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Zum journalistischen Leitbild von t-online.ARD-Meteorologe Sven Plöger "Das ist eine schlechte Nachricht"
Der Klimawandelleugner Donald Trump ist wieder zum US-Präsidenten gewählt worden. Keine guten Nachrichten für den Klimaschutz. ARD-Wettermoderator Sven Plöger bleibt dennoch optimistisch.
Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien, Italien, und zuletzt Spanien: In diesem Jahr hat es in Europa extreme Regenfälle und daraus resultierende Fluten gegeben. In Spanien starben über 220 Menschen. Während die Aufräumarbeiten noch liefen, kam es erneut zu Fluten.
Überraschend sind die Ereignisse nicht. Schon seit Jahren warnen Wissenschaftler und Meteorologen vor Extremwetterereignissen, die sich durch die Klimakrise verschärfen. Auch ARD-Wettermoderator Sven Plöger sieht Handlungsbedarf.
Im t-online-Interview erklärt der Meteorologe, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, was noch drohen könnte und warum er trotz der Wahl des Klimawandelleugners Donald Trump zum US-Präsidenten optimistisch bleibt.
t-online: Herr Plöger, die EU-Behörde Copernicus hat vor Kurzem vermeldet, dass sich die Erde schon in diesem Jahr um 1,5 Grad erhitzt. Was bedeutet das für die Welt?
Sven Plöger: Das ist – erwartungsgemäß – eine schlechte Nachricht. Und sie war erwartbar, da die Weltgemeinschaft mit ihrem aktuellen Handeln auf 2,7 Grad Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau der Jahre 1850-1900 zusteuert. Gleichzeitig begann am 11. November die 29. UN-Klimakonferenz, bei der weder Herr Biden, noch Herr Jinping, noch Frau von der Leyen, noch der indische Regierungschef Modi, noch Herr Macron teilnimmt und aus bekannten Gründen auch Herr Scholz nicht. Angesichts dessen und der Tatsache, dass wir seit rund drei Jahrzehnten sorgenvoll und mit seit 2015 klar formuliertem Ziel weltweit konferieren, fällt mir im Moment nur ein: Wir scheinen für diese so zentrale Zukunftsaufgabe schlicht nicht die nötige Reife zu haben.
Sie klingen hoffnungslos.
Ja, das macht mich traurig, aber nicht mutlos. Denn die menschliche Geschichte kennt Gott sei Dank auch viele positive Wendungen, denn sonst ginge es uns heute nicht besser als in vielen Jahrhunderten zuvor. Oder anders: Sich ohne Hoffnung mit perspektivlosem Pessimismus einem selbst verursachten Problem hinzugeben, kann niemand ernsthaft als vernünftige Strategie ansehen.
Dennoch dürfte das selbst verursachte Problem in Zukunft noch größer werden: In den USA hat mit Donald Trump nun auch noch ein Leugner und Verharmloser des Klimawandels die Wahl gewonnen.
Wir wissen, was Trump vom Klimawandel hält – nichts. Insofern ist auch das für den Klimaschutz keine gute Nachricht. Die USA fallen wieder ins fossile Zeitalter zurück, man denke an die Kampagne "Drill, Baby, Drill". Frei übersetzt: "Bohrt so viel ihr könnt, das macht unsere Energie billig und Amerika wieder groß". Für eine solche Politik ist Klimaschutz nur störend. Wenn die USA als zweitgrößter Verursacher der Erderhitzung nicht dabei sind, dann wird der Klimaschutz in den nächsten vier Jahren weiter zurückgeworfen. Außerdem kann es andere Staaten einladen. "Wenn die Amerikaner nichts machen, wozu dann wir?"
Zur Person
Sven Plöger (57) ist Diplom-Meteorologe und Wettermoderator. Nach seinem Studium begann er 1996 seine Arbeit im Radio. Seit 1999 ist er im Fernsehen zu sehen, unter anderem bei "Wetter vor acht" in der ARD vor der Tagesschau, in den Tagesthemen und den dritten Programmen. Seit 2002 hält Plöger bundesweit Vorträge über Wetter und Klima, ist zu Gast in Talkshows und schreibt Gastbeiträge sowie Bücher.
Was können diejenigen, die die Dringlichkeit zu handeln erkennen, jetzt noch tun?
