Coronavirus sorgt für Probleme Wie sicher sind Kreuzfahrten jetzt noch?
Schiffe stehen unter Quarantäne, Reedereien streichen Routen und Länder lassen Kreuzfahrtriesen nicht mehr anlegen: Die Branche steht seit dem Ausbruch des Coronavirus unter Druck. Wie sicher sind Kreuzfahrten noch?
Kreuzfahrtpassagiere werden nach ihrer Ankunft im Hafen von Anwohnern mit Steinen beworfen – aus Panik vor dem neuen Coronavirus. So geschehen Anfang März auf der Insel La Réunion bei einem Anlauf der "Sun Princess", wie verschiedene Medien berichteten. Und das war nur einer der bizarreren Fälle.
Nachdem bereits mehrere Kreuzfahrtschiffe in Quarantäne waren und an verschiedenen Häfen abgewiesen wurden, zogen am 13. März die ersten Reedereien Konsequenzen. Aida Cruises beendet vorerst alle Schifffahrten. Auch Tui reagiert.
Ansteckung an Bord, Quarantäne und Routenänderungen
Die Kreuzfahrt steckt durch die schnelle Ausbreitung des Coronavirus SARS-Cov-2 in einer tiefen Krise. Einerseits droht Passagieren eine Ansteckung an Bord und Quarantäne, andererseits werden Schiffe von zahlreichen Häfen in aller Welt abgewiesen und müssen ihre Routen ändern – auch wenn es keine Infektionen an Bord gibt. Das Virus und die Angst davor lassen immer mehr Reisen platzen.
Urlauber, die gerne auf Kreuzfahrt gehen, fragen sich: Kann ich jetzt noch ohne Risiko eine Seereise buchen?
"Im Moment erleben wir eine Abstimmung der Kundschaft mit den Füßen", sagt Detlef Schäferjohann, Geschäftsführer des Buchungsportals E-hoi. Viele Kunden stornierten Kreuzfahrten. Ähnliches berichtet das Portal "Urlaubspiraten": Nach den vielen Berichten über unter Quarantäne gesetzte Kreuzfahrtschiffe sagten mehr als ein Drittel (34 Prozent) der Teilnehmer in einer Umfrage des Portals, sie würden die Schiffe künftig vorerst meiden. Auch an der Börse ging es für die Anteile von Kreuzfahrt-Anbietern wie Royal Caribbean und Carnival Cruise Line bereits Anfang März mit minus 1,2 Prozent und minus 2,6 Prozent spürbar abwärts.
Die erste schlechte Nachricht kam aus Japan: Die dortige Regierung hatte die "Diamond Princess" zwei Wochen lang bis zum 19. Februar in Yokohama unter Quarantäne gestellt – Hunderte Menschen hatten sich mit dem Virus infiziert, es gab Todesfälle. In Kalifornien wurde die "Grand Princess" mit 3.500 Passagieren wegen mehreren Corona-Infizierten an Bord unter Quarantäne gestellt, das Schiff legte in Oakland an.
Wie hoch ist das Virusrisiko auf Kreuzfahrtschiffen?
Auf den großen Kreuzfahrtschiffen kommen tausende Menschen auf engem Raum zusammen. Der Schiffsmediziner Christian Ottomann verweist hier auf die Absage von Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern in ganz Deutschland – eine Kreuzfahrt ist letztlich nichts anderes. "Die großen Schiffe haben noch mehr Menschen an Bord", betont der Leiter der Schiffsarztbörse.
Auf ein deutsches Schiff etwa von Aida oder Tui Cruises zu gehen, bringe ebenfalls nichts, betont Ottomann. Zum einen gebe es mittlerweile auch zahlreiche Corona-Fälle in Deutschland. Zum anderen komme die Crew des Schiffs trotzdem aus aller Welt. Abstand halten kann Schutz vor einer Infektion bieten, am besten zwei Meter. "Das schafft man auf einem Kreuzfahrtschiff aber nicht", sagt Ottomann.
Risiko: Corona-Infizierte sind lange symptomfrei
Schiffsarzt Ottomann sieht in solchen Maßnahmen allerdings keinen endgültigen Schutz: "Bei Corona habe ich lange keine Symptome, das ist das Heimtückische und der Unterschied zum Norovirus." Die Inkubationszeit beträgt Experten zufolge bis zu 14 Tage. Deshalb sei auch eine Maßnahme wie das Temperaturmessen bei der Einschiffung "reine Augenwischerei", so Ottomann. Seine Empfehlung lautet: "Menschen über 60 und mit Vorerkrankungen ist derzeit auf jeden Fall von einer Kreuzfahrt abzuraten."
Zu dieser Einschätzung kommt auch die US-Seuchenschutzbehörde: Sie rät allen Reisenden und besonders jenen mit Gesundheitsproblemen angesichts von Corona generell von Kreuzfahrten ab.
