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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuvorstellungen & Fahrberichte Porsche-Zeitreise von Singer
Der Retro-Traum hält an: Singer Vehicle Design begeistert weiter die Porsche-Fans dieser Welt. Die Manufaktur in Los Angeles baut den Klassiker so um, wie er nach Meinung der Veredler sein soll: wild und spartanisch, aber auf dem neuesten Stand der Technik. wanted.de hat sich die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte genauer angeschaut.
Wer hätte das gedacht: Als wir uns zum ersten Mal der Singer-Story widmeten, fragten sich viele, ob das ambitionierte Projekt überlebt. Schließlich kostet ein von Singer neu aufgebauter Porsche 911 inzwischen mindestens rund 360.000 US-Dollar. Doch solvente Vintage-Fans, die fiebrig auf ihren neu-interpretierten Renner warten, gibt es genug.
Bisher neun Singer-Umbauten
Bisher hat Singer neun Autos für Freizeit-Rennfahrer aufgebaut, sechs weitere sind in Arbeit. Im November stellte Singer auf der Auto-Show in Los Angeles seinen neuen Wagen für einen Käufer in Schweden vor – zum stolzen Preis von 475.000 Dollar. Auf Anfrage von wanted.de teilte uns die Werkstatt mit, dass Singer im Moment den 22. Neu-Aufbau eines Porsche 911 projektiert; zurzeit nimmt die kleine Firma die Kommissionen für die 2015 geplanten Umbauten an. Das sieht nach einer Erfolgsgeschichte aus... >>
Die Kunden sitzen in den USA, Großbritannien, Frankreich, Dubai, Indonesien und Taiwan. Über die konkreten Käufer schweigt sich Singer diskret aus, doch dazu gehören nach eigenen Angaben Rennsportler, Rechtsanwälte, Unternehmer und auch Mitglieder aus den Adelshäusern dieser Welt.
Dabei glaubten wegen der hohen Kosten anfangs viele an ein schnelles Aus des Projekts. Immerhin kostet ein gebrauchter 911 in den USA gerade einmal rund 20.000 Dollar und Singer steckt noch einmal rund 4000 Stunden Arbeit in den Umbau – eine lange Wartezeit und ein hohes Aufgeld auch für einen Porsche-Fan.
Zudem hatte das Concept-Car so viele Mängel, dass mitfühlende Motorjournalisten nach der ersten Probefahrt auf einen Bericht verzichteten. Genau diesen ersten Wagen baut Singer jetzt noch einmal um, wie wir aus Kalifornien erfuhren.
Weiter war das Echo in der Porsche-Szene geteilt: Einige kritisierten das Sakrileg, einen sowieso schon perfekten Wagen umzubauen. >>
Andere reagierten begeistert auf die Wiederauferstehung der Retro-911er und feierten seine Rückkehr zu den Wurzeln. Dabei will Singer Vehicle Design gar nicht den Kult-Wagen neu erfinden: "Die Essenz des Porsche 911 ist lebendig und einzigartig – wir versuchen einfach nur, dies alles für unsere Kunden einzufangen und zu bewahren", erklärt Singer-Chef Rob Dickinson.
Und das steckt hinter der Idee von Singer Vehicle Design (SVD): Das 2009 gegründete Unternehmen schlachtet alte Porsches aus und baut sie dann nach den Wünschen des Kunden komplett um. Das Firmenmotto: Restored, Reimagined, Reborn. SVD schafft somit keine original-getreuen Nachbauten eines Porsche 911. Sondern die Neuinterpretation eines Klassikers, die Fusion aus alten Elementen mit modernster Technik. Ein teure und individuelle Zeitreise in die Jetztzeit also.
Die Basis für die bespoke getunten Porsche 911 liefert die Baureihe 964, die von 1988 bis 1994 gebaut wurde, viele Porsche-Enthusiasten halten diese Wagen für die besten aus der Ära der luftgekühlten Boxermotoren. Singer konzentriert sich auf Wagen der Jahre 1990 bis 1994, verwendet aber Komponenten aus der gesamten Modellgeschichte; so wird die gute, alte Zeit bewahrt.
Die alten Wagen werden komplett zerlegt, gereinigt, sandgestrahlt und gegen Rost behandelt, sie behalten ihre Fahrzeugnummer und gelten somit als originale Youngtimer. Die Karosserie wird mitunter aus Karbonmatten gebacken, der Rahmen verstärkt. Verbaut werden beispielsweise Bremsen von Brembo oder Elektronik von Sekata. Die wichtigsten Zulieferer sind Cosworth und der Komponenten-Hersteller Aria Group, der auch die Carbon-Teile fertigt, welche die Firma als geeignet für den militärischen Einsatz deklariert.
Alles in allem ist der auferstandene Flitzer etwa 200 Kilogramm leichter als das Original. Optional lässt die Werkstatt die altneuen Porsche 911 mit einem Überrollkäfig, diversen Fahrwerksverstrebungen und Hosenträger-Renngurten ausrüsten. Weitere Extras für die Kunden: der zentral in der vorderen Haube platzierte Tankeinfüllstutzen und der Öleinfüllstutzen hinter der Beifahrertüre. >>
In den Radhäusern drehen sich 17 Zoll-Leichtmetallfelgen, die den legendären Fuchs-Felgen nachempfunden sind. Verbaut wird zudem das airbaglose Lenkrad aus dem Carrera RS von 1973. Unter dem Heckspoiler blinkt ein polierter Boxermotor von Cosworth: sechs Zylinder, 3,8 Liter Hubraum, viele Bauteile aus Porsche-Rennmotoren und die Ventile aus dem 993 RS. Der Motor singt den Porsche-Sound, orgelt in höchsten Regionen von 10.000 Touren und bringt ab 350 PS Leistung aufwärts. Verschärftes Driften inklusive, denn ESP gibt es nicht.
Der Name Singer geht übrigens auf den Gründer und Haupt-Eigner des Projekts zurück: Den einstigen Sänger Rob Dickinson von der britischen Rockband Catherine Wheel, die von 1990 bis ins Jahr 2000 existierte und es mit den Songs Black Metallic und Crank in den USA zweimal in die Top-10 schaffte. Immerhin. Singer ist also ein Sänger.
Dickinson interessierte sich schon immer für Autos, vor seiner Musik-Karriere arbeitete er für Lotus; so baute er sich einen gelb-orangenen Porsche aus dem Jahr 1969 neu auf. Am berühmten Venice Beach fiel den Leuten seinen Worten zufolge die Kinnlade herunter. Und plötzlich wollten alle einen von ihm re-interpretierten und neu geborenen 911er fahren. Was Dickinson erstaunte: Niemand beneidet den Besitzer des Meisterwerks - viele bewundern das Vintage-Werk. So ließ sich der Mann aus London in Sun Valley, einem Vorort von Los Angeles, nieder.
Fazit: Für viele Porsche-Fahrer ist ein in alter Form neu erschaffener 911er von Singer Vehicle Design das Maß aller Dinge – die Formen sind üppig, die Technik modern. Und der Retro-Charme der Silhouette bleibt erhalten. Um im Singer-Bild zu bleiben: Viele Fans lieben die Neuinterpretation der alten Porsche-Melodie. Und sie pfeifen auf die Kritiker. Es gibt sicher schlimmere automobile Experimente mit weit mehr Dissonanzen und falschen Tönen. Rasante Impressionen sehen Sie in unserer Fotoshow.