Mercedes S 500 Coupé im Test Warum der Stau trotz 455 PS nicht schocken kann
Ein dumpfes Fauchen beim Starten entzündet bei mir am Morgen die Lust aufs Autofahren - seidig gleitet die Mercedes-Flunder danach über die Straße, die tief liegende Schnauze schnüffelt gierig über den Asphalt, grimmige Augen schielen Richtung Landstraße und Autobahn. 455 PS warten nur darauf, von mir von der Leine gelassen zu werden. Doch im Testbericht mit dem Mercedes-Benz S 500 Coupé kommt alles ganz anders.
Denn schon kurz nach dem Start des Fünfmeter-Schiffes stecke ich im Stau fest - der gesperrten Schiersteiner Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden sei Dank. Die wenigen Kilometer bis zur Autobahn haben gerade mal gereicht, um den fast fünf Liter großen Motor etwas warm zu fahren - jetzt könnte ich Gas geben. Nix da.
Mercedes S 500 Coupé: Schön auch im Stau
Mit einem Klick auf einen Knopf links vom Cockpit schalte ich die Rundumkamera (1000 Euro Aufpreis) ein und überprüfe auf dem 31,2 Zentimeter großen Display, wer dem über fünf Meter langen Coupé zu nahe kommt. Immerhin: Statt hämisch-grinsender Gesichter ("Was bringen dir jetzt über 400 PS?") halten die anderen Autofahrer respektvoll Abstand. Vermutlich bewundern sie die organisch geformte Außenhaut des sportlichen Luxusliners - egal, wo ich mit dem S 500 auftauchte, waren mir offene Münder sicher.
Derweil kann ich mich in diesem Kokon aus duftendem Leder, poliertem Holz und kühlem Aluminium des Oberklasse-Coupés ganz entspannt zurücklehnen.
Bequem, behaglich, sicher
Nachdem ich die herrlich bequemen Sitze mittels neun Stellmotoren perfekt auf mich angepasst habe, schalte ich die Sitzheizung ein - während im Auto nebenan die Frau selbst mit Mütze im Auto noch friert. Mit dem massiven Drehdrücksteller konfiguriere ich, an welchen Stellen mein Sitz beheizt werden soll.
Da der Controller so gut in der Hand liegt, verbringe ich im Sitzmenü einige Zeit mit Klicken, Drücken und Staunen. Für perfekten Seitenhalt stelle ich noch die Aktivsitze ein - falls es denn mal wieder vorangehen sollte, blasen sich die Seitenwangen entgegen der Kurvenrichtung auf.
Ein rollender Massagetempel
Natürlich kann ein Sitz in der S-Klasse noch mehr, also wähle ich aus sechs verschiedenen Massageprogrammen "Hot Relaxing". Und erhöhe die Intensität. Wohlige Wärme breitet sich aus, während mehrere Motoren mir den Rücken massieren. Was ist schon ein zehn Kilometer langer Stau? Genau, die längste Massage der Welt. Während dessen fährt mein Auto weitgehend autonom durch das Stop-and-Go - der Tempomat hält auch im Stau den Abstand vom Vordermann, die Aktivlenkung führt mit dem Blick der Kameras das Coupé sicher in meiner Spur.
Burmester-Anlage könnte den gesamten Stau beschallen
Auch musikalisch bekomme ich mehr geboten als den Status quo. Die 24 Lautsprecher der sündhafte teuren Burmester-Anlage beschallen meine Luxuskabine mit fettem Bassgewummer bei glasklarem Sound. Da ich im Stau ja nicht viel zu tun habe, drücke ich auch mal das Knöpfchen für das Head-up-Display (1200 Euro Aufpreis). Gestochen scharf werden mir die Daten in die Windschutzscheibe projiziert. Nur noch schnell mit den Lenkradtasten die Höhe einstellen, passt. Und wenn gar nichts mehr geht, kann ich im Stand auch TV schauen (gut 1300 Euro Aufpreis). Oder ich lasse die Sonne rein, indem ich per Knopfdruck das große Panoramadach öffne.
Mercedes S 500 4matic Coupé: Technische Daten und Preise
Motor | V8-Biturbo |
Hubraum | 4663 ccm |
Leistung | 455 PS |
Drehmoment | 700 Nm |
0 - 100 km/h | 4,6 s |
VMax | 250 km/h |
Verbrauch | 9,4 Liter |
Testverbrauch | 12,3 Liter |
Preis ab | 125.961 € |
Biturbo-V8 verwöhnt auch die Ohren
Schon beim langsamen Rollen genieße ich das Blubbern der fast fünf Liter großen Maschine. Der Achtzylinder-Motor zeigt sich bei behutsamer Fahrweise in der Tonlage zurückhaltend. Der Biturbo verwöhnt mit seidenweichem Lauf, ich spüre und höre seine Kraft aber deutlich, selbst wenn ich das Gaspedal nur leicht streichele. Dann schiebt er das über zwei Tonnen schwere Coupé mit tiefem Grollen voran.
Dickschiff streift Turnschuhe über
Bei einem beherzten Tritt werde ich mit der vollen Kraft von 700 Newtonmetern in den Sitz gepresst: Wütendes Bollern und Fauchen, und nach nur 4,6 Sekunden fliegt die 100er-Marke förmlich vorbei, kurz drauf liegt bereits die 200 an. Erstaunlich agil krallt sich der Allradler in den Asphalt. In Kurven verliert das Fahrzeug auch ohne Active Body Control und Kurvenneigetechnik nie die Kontrolle, der Benz kennt kein Wanken. Und selbst wenn: Die Aktivsitze würden mich festhalten.
Muss das sein? Nein, denn obwohl der Zweitonner leichtfüßig um die Kurven wetzt und der Achtzylinder giftig aufs Gaspedal reagiert, wohler fühle ich mich beim komfortablen Dahingleiten. Man muss nicht, aber man kann - das ist Luxus.
Nachts sind alle Katzen grau
Auf dem Heimweg in der Dunkelheit meldet sich auf einer Landstraße unvermittelt das Nachtsicht-Modul im Display. Am Straßenrand vor mir befinden sich drei Personen nahe der Fahrbahn, sie werden rot markiert und gestochen scharf dargestellt. Das alles erkennt das System, noch bevor ich im Licht der LED-Scheinwerfer die Personen sehe. Im Notfall wäre das 2500 Euro teure System jeden Euro wert gewesen.
Fazit Mercedes S 500 Coupé: Faszinierend, aber teuer
Der dicke Benz ist nicht einfach nur teuer, er ist eine faszinierende Mischung aus Sportwagen, Luxusliner und Auto der Zukunft. Und es gibt fast nichts, was der mindestens 126.000 Euro Mercedes nicht kann - außer Sparen. Der V8-Spaß kostet trotz Stopp-Start-Automatik auch im Stau ordentlich Sprit. Unter zwölf Litern ging in diesem Test nichts. Abgesehen davon gibt es nur eine Sache, die viele andere Autos besser können als der dicke Benz: Die Rücklehne im Fond ist nicht umklappbar - dafür bietet der Kofferraum mit 400 Litern Stauraum aber auch so für den Wochenendausflug genügend Platz.