Unfallrisiko Nummer Eins Polizei startet Aktion gegen Handysünder
Seit heute 6 Uhr finden auf Deutschlands Straßen und Fußgängerzonen Polizeikontrollen statt. Mit einem bundesweiten Aktionstag will die Polizei auf die Risiken von Handys und weiteren Ablenkungen aufmerksam machen.
Polizisten stoppen gerade Kopfhörer-Radler und Handy-Telefonierer. Für einen bundesweiten Aktionstag sind fast 11.000 Beamte bundesweit im Einsatz, wie das organisierende Innenministerium in Sachsen-Anhalt mitteilte. Angehalten werden nicht nur Auto- und Lkw-Fahrer. Auch Radler und Fußgänger mit Kopfhörer und Handy sind im Visier der Beamten.
Fehlende Aufmerksamkeit als Unfallrisiko
Die Innenminister in Deutschland entschieden 2017, einmal jährlich einen Aktionstag zu organisieren. Mit Kontrollen, aber auch Infoständen, Parcours und Fahrsimulatoren soll auf unterschätzte Gefahren im Straßenverkehr aufmerksam gemacht werden. Denn Smartphones lenken uns im Straßenverkehr extrem ab – darin sind sich die Innenminister und auch die Verkehrsexperten der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster einig.
Fünf Dinge, die Sie über Ablenkung durchs Handy wissen sollten
1. Ablenkung ist eine der Hauptunfallursachen
Ablenkung am Steuer wird als Unfallrisiko chronisch unterschätzt, sagt Heinz Albert Stumpen von der Hochschule der Polizei in Münster. Wie oft fehlende Aufmerksamkeit in Deutschland eine Rolle spielt, lässt sich aus den Statistiken nicht ablesen – anders als überhöhte Geschwindigkeit oder Alkohol wird sie nicht erfasst.
Andere europäische Länder weisen es aus: In Österreich spiele Ablenkung etwa bei jedem dritten tödlichen Unfall eine Rolle, sagt Stumpen. Internationale Studien zeigten, dass mehr als die Hälfte der Unfälle damit in Zusammenhang stehen.
2. Handytippen ist so gefährlich wie betrunken zu fahren
Besonders gefährlich sind die digitalen Helfer am Steuer. "Elektronische Geräte wie Navigationssysteme oder Handys während der Fahrt bedienen, ist das Gefährlichste, was man am Steuer machen kann", sagt Stumpen. Das Risiko, einen Unfall zu bauen, steige um das Vierfache. Eine Nachricht beim Fahren zu lesen oder zu tippen, sei so gefährlich wie mit 0,8 bis 1,0 Promille Alkohol zu fahren.
Der Grund: Man fährt beim Blick aufs Handy im sogenannten Blindflug. Bei Stadtfahrten mit Tempo 50 bedeutet eine Sekunde auf das Handy gucken schon 14 Meter Weg blind zurücklegen. Außerorts mit Tempo 130 sind es 36 Meter – jede Sekunde. Gefahren werden später oder zu spät erkannt, die Reaktion ist verzögert.
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3. Verstöße werden verstärkt kontrolliert – und sind teuer
Seit Herbst vorigen Jahres müssen Handysünder am Steuer deutlich mehr Bußgeld berappen: Statt 60 Euro und einem Punkt belasten 100 Euro und ein Punkt die Geldbörse und das Verkehrskonto in Flensburg. Auch Radfahrer sind nicht von Strafe frei: Sie müssen statt 25 Euro inzwischen 55 Euro hinblättern. Allerdings wird die Strafe nur fällig, wenn die Polizei auch aktiv Verstöße kontrolliert und ahndet.
Zumindest in Sachsen-Anhalt ist das der Fall: Wurden im Jahr 2015 noch knapp 5.200 Fälle sanktioniert, waren es voriges Jahr bereits 6.000. Tendenz steigend: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es schon fast 4.300. Die Verstöße erfasst jedes Land separat.
4. Nicht nur am Steuer ist Ablenkung gefährlich
Stumpen von der Hochschule der Polizei spricht auch die "Smombies" an: Menschen, die scheinbar mit ihrem Smartphone verwachsen mit gesenktem Blick durch Innenstädte und U-Bahnhöfe laufen oder sich mit lauter Musik über Kopfhörer beschallen. "Immer wieder gibt es betrübliche und dramatische Vorgänge, wo Menschen mit Musik in den Ohren und Blick aufs Handy vor die Straßenbahn laufen."
Raabe-Goldermann mahnt, jeder glaube immer, er habe das Geschehen dennoch im Blick, vergesse aber, dass andere Verkehrsteilnehmer genauso nachlässig unterwegs seien. "Man muss immer auch mit der Ablenkung der anderen rechnen", sagt sie.
5. Autofahrer sind keine Kinderbetreuer
Nicht nur das Mobiltelefon ist ein unterschätzter Ablenker. Lkw-Fahrer etwa lesen Zeitung, kochen Kaffee oder gucken Filme, während sie auf den Fernstraßen unterwegs sind. "Was man da so tagtäglich auf den Landstraßen und Autobahnen erlebt, ist der Wahnsinn", sagt Nadine Raabe-Goldermann aus dem Innenministerium Sachsen-Anhalt. Doch während dieses Risiko auf der Hand liegt, werden andere Gefahren vergessen.
Eltern wollen, dass ihre Kinder in Sicherheit sind – aber auch, dass sie auf der Fahrt nicht unzufrieden mitfahren. Fällt der Teddy oder der Nuckel in den Fußraum oder rufen sie nach Essen oder Trinken, sollten Eltern darauf verzichten, bei laufender Fahrt vom Fahrersitz einzugreifen.
- dpa-AFX