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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Essen & Trinken Roland Trettl: "Kocht g'scheit und haltet die Klappe!"
Der Südtiroler TV-Koch Roland Trettl versucht sonntags auf Vox gemeinsam mit Tim Mälzer bei "Kitchen Impossible", ein unbekanntes Gericht eines internationalen Kochs ebenso gut zuzubereiten. Ab September ziehen er und Mälzer zudem mit der "Karawane der Köche" auf Sat.1 durch Deutschland und Trettl übernimmt Mälzers Juroren-Rolle bei der vierten Staffel von "The Taste".
Trettl hat jahrelange Erfahrung in der Sterneküche, er arbeitete bis 2013 in seinem Sternerestaurant "Ikarus" am Hangar-7 in Salzburg mit Top-Köchen aus allen Erdteilen. 2015 erschien sein Buch über diese Erfahrungen: "Serviert. Die Wahrheit über die besten Köche der Welt". Im Interview mit WANTED.DE erzählt er über sein Hamsterrad, die Liebe zum Kochen und warum ein Koch nichts im Restaurant verloren hat.
"Viel weniger Kopfschmerzen als früher"
Ihre Arbeit auf Vox mit "Kitchen Impossible" wirkt wie der Start in ein neues Leben nach der nervenaufreibenden Sterneküche im "Ikarus". Wieso gab's kein neues Restaurant?
Das wäre für mich nichts Neues gewesen. Ich habe immer gekocht. Das Fernsehen war für mich kein neues Ziel, das hat sich einfach ergeben. Es ging in meiner Hangar-7-Zeit los mit zwei Auftritten als Gastjuror bei "The Taste" auf Sat.1. Es scheint, als hätte ich mich dabei nicht ganz blöd angestellt (lacht). Die haben mich gefragt, ob ich Tim Mälzers Platz übernehmen könnte. Ich verstehe mich sehr gut mit ihm, und er hat mich für "Kitchen Impossible" vorgeschlagen. So ging das los. Ich merke, dass mir das großen Spaß macht. Solange die mich nehmen, wie ich bin, ist das super. Ich will und kann nicht wie ein Schauspieler vor der Kamera agieren. Es ist phasenweise sehr stressig, danach wieder ruhiger. Ich habe keine Verantwortung für Mitarbeiter mehr. Nun habe ich viel, viel weniger Kopfschmerzen als früher.
Wollen Sie sich weiter in Richtung TV-Koch mit neuen Formaten entwickeln oder reizt Sie eine neue Restaurant-Idee?
Wenn ich nicht mehr glücklich werde mit Dingen, beende ich sie. Das Thema Restaurant ist für mich aber nicht abgeschlossen, weil es mir immer noch riesigen Spaß macht. Zudem bin ich als Markenbotschafter und Berater unterwegs. Dazu bin ich kurz davor, ein eigenes Outlet zu eröffnen, eine Homebase für meine kreative Arbeit. Mit dem Kochgeräte-Hersteller Lohberger habe ich einen eigenen Herdblock designt. Für den brauche ich einen Platz. Dort wird es Kochkurse geben, dort werden wir Kochbücher machen. Ich will Kochen auch mit Kunst, Musik und Lesungen verbinden. Und es wird auch eine Küche geben – aber nicht mehr in Form eines Restaurants.
Kein Weg zurück in die Restaurantküche?
All die Dinge, die ich tue, sind für mich nicht denkbar, wenn ich ein Restaurant betreibe. Deswegen habe ich da im Moment überhaupt keine Lust drauf. Aber nach den sensationellen Jahren im Ikarus am Hangar-7 habe ich gemerkt, dass ich keine Energie mehr hatte. Dass ich völlig am Arsch war. Da stellt man sich die Frage, ob das wirklich so sein muss.
Trettl hatte sich "selbst verloren"
Wie war Ihre Antwort?
