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Mutprobe: Einfach mal einen Fremden küssen


Kolumne "Lust, Laster und Liebe"
Mutprobe: Einfach mal einen Fremden küssen

  • Jennifer Buchholz
MeinungEine Kolumne von Jennifer Buchholz

08.05.2019Lesedauer: 2 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Lippen: Erotische Gedanken spielen sich in unser aller Köpfen ab – mal häufiger, mal seltener. (Symbolbild)Vergrößern des Bildes
Lippen: Erotische Gedanken spielen sich in unser aller Köpfen ab – mal häufiger, mal seltener. (Symbolbild) (Quelle: Deagreez/getty-images-bilder)

Ob französisch, verspielt oder Standard: Küssen macht glücklich und Spaß. Allerdings braucht man dafür eine zweite Person. Doch wenn es niemanden gibt? Ich habe eine andere Lösung des Problems gefunden.

Ich schaue nach links auf den Platz im Bus, der mir schräg gegenüber ist, und meine Blicke treffen auf dich. Noch bevor ich darüber nachdenken kann, ob ich dich heiß finde, befeuchte ich unbewusst meine Lippen mit meiner Zunge. Scheinbar hat mein Unterbewusstsein die Entscheidung schon getroffen. Ich versuche noch einmal, dich zu mustern, ohne dass du es merkst.

Im selben Augenblick siehst du mich an. Verlegen drehe ich meinen Kopf schnell zur Seite und… beiße unbewusst auf meine Unterlippe. Mein Kopf fängt an, verrückt zu spielen. Meine heißesten Küsse laufen plötzlich wie ein Film an meinem innere Auge vorbei: damals am Strand, als mir ein Kuss fast den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Oder der filmreife Kuss im strömenden Herbstregen. Mit wem? Das ist jetzt egal.

Ich merke, wie meine Aufmerksamkeit an dir haften bleibt, und dass du mich ebenfalls beobachtest. Verlegen lächle ich und werde puterrot. Du erwiderst meine Blicke.

Du stehst auf und gehst

Plötzlich stehst du auf. Deine Augen leuchten. Sie fixieren die meinen. Du nickst mir zu. Mit deinen Lippen formst du das Wort "Bye!". Du willst gehen, aussteigen. Was soll ich tun? Hinterher gehen? Dich ansprechen? Oder dich als Tagtraum abschreiben?

Der Bus bremst langsam ab und kommt zum Stehen. Die Türen öffnen sich. Du blickst noch einmal zu mir und trittst durch die Tür. Das war es dann wohl.

Nur ein paar Sekunden zum Entscheiden

Nein, denn wie von Sinnen, springe ich hoch, steige aus und rufe "Hey! Warte mal! Darf ich dich küssen?". Du drehst dich um, lächelst und nickst. Und so presse ich meine Lippen auf deine und gebe meinen Tagträumen die Chance, in Erfüllung zu gehen. Ein Kuss, sinnlich, leidenschaftlich, überraschend und deshalb so unglaublich gut. Er schmeckt nach Frühling, Eiscreme, Sonne und Meer.

Genauso unerwartet, wie ich dich geküsst habe, lass ich wieder von dir los. Ich sage: "Bye!" und springe zurück in den Bus. Der Busfahrer, der wohl den Ausgang des Spektakels abwarten wollte, lacht mich an und sagt: "Na, das scheint ja dann doch nicht so gut gewesen zu sein!", schließt die Türen und fährt los.

Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.

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