Häfen lassen Schiffe nicht anlegen
Abgesehen vom Gesundheitsrisiko an Bord stehen Kreuzfahrten wegen der Angst vor Corona derzeit vor praktischen Schwierigkeiten. Schiffe werden zunehmend abgewiesen, Reisen müssen abgesagt werden.
"Die verstärkten Einreisekontrollen und Gesundheitsüberprüfungen betreffen insbesondere auch Kreuzfahrtschiffe", informiert das Auswärtige Amt zu Covid-19. "Es ist bereits mehrfach zu Verweigerungen des Anlaufens von Häfen gekommen. Mit Verzögerungen, Routenänderungen und in bestimmten Fällen auch Quarantänemaßnahmen durch lokale Behörden ist weiterhin zu rechnen."
Die Maßnahmen werden zunehmend drastischer: Malaysia hat unlängst angekündigt, Kreuzfahrtschiffe gar nicht mehr anlegen zu lassen. Dieselbe Maßnahme haben Indien und die Seychellen ergriffen.
Preisminderung bei Routenänderung
Reiserechtlich gelten Änderungen der versprochenen Route als Reisemangel. "Das berichtigt zu einer Preisminderung", erklärt Prof. Ernst Führich, Experte für Reiserecht. Und wenn schon vor der Reise klar sei, dass ein Großteil der Häfen nicht angefahren werden kann, lasse sich der Reisevertrag kostenlos stornieren.
Viele Anbieter zeigen sich derweil bei Neubuchungen großzügig: "Die Reedereien bieten jetzt besondere kulante Umbuchungs- und Stornierungsregeln", sagt Detlef Schäferjohann vom Portal E-hoi. "Man wird nicht jeden, der jetzt bucht, auch am Ende zur Kreuzfahrt verpflichten." Das Motto sei "Buchen ohne Risiko".
"Die Preise wurden kurzfristig erheblich reduziert, teils sogar halbiert", sagt der Branchenexperte. Ob das ausreicht, um Urlauber derzeit für eine Kreuzfahrt zu gewinnen, ist mindestens fraglich.
Das sagen Kreuzfahrtunternehmen
Aida Cruises
Die Rostocker Kreuzfahrtreederei Aida Cruises stellt die Fahrten ihrer 14 Schiffe umfassenden Flotte wegen der Ausbreitung des Coronavirus zunächst bis Anfang April ein. In den kommenden drei bis vier Tagen beenden die Schiffe ihre Fahrten an geeigneten Standorten, von denen die Passagiere nach Hause gebracht werden können. Wer bereits eine Reise gebucht hat, kann diese gegen eine Wunschreise im Frühjahr 2022 eintauschen.
Royal Caribbean Cruises
Royal Caribbean Cruises setzt am 14. März ab Mitternacht weltweit alle Kreuzfahrten bis zum 11. April aus. Laufende Fahrten werden nach Angaben des Unternehmens noch wie geplant beendet.
Hapag-Lloyd Kreuzfahrten
"Aktuell führen immer mehr Häfen individuell und zum Teil sehr kurzfristig Änderungen in ihren Einreisebestimmungen ein, welche sich auch auf unsere geplanten Anläufe auswirken könnten und durch uns nicht beeinflussbar sind", erklärt eine Sprecherin von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten auf Anfrage von t-online.de. "Somit werden die entsprechenden Anpassungen einzelner Häfen laufend getroffen. Unsere Kreuzfahrten verlaufen bis dato größtenteils nach Plan." Strenge Hygienevorschriften und Kontrollen seien "selbstverständlicher Standard" und durch den Ausbruch des Coronavirus noch einmal erweitert worden.
Vor dem Betreten der Schiffe müssen Passagiere Fragen zum aktuellen Gesundheitszustand und Reiseverhalten der vergangenen Wochen beantworten und werden gegebenenfalls an den Bordarzt überwiesen. Personen, die durch vorherige Reisen, Kontakt zu Infizierten oder eine Quarantäne bereits in Kontakt mit dem Coronavirus gekommen sein könnten, dürfen die Reise nicht antreten. "Weiterhin betrifft dies Gäste und Crewmitglieder, die in den letzten sieben Tagen Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Atembeschwerden aufweisen, wie sie im Auftreten bei einer Coronavirusinfektion typisch sind", führt die Sprecherin aus. Bisher sei es nur vereinzelt zu Stornierungen gekommen, die Gäste hätten aber einen "erhöhten Informationsbedarf". Kostenlose Umbuchungen bietet das Unternehmen bisher noch nicht an.
Color Line
Auch an Bord der Color Line Schiffe wurden die Hygienemaßnahmen erhöht. Es gebe leicht zugängliche Handdesinfektion, Kontaktstellen wie Geländer, Knöpfe und Griffe würden regelmäßig gereinigt. "Zudem folgt Color Line den Anweisungen und Informationen des Bundesministeriums für Gesundheit und des Robert Koch-Instituts, sowie der norwegischen, schwedischen und dänischen Gesundheitsbehörden", erklärt eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage von t-online.de. "Die ohnehin strengen Hygienevorschriften an Bord und in den Terminals wurden nochmals verstärkt und weisen die Fahrgäste auch in entsprechenden Informationsblättern und im Bord-TV sowie in den öffentlich zugänglichen Bereichen darauf hin."