Ganz klar: Nein. Aber die Antwort hat mir meine Frau gegeben. Ich habe das nicht gesehen. Ich habe in meinem Hamsterrad gestrampelt und gestrampelt. Immer schneller, immer weiter. Ich habe damals gar nicht gemerkt, dass ich mich selbst verloren hatte. Es war ein guter Weg, aber jetzt will ich woanders hin gehen. Ich agiere nun bedachter, wegen meiner Familie und wegen mir.
Sie haben im Ikarus mit den besten Köchen der Welt gearbeitet, haben die besten und ungewöhnlichsten Zutaten verarbeitet. Was kickt Sie heute noch am Kochen?
Ich bin ein wahnsinniger Genussmensch, ich liebe es, zu essen. Es gibt nichts auf Welt, was mich emotional so berührt wie das Essen. Dazu gehört das Kochen.
Aber in den Top-Restaurants geht es vor allem um das Besondere, das Unbekannte, das Sensationelle.
Ja, in diese Richtung ging's damals bei mir. Das ist die Richtung, die ich heute in Frage stelle. Als Koch musst du nicht dem Gast zwanzig Minuten lang eine Story über dein Gericht erzählen. Es wird viel zu viel geredet. Regionalität war jahrhundertelang Alltag, und heute machen viele Köche daraus eine riesige Show. Dieses Entertainment ertrage ich nicht mehr. Kocht g'scheit und haltet die Klappe!
Sie kritisieren in ihrem Buch "Serviert" scharf die Gastrokritik von Gault Millau und Guide Michelin. Sind aber die Sterneköche und ihr Ehrgeiz nicht auch selbst schuld an der Abhängigkeit von Bewertungen? Für die meisten sind zwei Sterne besser als einer.
Da gebe ich Ihnen hundertprozentig recht! Ich werde in diesem Leben aber keinen Stern mehr bekommen, weil ich mich viel zu weit aus dem Fenster gelehnt habe. Das habe ich sehr bewusst gemacht, weil ich keinen mehr haben will. Ich werde künftig wie in einem Wohnzimmer für Freunde kochen. Sehr persönlich, ohne Restaurant und ohne Kritiker.
Wenn Sie nach Ihrer TV-Arbeit wieder gastronomisch arbeiten, kommen die Gäste vor allem, weil sie Sie aus dem Fernsehen kennen.
Könnte sein. Deswegen will ich ja kein Restaurant mehr aufmachen. Ich will kochen, wenn's mir Spaß macht. Ich will einen Bezug zu meinen Gästen aufbauen. Aber ehrlich: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.
Viele Köche setzen sich nach dem Menü zu den Gästen, reden mit ihnen, beantworten Fragen.
Ich bin der Meinung, dass der Koch nichts im Restaurant zu suchen hat. Das passt für mich nicht. Ich und mein Team im Ikarus haben vier Stunden unter Hochdruck gearbeitet, mussten perfekt organisiert und getimt sein, dazu tausende Details im Blick behalten. Ich glaube an die Wirkung von Energie. Völlig entspannte Gäste treffen auf einen Menschen, der bis eben voll unter Mega-Stress stand. Diese Anspannung will ich niemandem antun.
"Pure Respektlosigkeit!"
Viel schlimmer wäre es, wenn der Gast abends gar nicht erscheint.
Das nervt mich am allermeisten. Wie oft ist mir das passiert: Jemand reserviert für acht Personen und kommt nicht. Was denken sich diese Menschen? Wir haben für sie eingekauft, der Service hat den Tisch vorbereitet, die Küche steht bereit. Das ist die pure Respektlosigkeit! Aber wer ist letztlich schuld? Die Gastronomen. Wir akzeptieren es. Wer Opernkarten gekauft hat und nicht hingeht – seine Sache. Eine Reservierung ist ein Vertrauensvorschuss des Gastronomen, der sehr oft enttäuscht wird.
In New York wird in vielen angesagten Restaurants die Kreditkarte belastet, wenn man nicht erscheint.
Dort hat sich das durchgesetzt, aber in Deutschland ist das selbst gesetzlich nicht möglich. Doch eins muss jedem meiner Gäste klar sein: Er ist der König – aber er befindet sich in meinem Schloss.