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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Badeerlebnis Die heißen Quellen der Toskana sind ein echter Geheimtipp
Rund um den Monte Amiata laden seit Jahrtausenden wohlige Thermalquellen zum Freibad mitten in der Natur ein. Das Beste ist: Das Badeerlebnis ist gratis.
Inhaltsverzeichnis
Er räkelt sich wohlig im warmen Wasser – fast, als läge er im Bett. Nur Kopf und Knie schauen aus der milchig-hellen Naturbadewanne. Sie hat sich eben halb erhoben und probiert aus, wie es sich anfühlt, wenn der Schwall des heißen Wasserfalls aus den oberen Becken ihren Rücken massiert.
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Dampfend, gurgelnd und ordentlich heiß stürzt der Thermalwasserstrahl von Petriolo aus einem schlichten Plastikrohr in die erste von drei grob gehauenen Felsbadewannen. Wer längere Zeit darin liegt, der sieht bald aus wie eine gekochte Languste, so heiß ist es da. Doch glücklicherweise kühlt das Wasser von Wanne zu Wanne ein kleines Stück ab.
Ein kostenloses Badeerlebnis
Ist eine der Wannen gefüllt, ergießt sich das Nass in von Kalkablagerungen schneeweiß gefärbten Bahnen über den rundgewaschenen Fels zur nächsten und gleichzeitig über den Wannenrand einige Meter tiefer in einen malerischen Badeteich, den hilfreiche Hände am kiesigen Ufer des Flusses Farma gegraben haben.
Mächtige Kastanienbäume und eine zinnenbewehrte mittelalterliche Ruine komplettieren die stimmungsvolle Szene in dem einsamen Gebirgstal genau an der Grenze zwischen den toskanischen Provinzen Grosseto und Siena.
Mehr als Körperwärme, rund 40 Grad, hat das Thermalwasser der Bagni di Petriolo. Frei kommt es aus der Erde. Keine Absperrung, keine Eintrittskasse, keine Umkleidekabinen beeinträchtigen das märchenhafte Badeerlebnis. Wer im Winterhalbjahr dort stoppt, muss es meist nur mit einigen Wohnmobilisten teilen. Auch das Pärchen, das da gerade seine morgendliche Thermalanwendung durchführt, wird bald im Bademantel hinauf zum Reisemobil gehen und die Kaffeemaschine anwerfen.
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Bereits im Mittelalter beliebt
Petriolo ist heute ein echter Geheimtipp. Auf ihrer Fahrt über den schwindelerregend hohen Viadukt der Superstrada von Siena nach Grosseto ahnen vermutlich die allerwenigsten Autofahrer, dass tief unten im Tal warme Schwefelwässer plätschern. Im Mittelalter war das kleine Dorf dagegen die beliebteste Thermalanstalt der ganzen Toskana. Und das lag an einem frühen Fan: Papst Pius II.
Das historische Badehaus, in dem um 1450 der badefreudige Renaissance-Papst zu kuren pflegte, steht noch, ebenso die Ziegelmauern, mit denen das Bad zu einer kleinen Festung ausgebaut war. Offene, von Säulen gehaltene Rundbögen spannen sich da, dahinter sind geräumige, quadratische Sitzbadewannen für drei, vier Badende mit herrlicher Aussicht zu erkennen.
Leider sind die aktuellen Denkmalpfleger ganz offenbar weniger badeinteressiert – in den historischen Wannen wuchert das Unkraut.
Natürlich baden in weißem Kalk
Petriolo ist vielleicht das romantischste, aber keineswegs das einzige Thermalbad der Toskana: Überall spritzen und dampfen heiße Wasser aus der Erde. Der Grund dafür erhebt sich breit und mächtig am Horizont. Es ist der Monte Amiata.
Als Vulkan längst erloschen, hat er noch genügend Kraft, die Mineralwasser zu heizen und den heilbringenden Schwefel aus dem Boden zu lösen. Die Mischung ist ideal gegen Rheuma und Arthritis, oder einfach nur zum Wohlsein – Benessere, wie die Italiener statt Wellness sagen.