Wir müssen trotz allem an die Dinge glauben, die man voranbringen kann und uns zusammentun. Wir alle sitzen gemeinsam auf diesem Planeten in ein und demselben Boot. Wer jetzt nachhaltig umgestaltet, wird später klar profitieren. Man braucht aber Geduld. Das sollte ein Ansporn für uns sein, zur Transformation und Veränderung hin zur Nachhaltigkeit. Diese Begeisterung müssen wir wecken.
Das fällt schwer – auch angesichts der dramatischen Folgen, die wir ja jetzt schon etwa in Spanien erleben.
Das stimmt. Ohne uns die Welt schönzureden, müssen wir klar sagen, wo wir stehen und dann auf unsere Möglichkeiten schauen. Außerdem schrieb der Philosoph Francis Bacon einst: "Wissen ist Macht". Ich würde es umdrehen: Unwissen ist Ohnmacht. Der Klimawandel ist kompliziert, nicht jeder hat Ahnung von Physik. Wir müssen daher jetzt noch mehr unseren Bildungsstand als Gesamtgesellschaft verbessern. Es kann nicht sein, dass der dümmstmögliche Beitrag etwa von Klimawandelleugnern die gesamte Gesellschaft komplett verunsichert. Wir müssen mit Sachverstand fragwürdige Beiträge zurückweisen. Das ist auch ein wichtiger Teil von Kommunikation.
Solange wir theoretisch Möglichkeiten haben, bleibe ich deshalb optimistisch
Sven Plöger
War das, was die Spanier gerade erlebt haben, eigentlich eine Folge des Klimawandels?
Grundsätzlich kommt es im Herbst am Mittelmeer oft zu schweren Gewittern, wenn in der Höhe Kaltluft ankommt und das Mittelmeer noch sehr warm ist. Natürlich hat es früher auch mal extreme Fluten und verheerende Hochwasser gegeben. Der Unterschied zum bisherigen Wetter sind die Häufungen und die extremen Regenmengen, die wir zuletzt in einigen europäischen Ländern gesehen haben. Und das ist die direkte Verbindung zum Klimawandel. Denn das Mittelmeer ist wegen des Klimawandels viel zu warm. Das fördert Extremwetterlagen. Ein Grad mehr in der Atmosphäre bedeutet, es passen sieben Prozent mehr Wasserdampf hinein. Also kann auch mehr kondensieren und somit mehr Regen fallen. Wir erleben jetzt die Klimaveränderungen, vor denen uns die Wissenschaft schon seit vierzig Jahren warnt.
Welche Konsequenzen drohen?
Wir müssen mit stärkeren Regenfällen rechnen, mit Flutkatastrophen, aber auch mit Trockenheit, Waldbränden und Hitzewellen. Durch diese extremen Ereignisse nimmt nicht nur das Leid zu, sondern es steigen auch die Kosten immer weiter. Das sagen Ökonomen. Jeder jetzt nicht in den Klimaschutz investierte Euro muss laut diversen Studien mit zwei bis elf Euro zurückgezahlt werden.
Das sind sehr hohe Kosten.
Ganz genau, das ist extrem viel Geld. Wenn ich zu einer Bank gehe und sie mir verspricht, mein Vermögen mindestens zu verdoppeln, vielleicht aber sogar zu verelffachen, dann ist das DAS Geschäft meines Lebens. Sprich, die Investition in Klimaschutz ist die vernünftigste Geldanlage, die wir weltweit tätigen können. Aber dabei müssen wir langfristig denken.
Einer Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung zufolge könnte ein Schaden von 38 Billionen Euro bis 2050 entstehen. Ist das aus Ihrer Sicht realistisch?
Ob es wirklich 38 Billionen Euro kostet, weiß ich nicht. Aber es liegt im Bereich der zwei-bis-elf-Euro-Studien. Wir müssen uns solche Zahlen aber auch nicht ständig erzählen, denn sie entmutigen viele Menschen und münden in einen Satz wie "das Problem bekommen wir doch sowieso nicht in den Griff". Mit einer solchen Sichtweise wird das schnell eine sich selbst erfüllende Prognose. Wir müssen besser auf die Chancen und Stellschrauben schauen und auf Leute oder Projekte, die schon etwas erreicht haben.
Momentan scheint es ja eher so zu sein, dass die Gefahr zu vielen gar nicht erst durchdringt. Woran liegt das?
