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Warum Tausende Biokälber in Mastbetrieben enden


Nebenprodukte von Milch
Warum Tausende Biokälber in Mastbetrieben enden

dpa, Frederick Mersi

Aktualisiert am 19.04.2021Lesedauer: 3 Min.
Kühe: Biokälber können häufig nicht auf ihren Heimathöfen bleiben.Vergrößern des Bildes
Kühe: Biokälber können häufig nicht auf ihren Heimathöfen bleiben. (Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
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Um Milch zu geben, müssen Kühe Kälber bekommen. Doch Bauern stoßen bei ihrer Aufzucht auf einige Probleme – und verkaufen ihre Tiere schon im jungen Alter. Mehrere Initiativen wollen das ändern.

Sebastian Uhlemair fühlt sich wohl in seinem Stall unerwünschter Tiere. 15 Ochsen und ein weibliches Jungtier hält der 41-Jährige auf seinem Hof in Rettenberg im Allgäu – umgeben von grünen Weiden und mit Alpenblick. In ihren Heimathöfen konnten die Tiere nicht bleiben: Sie sind Nebenprodukte der Herstellung von Biomilch, ihre Aufzucht wäre dort zu teuer. Ein neues Zuhause mit Biohaltung zu finden, ist aber nicht leicht.

Tausende Tiere werden deshalb zwar jedes Jahr als deutsche Biokälber geboren, nach wenigen Wochen aber an konventionelle Mastbetriebe in Spanien oder den Niederlanden verkauft. "In Deutschland gibt es etwa 180.000 Biomilchkühe, die jedes Jahr ein Kalb geben", sagt der Projektmanager Tierwohl der Schweisfurth-Stiftung, Saro Gerd Ratter. "Davon werden vielleicht 25 Prozent für die Nachzucht gebraucht, 75 Prozent gehen größtenteils in die konventionelle Fleischerzeugung."

Viele Bauern finden Vorgang nicht optimal

Wie das künftig verhindert werden könnte, erforschen derzeit die Universität Hohenheim in Baden-Württemberg und die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Bayern. Projektpartner ist in beiden Fällen die Schweisfurth-Stiftung, finanziert werden sie von den Bundesländern. Eine Befragung von mehr als 300 Milchbauern habe ergeben, dass viele mit der aktuellen Situation unzufrieden seien, sagt Projektmanager Ratter. "Darüber ist der Bauer nicht glücklich, aber was soll er machen? Vom System her ist das suboptimal."

Die Probleme seien vielfältig, betont Ratter. Viele Milchviehbetriebe hätten zur Aufzucht vor allem der männlichen Kälber keinen Platz, außerdem lohne sich diese finanziell nicht. "Im Biobereich müssen Kälber drei Monate mit Vollmilch gefüttert werden. Nach der Aufzucht hat ein Biokalb 1.000 bis 1.500 Liter Milch getrunken, die der Bauer sonst an die Molkerei hätte liefern können", sagt Ratter. "Und dann gibt es kaum Verarbeiter, die den Wert dieses Kalbes bezahlen wollen."

Bessere Vermarktung oder manipulierte Zucht als Lösung?

Die Ansätze für die Lösung des Problems unterscheiden sich deutlich. Manche Betriebe probierten zum Beispiel, die Zeit zwischen der Geburt von Kälbern zu verlängern und so die Zahl der Tiere zu senken, sagt Ratter. "Wie gut das funktioniert, wird gerade untersucht." Einige Betriebe nutzen zur Zucht auch nach Chromosomen getrenntes, "gesextes" Sperma, um die Zahl männlicher Kälber möglichst weit zu senken.

Viele Initiativen setzen stattdessen auf eine bessere Vermarktung des Fleisches der unerwünschten Kälber. In Baden-Württemberg arbeitet zum Beispiel die "Bruderkalb Initiative Hohenlohe" mit Supermarktketten zusammen, in Bayern fördern sechs "Öko-Modellregionen" den regionalen Vertrieb von Biorindfleisch. Bundesweit bringt die "Interessengemeinschaft kuhgebundene Kälberaufzucht" Bauern, Verarbeitung und Handel zusammen.

"Oft wird gesagt, der Verbraucher sei nicht bereit, für eine kuhgebundene Kälberzucht zu zahlen", sagt Projektmanager Ratter. "Vielleicht fehlt es aber einfach an entsprechenden Angeboten. Um diese Frage beantworten zu können, fehlen bislang noch Daten." Wichtig sei aber, den Verbrauchern klarzumachen, dass es Milch nicht ohne die Geburt von Kälbern geben könne. Das gelte nicht nur für Biobetriebe, sondern auch für konventionelle Höfe.

Die "Öko-Modellregion" verbindet Gleichgesinnte

Die Tiere von Sebastian Uhlemair konnten zwar nicht in ihren Heimatbetrieben, aber zumindest im Allgäu bleiben. "Unsere Partnerbetriebe, die die Kälber weggeben, sind glücklich. Ich weiß, woher das Tier kommt – und die Verbraucher sind happy", sagt Uhlemair und lacht. Er vermarktet das Fleisch der Tiere als "Allgäuer Hornochsen" direkt und freut sich über wachsendes Interesse: "Wir überlegen sogar, unseren Stall auszubauen."

Viel Geld bleibt der Familie aus ihrer Rinderhaltung am Ende aber nicht. Sowohl Sebastian Uhlemair als auch seine Frau Cornelia verdienen ihren Lebensunterhalt in anderen Berufsfeldern. "Ein Vollerwerb wird das nicht", sagt der 41-Jährige über seine "Hornochsen". Durch die "Öko-Modellregion Oberallgäu" sei er aber mit vielen Gleichgesinnten in Kontakt gekommen.

Nicht alles Biorindfleisch könne direkt vermarktet werden, sagt auch Saro Gerd Ratter von der Schweisfurth-Stiftung. "Für Biomilch aus kuhgebundener Aufzucht wird auch heute schon ein großer Aufschlag bezahlt, wenn sie verfügbar ist." Für das Fleisch aus dieser Haltung solle der Markt nun entwickelt werden.

Regionale Aufzucht kämpft mit wenig Ressourcen

Bei der regionalen Aufzucht gebe es aber Grenzen, betont der Kälbervermarktungsleiter der Allgäuer Herdebuchgesellschaft, Christoph Busch. "Wir haben im Allgäu mit dem Grünland nicht genügend Futtergrundlage, zu wenig Platz und spezialisierte Mastbetriebe, um alle Kälber aus der Milchviehhaltung hier zu behalten." Grundsätzlich wolle man aber so viele Tiere wie möglich in der Region behalten, betont Busch. "Und daran muss man natürlich weiter arbeiten."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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