Eindringliche Warnungen Der Chaos-Brexit wird immer wahrscheinlicher
Ein ungeregelter EU-Austritt Großbritanniens wird immer wahrscheinlicher, den Verhandlern läuft die Zeit davon. Jetzt gibt es neue, eindringliche Mahnungen, sich auf einen harten Brexit vorzubereiten.
Angesichts der schleppenden Brexit-Verhandlungen nehmen die Warnungen vor einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zu. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier forderte die verbleibenden 27 Länder im Deutschlandfunk auf, sich auf ein solches Szenario vorzubereiten.
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz riet bei einem Bankenkongress in Frankfurt, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin stellte Notfallmaßnahmen in Aussicht, um Chaos in der Branche zu verhindern. Der japanische Elektronikkonzern Panasonic kündigte wegen des Brexit die Verlegung seiner Europa-Zentrale aus dem Königreich in die EU an.
"Beim Brexit gibt es nur Verlierer, er bietet keinem einen Mehrwert", sagte Barnier. Ziel sei es nun, einen geordneten Austritt Großbritanniens auszuarbeiten. Man müsse aber auf alles vorbereitet sein. Mit Blick auf die Möglichkeit, dass die EU und die britische Regierung bis zum 29. März 2019 kein Austrittsabkommen ratifiziert haben, fügte der Franzose hinzu: "Das schließt auch das No-Deal-Szenario mit ein."
Grenze zu Nordirland bleibt Streitpunkt
Das Problem der irisch-nordirischen Grenze nannte Barnier "den sensibelsten Punkt" in den Verhandlungen. Es müsse eine Lösung gefunden werden, den Warenverkehr zwischen dem EU-Staat Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland zu kontrollieren, ohne die Grenze wiederaufzubauen. "Ich denke, das ist möglich."
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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mahnte die verbleibenden 27 EU-Staaten, in den Verhandlungen mit Großbritannien geeint zu bleiben. Die Details der Scheidung müssten mit Hochdruck ausgearbeitet werden.
Auch SPD-Politiker Scholz äußerte die Hoffnung, dass eine Einigung in den Verhandlungen gelingt. Allerdings sei dies schwer vorherzusagen. Wie Scholz warnte BaFin-Chef Felix Hufeld vor einem ungeregelten Brexit: "In einem solchen Fall drohen schlimme Konsequenzen für die Finanzwirtschaft." Die BaFin würde im Notfall zeitlich begrenzte Maßnahmen dulden, um Bankgeschäfte noch in vollem Umfang zu ermöglichen.
Panasonic verlagert Europa-Hauptquartier
Barnier und sein britischer Verhandlungspartner Dominic Raab halten es für möglich, dass sich die Gespräche bis in den November hinziehen und damit die bisherige Frist bis zum EU-Gipfel im Oktober nicht zu halten ist. Eile ist deshalb geboten, weil bis zum Austrittstermin Ende März 2019 auch die nationalen Parlamente sowie das EU-Parlament dem Abkommen noch zustimmen müssen.
Das sorgt auch in der Wirtschaft für Unsicherheit. Panasonic kündigte an, wegen des Brexit seinen europäischen Hauptsitz von London nach Amsterdam zu verlagern. Der Umzug garantiere den freien Waren- und Personenverkehr, sagte Europachef Laurent Abadie der Zeitung "Nikkei". Darüber hinaus vermeide der Konzern damit Steuerprobleme.
Mit dem Brexit ändert sich für Banken, die stark vom Finanzplatz London abhängen, die Geschäftsbasis. Viele haben bereits entschieden, an welchen Standort in der EU sie Mitarbeiter verlagern und gegebenenfalls neue Aktivitäten aufbauen. "Über 25 Anträge auf eine Banklizensierung in Deutschland bearbeiten wir aktuell", sagte BaFin-Chef Hufeld. Unter anderem hat die US-Investmentbank Goldman Sachs entschieden, ihre Präsenz in Frankfurt deutlich auszubauen. Rund 500 Mitarbeiter würden wohl verlagert, ein Großteil davon nach Frankfurt, sagte Deutschland-Chef Wolfgang Fink.
- Reuters