Staats- und Regierungschefs am Mittwoch und Donnerstag ihr Okay für einen konkreten Deal geben würden, wenn Premierministerin May diesen Plan durch das britische Parlament bekäme, wenn beim Brexit-Sondergipfel im November dann alles abgesegnet würde, dann träte eine bereits vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020 in Kraft, in der alles bleibt wie gehabt. Eventuell wird diese Übergangsfrist sogar noch um ein Jahr bis Ende 2021 verlängert. Das zumindest schlug Chefunterhändler Barnier angeblich kurz vor dem Gipfel vor – und viele stimmten ihm zu. Das sind viele Wenns, aber es erscheint durchaus möglich. Kommt es zu einem Deal zwischen Briten und der EU, hat die Politik dann mindestens zwei Jahre Zeit, eine enge Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft zwischen Großbritannien und dem Festland auszuhandeln. Auch für EU-Bürger, die in Großbritannien leben und arbeiten, könnten Sonderregeln geschaffen werden. Urlauber könnten auch ohne Visum die britische Insel besuchen.

Verwendete Quellen
  • Mit Material von dpa, AFP
  • Eigene Recherchen
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