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Umstrittenes Dieselfahrverbot | Hamburgs großes Schadstoffproblem liegt auf dem Wasser


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Umstrittenes Dieselfahrverbot
Hamburgs großes Schadstoffproblem liegt auf dem Wasser

Alexandra Duong, Roland Lindenblatt

31.05.2018Lesedauer: 5 Min.
Dicke Luft: Ein Containerschiff auf der Elbe in Hamburg.Vergrößern des Bildes
Dicke Luft: Ein Containerschiff auf der Elbe in Hamburg. (Quelle: imago-images-bilder)
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Das Diesel-Fahrverbot gilt, die Hamburger können durchatmen? Von wegen. Es gibt viele gute Gründe, sich den Luftreinhalteplan genauer anzusehen.

Ach, Hamburg. Immer weht eine frische Brise vom Meer, so schlecht kann die Luft in Küstennähe doch gar nicht sein. Aber das Gegenteil ist der Fall: Hamburg gehört zu den deutschen Städten mit den höchsten Stickdioxid-Werten. An der Habichtstraße im nördlichen Stadtteil Barmbek wurde eine Zeit lang die bundesweit höchste Konzentration des giftigen Gases gemessen.

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Der erste Hamburger Luftreinhalteplan ist von 2004. Letztes Jahr hat Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) die aktuelle, zweite Fortschreibung vorgelegt; sie ist 206 Seiten stark. "Als erste Großstadt legt Hamburg jetzt einen verabschiedeten Plan vor, der die Wirksamkeit aller Maßnahmen berechnet und zeigt, wie bestehende Belastungen wirksam gemindert werden", sagte Kerstan. "So stellen wir sicher, dass zehntausende Menschen absehbar aufatmen können", versprach er. Aber was sind das für Maßnahmen, sind sie sinnvoll? Schließlich halten Kritiker das Dieselfahrverbot – Teil des Plans – schon jetzt für Symbolpolitik.

Projekt mit Journalistenschülern
Zum Start der Dieselfahrverbote in Hamburg berichten die Schülerinnen und Schüler des 38. Lehrgangs der Henri-Nannen-Schule in Hamburg über Folgen und Hintergründe des Fahrverbots. Die Schule wurde 1978 gegründet und ist die Journalistenschule des Gruner+Jahr-Verlags, der "Zeit" und des "Spiegels". Autoren dieser Texte sind: Gregor Becker, Alexandra Duong, Félice Gritti, Luisa Hommerich, Julia Kopatzki, Timo Lehmann, Roland Lindenblatt, Katharina Meyer zu Eppendorf, Max Polonyi, Jakob Pontius, Yannick Ramsel, Maximilian Rieger, Claudio Rizzello, Tobias Scharnagl, Veronika Völlinger, Cara Westerkamp.

Neben einzelnen Maßnahmen sieht der Plan zehn Maßnahmenpakete vor. Ganz oben auf der Liste: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV). S-Bahn, U-Bahn und Busse sollen auf zusätzlichen Strecken und häufiger fahren. Dazu möchte der Senat bis 2025 eine neue U-Bahn-Strecke und neue S-Bahn-Haltestellen bauen. "Dies führt zu einem Anstieg der Fahrgastzahlen im ÖPNV", heißt es in dem Papier.

Zeitfaktor für ÖPNV-Nutzer wichtiger als Kosten

"Der Faktor Zeit ist für die Nutzer wichtig", sagt Stefan Seum vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums in Berlin. Daher sei es richtig, das Angebot auszubauen. Preissenkungen, also günstigere Tickets, brächten dagegen fast nichts.

Für jedes Maßnahmenpaket wird im Plan geschätzt, um wie viel Mikrogramm pro Kubikmeter (μg/m3) an vier verkehrsnahen Messstationen die Stickstoffdioxid-Belastung sinken soll. An der nun für einige Diesel gesperrten Max-Brauer-Allee soll der ÖPNV-Ausbau bis 2025 die Konzentration um 0,4 μg/m3 verringern, an der Stresemannstraße um 1 μg/m3. Zum Vergleich: Der Jahresgrenzwert für die durchschnittliche Stickstoffoxid-Belastung beträgt 40 μg/m³ und wurde an der Max-Brauer-Allee im letzten Jahr um sechs μg/m³, an der Stresemannstraße um acht μg/m³ überschritten.

Jeder vierte Verkehrsteilnehmer auf dem Rad?

Weiter setzt der Senat darauf, dass Autofahrer umsteigen: auf das Fahrrad. Die Stadt will den Radverkehr fördern. Das ehrgeizige Ziel ist ein Anteil von 25 Prozent am Gesamtverkehr in den 2020ern. Der Senat nimmt an, dass ein größeres Angebot an Radwegen mehr Radfahrer und weniger Stickoxide bedeutet. Teil des Plans ist auch, das Leihradsystem in Hamburg weiter auszubauen. 0,7 μg/m³ weniger Stickstoffdioxide an der Max-Brauer-Allee, 1,7 μg/m³ weniger an der Stresemannstraße, erhofft sich der Senat von dem Maßnahmenpaket.

"Ob der Ausbau der Radwege viele Autofahrer vom Auto wegbringt, ist fragwürdig", sagt Verkehrsforscher Seum. "Nach wie vor werden größere Strecken mit dem Auto zurückgelegt." Die Verbindung von ÖPNV mit einer guten Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger hält Seum für die beste Wahl, wenn es darum geht, Alternativen zum Autofahren zu bieten.

