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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Seit 15. August Deutschlandticket: Neuer Nachteil beim Umsteigen
Wer sich mit dem Deutschlandticket im Regionalverkehr verspätet, konnte bisher auf IC- oder ICE-Verbindungen ausweichen. Das ist so nicht mehr möglich.
Das Deutschlandticket soll die Mobilitätswende voranbringen. Mit dem vergleichsweise günstigen Preis von monatlich 49 Euro für den Regional- und Nahverkehr möchte der Bund den öffentlichen Nahverkehr attraktiver gestalten. Die Nachfrage nach dem Ticket stieg binnen weniger Monate rasant an:
Laut dem Branchenverband der Verkehrsunternehmen (VDV) haben bis Mitte Juni elf Millionen Menschen den Nachfolger des 9-Euro-Tickets genutzt. Eine Änderung der Fahrgastrechte trübt jedoch die Freude über den günstigeren Nahverkehr. Denn wer mit dem Deutschlandticket von einer Verspätung betroffen ist, hat künftig weniger Ausweichmöglichkeiten.
Denn mit der neuen Eisenbahnverkehrs-Verordnung (EVO) vom 4. August 2023 passt sich Deutschland an die EU-Eisenbahn-Verkehrsordnung (EU) 2021/782 an.
"Pech gehabt"-Regel greift
Bisher konnten Inhaber des Deutschlandtickets im Falle eines Zugausfalls oder einer Verspätung ab 20 Minuten in einen Intercity (IC), Intercity-Express (ICE) oder in einen Eurocity-Zug (EC) umsteigen. Das Geld für das Ticket musste der Fahrgast zwar vorstrecken, bekam den Ticketpreis aber am Schalter des Service-Centers oder mittels eines Online-Formulars der Deutschen Bahn zurückerstattet.
Seit Dienstag, 15. August 2023, ist Schluss damit. Von da an heißt es für Pendler "Pech gehabt", wenn der Regionalzug mal wieder zu spät kommt oder ausfällt.
Auf der Fragen-und-Antworten-Seite der Deutschen Bahn heißt es: "Reisende mit einem Deutschland-Ticket müssen für die Benutzung eines Fernverkehrszuges immer eine separate Fahrkarte kaufen." Ab dem 15. August gilt nun: "Da das Deutschland-Ticket gesetzlich im § 3 der Eisenbahnverkehrs-Verordnung (EVO) als Angebot mit erheblich ermäßigtem Beförderungsentgelt definiert ist, erfolgt auch im Fahrgastrechtefall keine Erstattung von Fahrgeldern für die Benutzung von Fernverkehrszügen."
Das steht in der Verordnung
Denn die EVO stuft das Deutschlandticket nach § 3, Absatz 4 als "erheblich ermäßigtes Beförderungsentgelt" ein und orientiert sich dabei an geltendem EU-Recht. Der Haken dabei: Weil das Ticket laut § 3 als besonders günstig anzusehen ist, darf das Eisenbahnunternehmen von anderen Beförderungsbedingungen nach § 11, Absatz 1, Nummer 1 absehen. Die "Verordnung zur Anpassung der Eisenbahn-Verkehrsordnung an die Verordnung (EU) 2021/782 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021" regelt genau das.
Für Inhaber des vergünstigten Deutschlandtickets bedeutet das: Fällt der Regionalzug aus oder kann die Anschlussverbindung aufgrund einer Verspätung nicht genommen werden, fallen Ansprüche für den Fahrgast weg. Dann müssen Betroffene die Kosten für einen IC oder ICE selbst tragen, weil das Ticket dem teureren Segment des Fernverkehrs zugeordnet ist – und nicht Teil des Personennahverkehrs ist. Wer sich das Ticket für den Fernverkehr sparen möchte, muss auf eine nachfolgende Regionalverbindung warten.
Zwei Ausnahmefälle
Nur in zwei Ausnahmefällen können Fahrgäste nach dem § 11 der EVO Schadensersatzansprüche geltend machen:
- Im ersten Fall kann auch weiterhin ein Schnellzug genutzt werden, wenn der Fahrgast wegen eines Zugausfalls die letzte Anschlussverbindung vor Mitternacht nicht bekommt.
- Im zweiten Fall erstattet die Bahn dann das Geld für einen IC oder ICE zurück, wenn der Zug mit mindestens 60 Minuten Verspätung zwischen Null und fünf Uhr morgens am Ziel ankommt.
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Weitere Änderungen schränken Schadensersatzansprüche ein
Bereits seit dem 7. Juni gilt die neue EU-Fahrgastrechteverordnung, doch erst im August zeigen sich auch für Pendler in Deutschland die Folgen der staatsübergreifenden Verordnung. Verbraucherschützer kritisieren die neuen Bestimmungen bereits seit Längerem. Im April äußerte sich dazu der Bundesverband der Verbraucherzentralen in einer Stellungnahme. Bestehende Rechte von Reisenden würden durch die EU-Bahngastrechteverordnung beschränkt werden, heißt es in der Erklärung.
Denn mit dem neuen Fahrgastrecht müssen Eisenbahnunternehmen seit Juni bereits keine Entschädigungen mehr für Verzögerungen zahlen, die sie nicht direkt zu verantworten haben. Dazu gehören Kabeldiebstahl, Notfälle am Zug oder Personen auf den Gleisen. Nach eigenen Angaben der Deutschen Bahn bleibe der Entschädigungsanspruch beispielsweise bei Unwettern oder Hochwassern im "vollen Umfang der Fahrgastrechte" erhalten.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) verweist in seiner Stellungnahme auf geringe Pünktlichkeitsraten und bereits angekündigte Baumaßnahmen am Streckennetz in den kommenden Jahren. Die Situation würde Reisenden und Pendlern in Zukunft einiges abverlangen, schlussfolgert der vzbv. Eine verbraucherfreundlichere Auslegung der EU-Bahngastrechteverordnung hält der Verband mit Blick auf die derzeitige Situation an deutschen Bahnhöfen für dringend notwendig.
- bahn.de: "Ist die Nutzung von ICE/IC mit dem Deutschland-Ticket gestattet, wenn absehbar ist, dass man mit erheblicher Verspätung das Ziel erreicht?"
- bmdv.bund.de: "Verordnung zur Anpassung der Eisenbahn-Verkehrsordnung an die Verordnung (EU) 2021/782 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr" (Pdf)
- bundesrat.de: "Verordnung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, Drucksache 133/23, Eisenbahn-Verkehrsverordnung (EVO)" (Pdf)
- deutschebahn.com: "Neue EU-Fahrgastrechteverordnung"
- eur-lex.europa.eu: "Verordnung (EU) 2021/782 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Neufassung) (Text von Bedeutung für den EWR)" (Pdf)
- fr.de: ""Pech gehabt"-Regel beim Deutschlandticket ab Dienstag – was sich für Reisende nun ändert"
- ga.de: "Das ändert sich im August beim Deutschlandticket"
- recht.bund.de: "Eisenbahnverkehrs-Verordnung (EVO)" (Download als Pdf verfügbar)
- vdv.de: "Deutschland-Ticket: Zwischenbilanz und Marktforschung" (Pdf)
- vzbv.de: "Schwächung der Fahrgastrechte verhindern | Stellungnahme des vzbv | April 2023" (Pdf)