Costa Kreuzfahrten
Auch Costa Kreuzfahrten hat zum einen die Hygiene- und zum anderen die Gesundheitsvorschriften für Gäste und Crew verschärft. Zusätzlich werden Kreuzfahrten bis zum 3. April abgesagt. Dazu zählen Fahrten mit der Costa Smeralda, der Costa Pacifica und der Costa Fortuna ab Singapur. Ab 4. April sollen die meisten Fahrten wieder stattfinden.
Hurtigruten
Passagiere der Hurtigruten Schiffe erwartet ebenfalls zunächst ein Fragebogen zu Reiseverhalten und Gesundheit. Wer innerhalb der letzten 14 Tage vor Einschiffung Südkorea, Iran, China, Italien oder Tirol besucht hat, darf an einer Reise nicht teilnehmen. Gleiches gilt für Passagiere, die Kontakt zu Infizierten hatten oder selbst in Quarantäne waren. Die Schiffsreisen sollen hingegen nach bisherigem Stand ausnahmslos wie geplant stattfinden. Das Unternehmen aktualisiert außerdem seine Umbuchungsmöglichkeiten.
Dennoch haben Hurtigruten eine neue Umbuchungsregelung eingeführt: Bereits gebuchte Gäste können ihre Seereise bis zum Sommer 2021 kostenfrei umbuchen – das gelte auch für Neu-Buchungen bis Ende April 2020, heißt es von dem Unternehmen auf Anfrage von t-online.de. "Wir sind seit mehr als 125 Jahren tätig und haben aus unseren Erfahrungen in schwierigen Situationen gelernt. Wir aktualisieren ständig unsere Maßnahmen, um sicherzustellen, dass unsere Gäste, die Besatzung und Mitarbeiter mit Zuversicht reisen können", sagt Daniel Skjeldam, CEO von Hurtigruten. Gebuchte Reisen mit Abfahrtsterminen zwischen dem 12. März und dem 30. Juni 2020 können kostenlos bis zum 31. Dezember 2021 umgebucht werden. Außerdem werden 10 Prozent Rabatt auf die neue Reise gewährt, wie Hurtigruten auf seiner Website kommuniziert.
MSC Cruises
"Jedem, der sich in den letzten 14 Tagen in folgenden Ländern aufgehalten hat: China, Hongkong, Iran, Taiwan, Japan, Vietnam, Macau, Südkorea und Italien oder über betroffene Flughäfen gereist ist, wird die Einschiffung verweigert", informiert auch MSC Cruises auf ihrer Internetseite. Das gelte auch für Passagiere mit Symptomen oder Kontakt zu Infizierten.
Tui Cruises
Der Kreuzfahrtanbieter Tui Cruises sagte inzwischen sieben Reisen ab. Der Konzern hatte jüngst ein Schiff aus Asien zurückholen müssen.
Obwohl immer mehr Menschen Fragen zum Coronavirus und Kreuzfahrten hätten, verzeichnet Tui Cruises bisher aber kaum Stornierungen, sagt Pressesprecherin Godja Sönnichsen auf Anfrage von t-online.de. "Für die unmittelbar anstehenden Abfahrten sind unsere Schiffe gut ausgelastet, auch die Folgereisen bis in den Sommer hinein sind gut gebucht. Zudem haben unsere Gäste im Rahmen des Wohlfühlpreises beziehungsweise dem Pro-Tarif die Möglichkeit, bis 50 Tage vor Reiseantritt einmalig gebührenfrei umzubuchen." Die Vorsichtsmaßnahmen an Bord würden kontinuierlich angepasst, bisher mussten die Fahrpläne nur "in wenigen Fällen" angeglichen werden. "Die Kosten werden selbstverständlich vollumfänglich erstattet", versichert Sönnichsen.
A-Rosa
Auch bei A-Rosa gibt es erhöhte Vorsorgemaßnahmen, die eine Gesundheitserklärung, Körpertemperaturmessungen und Desinfektionsmaßnahmen beinhalten. Zudem beobachtet das Unternehmen die aktuellen Entwicklungen und steht mit den örtlichen Behörden im Austausch.
- Eigene Recherchen
- Nachrichtenagentur dpa
- Pressemitteilung Urlaubspiraten
- Tui Cruises: "Aktuelle Reiseinformationen"
- A-Rosa: "Aktuelle Reise-Informationen"
- MSC Cruises: "Coronavirus Ausbruch China"
- Hurtigruten: "Aktuelle Informationen zum Coronavirus"
- Costa Kreuzfahrten: "Wichtige Informationen zum Schutz der Gesundheit unserer Gäste und unserer Besatzung"