Verkehrsmittel gut kombinieren zu können, sieht ein weiteres Maßnahmenpaket vor: Auch dank Car-Sharing, Park-&-Ride-Systemen und besserem Parkraummanagement sollen weniger Autos in der Innenstadt fahren. Hamburg strebt auch eine weitgehende Umrüstung der Car-Sharing-Flotten auf Elektroantriebe an. Weitere Maßnahmenpakete betreffen das Verkehrsmanagement in der Stadt, modernere Bus- und Bahnflotten und eine Förderung der Elektromobilität.

Schiffe im Hafen sind Stickstoffdioxid-Schleudern

Die meisten Stickoxide verursachen in Hamburg übrigens nicht die Autos, sondern die Schiffe im Hafen. Seit 2010 müssen Schiffe in Nord- und Ostsee strenge Grenzwerte für den Schwefel im Abgas einhalten. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Mit Dieselöl statt Schweröl fahren oder Abgasreinigungsanlagen einbauen. Die Grenzwerte für den Ausstoß von Stickstoffdioxid wurden in den letzten Jahren nicht verschärft.

Aber wie belasten Schadstoffe aus den Schornsteinen der Container- und Kreuzfahrtschiffe die Luft in der Innenstadt? "Einfache Modelle besagen, dass alle 200 Meter die Stickstoffoxide in der Luft um 50 Prozent abnehmen", sagt Stephan Nordmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Umweltbundesamt. Das gelte bei niedriger Bebauung. Bei dichterer Bebauung werde die Berechnung komplexer, aber generell staue sich dann die Belastung.

Der Hamburger Luftreinhalteplan sieht für die Schifffahrt und die Logistik am Hafen dennoch zwei Maßnahmenpakete vor – denn Effekte auf die innerstädtische Stickstoffdioxid-Belastung soll es trotz der Entfernung geben.

Strombedarf der Schifffahrt große Herausforderung

Normalerweise erzeugen die Seeschiffe, wenn sie im Hafen liegen, elektrische Energie mit Generatoren. Sie verbrennen dabei Öl und stoßen giftige Gase aus. Der Plan sieht eine stärkere Versorgung durch Landstromanlagen vor. Außerdem sollen die Schiffe vermehrt Liquid Natural Gas (LNG), Flüssigerdgas, zur Energiegewinnung nutzen. Die Ideen: Container voll LNG könnten während der Liegezeiten aufs Schiff gehoben werden. Eine sogenannte Hybrid-Barge, ein schwimmendes Kraftwerk, könnte die Schiffe mit LNG versorgen, während sie im Hafen liegen. Auch im Hafen selbst soll die LNG-Infrastruktur besser werden.

Das Problem? "Ein Containerschiff braucht bis zu 6.000 Kilowatt elektrische Leistung", sagt Friedrich Wirz. Wirz ist Professor für Schiffsmaschinenbau an der Technischen Universität Hamburg. Leistungsfähige Landstromanlagen, die viele Schiffe versorgen, könne man nicht so schnell installieren. Und das Stromnetz der Stadt verkrafte nicht ohne Weiteres so hohe Belastungen.

LNG-Infrastrukturen auf den Schiffen und an Land wiederum erforderten große Investitionen von Reedereien und Energieunternehmen. "Bei allem, was die internationale Seeschifffahrt betrifft, brauchen wir übernationale Regelungen", sagt Wirz. Wenn Hamburg etwas verlange, was die Schiffsbetreiber nicht leisten wollen, würden diese versuchen, auf andere Häfen auszuweichen, Rotterdam zum Beispiel.

Nette Appelle sind wirkungslos

Potenzial haben Wirz zufolge eher die Maßnahmen im Bereich der Hafenlogistik: Dazu gehören eine intelligentere Steuerung der Verkehrs- und Warenflüsse, um beispielsweise Leerfahrten zu vermeiden, und die Modernisierung der Hafenbahn. Der Plan sieht allerdings auch eine "freiwillige Selbstbeschränkung" vor: Nur Lkw mit Euro-Norm 5 oder 6 sollen im Hafen fahren. Das sei unrealistisch, sagt Wirz: "Kein Kaufmann macht den Geldbeutel auf, wenn er nicht gezwungen wird."

Letztlich will Hamburg mit gutem Beispiel vorangehen, ein weiterer Punkt in dem Maßnahmenpaket: Die Stadt möchte bis 2020 den Anteil der elektrischen Pkw im eigenen Fuhrpark auf 50 Prozent erhöhen. Nur in Ausnahmefällen sollen in Zukunft Fahrzeuge mit reinem Verbrennungsmotor angeschafft werden. Bisher kann die Stadt aber noch nicht als Vorbild gelten. Die Behörden und Landesbetriebe nutzen nach jüngsten Angaben noch 2.115 Dieselfahrzeuge. 1.493 davon erfüllen nicht die neue Euro-Norm 6.

Weitere Aspekte des Themas, Interviews mit Betroffenen, Gegnern und Verfechtern des Diesels finden Sie auf der Sonderseite, die die Journalistenschüler der Henri-Nannen-Schule befüllt haben.

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