Bereits zu einiger Berühmtheit gebracht hat es ein anderer Thermalbadeort eine Autostunde weiter südlich: Saturnia. Dort kaskadiert das heiße Wasser eines Thermalbachs malerisch über mehrere kreisrunde Naturbadewannen aus blendendweißem Kalk. Wer die Sinterterrassen von Pamukkale in der Türkei kennt, der fühlt sich unwillkürlich daran erinnert.
Die Kalkablagerungen haben zahlreiche, unterschiedlich hoch gelegene Becken und Wannen gebildet, in denen es sich herrlich baden lässt. Hohes Schilf wiegt sich an den Ufern sanft im Wind, gemeinsam mit einer verfallenen Mühle und viel Dampf entsteht eine Szenerie wie aus der Göttlichen Komödie.
Vollmondbad und "Day Spa"
Nasenmenschen mögen einwenden: Es stinkt. Das stimmt. Doch an den leicht fauligen Geruch des Schwefels gewöhnt man sich bald. Unvergesslich bleibt dagegen ein Vollbad im Winter, wenn der ganze Hang dampft. Das wissen freilich auch andere. Selbst mitten in der Nacht kommen Gäste für ein Vollmondbad.
Und tagsüber gibt es zwar immer noch keine Umkleiden, dafür aber Bauchladenhändler mit Souvenirs, Sonnenmilch, kalten Getränken und sogar einen Mann, der die leeren Coladosen wieder einsammelt. Wer es lieber luxuriös mag, der findet übrigens zwei Kilometer entfernt ein luxuriöses Wellnesshotel, dessen Badelandschaft auch als "Day Spa" besucht werden darf.
Wellness zwischen Zypressenhügeln
Noch älter als Petriolo und Saturnia ist Bagno Vignoni, südlich von Siena über der Via Cassia gelegen. Schon Römer und Etrusker schwitzten in den bis zu 50 Grad heißen Quellen. Ein Ort wie aus dem Märchenbuch: Kaum 50 Einwohner leben dort; statt um einen Dorfplatz gruppieren sich die Häuser um das riesige viereckige Becken, aus dem es von Herbst bis Frühjahr wie aus einem Kochtopf dampft.
Dort, im historischen Thermalbassin, ist das Baden seit einem Edikt des Bürgermeisters aus den späten 1980er Jahren verboten. Dem toskanischen Peppone waren der ständige Lärm und die freizügigen Badegewohnheiten der Fremden zum Ärgernis geworden.
Wer ein Gratiswarmbad mit natürlichen Schlammpackungen sucht, der findet beides trotzdem, jetzt unmittelbar unterhalb des Ortes. Prosaischer, dafür mit Umkleiden und anderen Annehmlichkeiten versehen, ist das Thermalschwimmbad des unmittelbar ans historische Bassin angrenzenden Hotels "Posta Marcucci".
Wie ein gefrorener Wasserfall in den Bergen
Badeanstalt und freies Planschen friedlich nebeneinander: Diese Wahl lassen dem Gast auch die Bagni San Filippo, nur ein paar Kilometer südlich am Fuß des Monte Amiata. Doch wer will schon in den frisch gekachelten Räumen schwimmen, wenn draußen das Wasserwunder in freier Natur Lebensfreude sprüht? Ganze Großfamilien samt Kleinkind und Oma rücken nach Feierabend an.
Nostalgischer, ja verwunschener kann ein Badeplatz kaum mehr sein: Mitten im Wald hat sich eine haushohe, strahlend weiße Kaskade gebildet – wie ein gefrorener Wasserfall in den Bergen. Doch was wie Eiszapfen aussieht, ist reiner Kalk und mündet in drei wohlig warme Naturbecken zwischen hohen Bäumen.
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Anfahrt zu den heißen Quellen
Bagni di Petriolo liegt am tiefsten Punkt der alten Straße von Grosseto nach Siena, von der Superstrada zweigt man bei Casale di Pari ab.
Die Schwefelquellen Cascate del Mulino von Saturnia liegen vier Kilometer südlich des Ortes an der Straße nach Montemerano/Manciano.
Bagno Vignoni liegt fünf Kilometer südlich von San Quirico d'Orcia oberhalb der SR2 Via Cassia.
Bagni San Filippo liegt 18 Kilometer südlich von Bagno Vignoni ebenfalls an der SR2 Via Cassia.
Reiseführerempfehlungen: Südtoskana, Michael Müller Verlag.
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