Der Klimawandel ist ein schleichender Prozess und damit kommt als Bedrohung heraus "irgendwann wird irgendwo irgendjemandem irgendwas passieren". Das ist nicht besonders konkret und dann sagt man schnell Sätze wie, vielleicht passiert ja doch nichts oder vielleicht werde ich ja verschont. Wir müssen einen Weg finden, wie wir die Erkenntnisse ins Bewusstsein der Menschen und politisch Handelnden bringen. Global haben wir trotz aller Versprechungen und Klimakonferenzen lediglich die Zunahme der Emissionen reduziert. Das heißt übersetzt, dass wir noch nie so viel emittiert haben wie heute. Gleichzeitig diskutieren wir über das Thema ebenfalls so oft wie nie zuvor und erleben immer häufigere und stärkere Unwetter wie noch nie. Wunsch und Wirklichkeit klaffen immer weiter auseinander. Wir leben und diskutieren politisch in unserer Wunschwelt. Wir überlegen uns, was wir bereit wären zu tun oder auch nicht. Da draußen gibt es aber eine physikalische Realität – und die Realität wird gewinnen. Niemals der Wunsch, so schön das vielleicht wäre.
Was können wir tun?
Vieles. Auch lokale, kleinere Maßnahmen sind entscheidend. Beim Ahrtal wissen wir zum Beispiel, dass durch 19 Regenrückhaltebecken sich eine ähnliche Katastrophe wie 2022 in den Griff bekommen ließe. Kostet allerdings ein bis zwei Milliarden Euro. Im Vergleich zu den Schäden von 30 bis 40 Milliarden Euro, die wir jetzt zahlen müssen, aber quasi ein Schnäppchen. Außerdem dürfen wir nicht aufhören, uns über das Thema zu unterhalten, den Menschen die Konsequenzen klarzumachen, ohne Panik zu verbreiten. Wir brauchen eine vernünftige Kommunikation.
Wie sollte die aussehen?
Trotz der Ernsthaftigkeit und der Dringlichkeit der Situation müssen wir aufpassen, dass wir nicht ständig nur von Dystopien und Apokalypsen sprechen. Natürlich ist das schwierig, wenn wir so ein verheerendes Unwetter wie in Spanien erleben. Das war apokalyptisch. Darüber müssen wir sprechen und es sachlich einordnen, aber dann müssen wir – wie schon gesagt – auf unsere Chancen schauen.
Dann können wir auch wieder Erfolge feiern, auch wenn wir nicht perfekt sind. Wir haben acht Milliarden Menschen auf der Erde, also auch acht Milliarden Stellschrauben, an denen wir was verändert können. Acht Milliarden Veränderungen sind dann wieder ganz viele.
Sie bleiben also optimistisch?
Ja. Es wird zwar nie die eine große Aktion geben, mit der wir auf einen Schlag die Welt retten können. Wir haben Jahrzehnte in kleinen Beiträgen und auch nicht mit böser Absicht, die Dinge so verursacht, wie sie jetzt sind. Das hat sehr lange gedauert und deswegen wird es auch wieder sehr lange dauern, in vielen kleinen Schritten zurückzukommen. Aber wir haben viel mehr Chancen und Möglichkeiten, als man auf Anhieb vermutet. Die müssen wir nutzen und natürlich bereit sein, Dinge zu verändern.
Was mich auch positiv stimmt: Wir haben in Deutschland einen großartigen Mittelstand, wir haben Menschen mit Ideen und Erfindungsreichtum. Viele davon treffe ich auf meinen Vorträgen und erlebe dabei Begeisterung, die ansteckt. Das müssen wir viel mehr in die Öffentlichkeit tragen. Was klappt, was besser wird, was man nachmachen kann. Wir schauen viel zu häufig auf das, was schiefgeht. Klar, das muss man auch. Aber es kommt auf die Ausgewogenheit an.
Zu sagen, wir brauchen eine große Transformation zur Nachhaltigkeit, aber für mich selbst darf sich dabei absolut nichts ändern, wird nicht funktionieren. Deshalb behalte ich einen begründeten Optimismus bei. Wenn wir all die Dinge, die auf Klimakonferenzen entschieden wurden, auch umsetzen, dann hätten wir 2,1 Grad im Visier. Das sind auch nicht 1,5 Grad, ist aber besser als 2,7 Grad. Solange wir theoretisch Möglichkeiten haben, bleibe ich deshalb optimistisch. Es lebt sich so auch besser, statt als frustrierter Pessimist.
- telefonisches Interview mit Sven Plöger