Mecklenburg per Rad Das bietet eine Radtour vom Schaalsee bis ins Elbetal
Naturidylle, Hosenträgerwege und zwischendrin handfeste Zukunftsvisionen: Das können Sie bei einer Radtour zwischen Hamburg und Schwerin erleben.
Kurz hinter dem Waldbad Probst Jesar versagt der Smartphone-Akku. Und damit die Stimme des digitalen Routenführers, der kurz zuvor noch erzählt hatte, was nicht ins Auge fällt: Der "Jesar", slawisch für Teich, verdankt seine Entstehung einem eingestürztem Salzstock.
In früheren Jahrhunderten wurde er manchen Reisenden zum Verhängnis, wenn sie ihre Pferde an dem steil abfallenden Ufer tränkten, den Halt verloren und in 13 Metern Tiefe versanken. Heute ist hier von Mai bis September ein Waldbad in Betrieb. Der See selbst ist ungefährlich, sein Wasserstand inzwischen gesunken.
Wir sind unterwegs in Südwestmecklenburg auf der Lübtheener Gutshaustour – einer 45 Kilometer langen Rad-Rundstrecke – und folgen den Angaben der App "EntdeckerRouten". Neben der Route liefert sie an verschiedenen Wegmarken wissenswerte Infos in Bild und Ton. Die gewünschte Route kann man vorab herunterladen, dann benötigt man unterwegs keine mobile Internetverbindung mehr.
Strom braucht das Smartphone natürlich dennoch: Es ist wahrscheinlich ein typischer Anfängerfehler, auf so einer langen Radtour keine Powerbank dabei zu haben. Und es ist ein Stück weit digitale Verblendung, wenn man sich ganz auf die Navigationshilfe verlässt. Es gibt schließlich auch jenseits der vorgeschlagenen Routen einiges zu entdecken.
Vom Schaalsee in Richtung Elbe
Zum Beispiel entlang des Europäischen Zisterzienserwegs. Auf Mecklenburger Gebiet verbindet er auf rund hundert Kilometer Länge das Biosphärenreservat rund um den Schaalsee mit dem der Elbe-Flusslandschaft Mecklenburg-Vorpommern.
Nach einem Rundgang durch das Herz von Zarrentin am Schaalsee mit Badestelle, Bootshäusern und dem darüber thronenden Backsteinkloster geht es weiter entlang der Schaale. So heißt ein Abfluss des Sees, der von zahlreichen Nebenflüssen gespeist wird.
Schwer vorstellbar, dass die Schaalfahrt in Zeiten der Lüneburger Salzgewinnung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor war: Lastkähne brachten über die Wasserwege Elbe, Sude und Schaale Salz an die Ostsee und Brennholz zurück. Heute ist das Flüsschen Naturschutzgebiet und überwiegend Libellen, Wasservögeln und Fischen vorbehalten.
Genossenschaft schaut in die Zukunft
Wer den Zisterzienserweg bei Kogel verlässt und dem Zufluss der Kleinen Schaale folgt, radelt von der Vergangenheit Mecklenburgs direkt in die Zukunft. Das zumindest versprechen die Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Genossenschaft "Wir bauen Zukunft" in Nieklitz. Rundherum zehn Hektar wild bewachsenes Gelände, Gemüseanbau, Badeteich.
So einen Ort der Inspiration wollte der Ökologe und Umweltpolitiker Berndt Heydemann schaffen, als er auf dem ehemaligen Ackerland unweit der Autobahn A24 nach der Wende ein Zukunftszentrum gründete. Jedoch zog der sperrige Name Mensch-Natur-Technik-Wissenschaft trotz einer Auszeichnung mit dem Deutschen Umweltpreis zu wenige Besucher an – und der Erlebnispark ging pleite.
Viele Jahre blieb die Natur sich selbst überlassen, Diebstahl und Vandalismus machten den Gebäuden zu schaffen. Bis die Genossenschaft das Grundstück erwarb und es umfunktionierte – Coworking-Spaces kann man hier ebenso buchen wie Werkstatt- und Seminarräume, es gibt verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten, dazu Wildnis-Camps.
Zur Weiterfahrt in Richtung Herrenhaus Tüschow wird die Abkürzung durch das Nieklitzer Holz empfohlen. Der Forstweg ist allerdings sehr sandig und man wünscht sich ein Fahrrad mit breiteren Reifen herbei.
Unterwegs auf Hosenträgerwegen
Vom Tourismusverband Mecklenburg-Schwerin heißt es, es gebe mehr Radtouristen und eine steigende Nachfrage nach kulturhistorischen und naturkundlichen Touren. Allerdings sind an diesem Tag nur ein junges Paar mit Kinderwagen und ein lautes Quad auf dem Zisterzienserweg zwischen Tüschow und Schildfeld unterwegs.
Vielleicht sind es auch die "Hosenträgerwege", die Radfahrer abschrecken: Ein Plattenweg rechts, einer links, in der Mitte Erde, auf der es sich teils erschütterungsfreier rollt als auf den Platten. Umso willkommener ist der Stopp in Schildfeld: Die Schildmühle wurde restauriert und liefert inzwischen Strom, der Förster produziert Wildbret und der Fluss Schilde hat schöne Angelplätze.
Waldbaden im doppelten Sinne in und um Vellahn
Wer sich jetzt nach bitumengebundenen Wegen sehnt, sollte dem Zisterzienserweg Adieu sagen und weiter nach Vellahn radeln. Eine mächtige Backsteinkirche weist schon aus der Ferne den Weg: Sie steht auf einer Anhöhe, umringt von Bäumen und einer Mauer aus Feldsteinen.
Für die Erholung empfiehlt der Pastor Waldbaden im doppelten Sinne: Auch Vellahn hat ein öffentliches Schwimmbad mitten im Waldgebiet – und es ist dem Naturpark Mecklenburgisches Elbetal sehr nahe.
Von jetzt an geht es stetig bergab, die Lindenstadt Lübtheen erreicht man viel schneller als gedacht und es bleibt noch genug Zeit für eine Stadtführung mit der "EntdeckerRouten"-App – zumindest, solange der Akku durchhält.
Und so sind wir wieder am Ausgangspunkt dieser Geschichte, dem Waldbad Probst Jesar. Ohne Smartphoneguide.
- Nachrichtenagentur dpa