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Verkehrspolitik der Ampel: Gefährliche Signale von der Bundesregierung


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Verkehrspolitik
Gefährliche Signale von der Ampel

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

27.09.2024Lesedauer: 5 Min.
Spitzen der Ampel-KoalitionVergrößern des Bildes
Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck (Archivbild): Der Verkehrspolitik der Bundesregierung fehlt es an etwas Grundlegendem, sagt t-online-Kolumnistin Sara Schurrmann. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)

Die Verkäufe von E-Autos sind 2024 eingebrochen, die Autoindustrie schwächelt – gleichzeitig steigen die Kosten fürs Deutschlandticket. Beides zeigt, es fehlt an etwas Grundlegendem.

Mal ehrlich: Wie viele Menschen kennen Sie, die ein Elektroauto besitzen? Ich genau eine. Aber das ist auch kein Wunder. Gerade einmal 1,5 der 49 Millionen Pkws in Deutschland sind reine E-Autos. Ende 2023 musste der Umweltbonus für E-Fahrzeuge überraschend gestrichen werden, seitdem sind die Verkaufszahlen dramatisch eingebrochen. Aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fehlten plötzlich 60 Milliarden im ursprünglich veranschlagten Budget des Klima- und Transformationsfonds.

Der Verkehrsminister kämpft währenddessen für E-Fuels, also synthetisch erzeugte Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff und CO2, und hat sich damit in der EU den Ruf eines Don Quijote eingefangen. Denn es ist klar, dass diese zwar für Nischenanwendungen extrem wichtig sein werden, aber eben extrem teuer. Sie werden nie in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um damit Pkw in größerem Maße anzutreiben. Nachzulesen etwa im aktuellen Bericht des Weltklimarates (IPCC). Und diese Woche beschlossen die Länderverkehrsminister nun auch noch eine Preiserhöhung für das Deutschlandticket. Aus dem 49-Euro-Ticket wird ab Januar ein 58-Euro-Ticket.

"Mixed Signals" in der Verkehrspolitik

Würde ich über Dating schreiben und nicht über Verkehrspolitik, würden mich Freundinnen vor "Mixed Signals", warnen, also vor "gemischten Signalen". Beim Dating bedeutet das: Finger weg, die Person weiß nicht, was sie will. Das kann nichts werden. Auch in der Verkehrspolitik passt das Bild. Wechselt eine Ampel ständig, offenbar wahllos, von rot auf grün zu gelb, sind Verkehrsteilnehmende gut beraten, Vorsicht walten zu lassen und der Ampel zu misstrauen. Und, nun ja, auch die Ampel-Regierung sendet, besonders in der Verkehrspolitik, keine klaren Signale.

Einerseits hat sie so viel Geld in die Schiene investiert wie keine Regierung zuvor und das noch bei der Bundestagswahl 2021 undenkbare Deutschlandticket eingeführt. Andererseits wirken manche Vorstöße der letzten Monate fast wie Satire. So legte die FDP im Sommer ein Pro-Auto-Papier vor, um das Fahren in Innenstädten attraktiver zu machen. Zu den Vorschlägen zählten kostenfreie Stellflächen und eine Park-Flatrate. Selbst in der eigenen Partei zeigten sich einige von der Initiative irritiert.

 
 
 
 
 
 
 

Im April hatte Verkehrsminister Volker Wissing völlig überraschend selbst mit Fahrverboten gedroht, nur um diese dann den Grünen in die Schuhe zu schieben und anschließend so tun zu können, als hätte die FDP diese vermeintliche Gefahr abgewendet. Hintergrund dieses Theaters waren die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes, die der Verkehrssektor dank Wissings Politik nicht erfüllen konnte. Also wurde kurzerhand das Klimaschutzgesetz geändert. Eine konsistente Verkehrspolitik sieht anders aus. Es fehlt eine Idee, was überhaupt ihr Ziel sein soll.

Der öffentliche Personennahverkehr etwa ist nicht ausreichend finanziert, er funktioniert nur mit massiven Subventionen. Jeweils 1,5 Milliarden zahlen Bund und Länder für das Deutschlandticket. Doch selbst das reicht nicht. Anders als die klimaschädlichen Subventionen für das Dienstwagenprivileg (3,5 bis 5,5 Milliarden Euro pro Jahr) und das Dieselprivileg (4 bis 5,6 Milliarden Euro pro Jahr) werden diese jedoch infrage gestellt. Die Debatte darüber, ob das Deutschlandticket weitergeführt wird und zu welchem Preis, mag daher sachlich nachvollziehbar erscheinen, ist aber auch eine politische Entscheidung. Und sie verschreckt diejenigen, die man mit dem Angebot eigentlich gewinnen will: Neukundinnen und -kunden, die damit zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel bewegt werden sollten.

Video | Das sagen VW-Beschäftigte zum Sparkurs
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Quelle: t-online

Gleichzeitig schwächelt die Autobranche, ein wichtiger Arbeitgeber in Deutschland. Volkswagen hat Sparpläne angekündigt, Mercedes und BMW haben ihre Gewinnerwartungen für das laufende Jahr zurückgefahren. Die deutsche Automobilbranche kämpft mit vielen Problemen, ein gewichtiges ist aber auch: Sie hat die E-Mobilität verschlafen.

Auch Porsche musste vor ein paar Wochen seine Gewinnerwartung herunterschrauben. Der Grund war hier jedoch ein anderer: Die Produktionsstätte eines wichtigen Zulieferers für Aluminiumteile in der Schweiz wurde bei einem Starkregen überflutet. Die Produktion fiel zeitweise aus, das führte zu erheblichen Lieferengpässen. Es ist nicht (nur) der Klimaschutz, der die Autoindustrie herausfordert, sondern auch die Klimakrise. Und die verwirrende Verkehrspolitik erschwert Firmen wie Bürgern zusätzlich eine zuverlässige Planung. Wen wundert es da, dass Konsumentinnen und Konsumenten beim E-Auto-Kauf zögern?

Anfang der Woche lud Robert Habeck, der ja nicht nur Klima-, sondern auch Wirtschaftsminister ist, zum Autogipfel, um Lösungen zu diskutieren. Kurzfristige Kaufprämien für Elektroautos, ähnlich der Abwrackprämie, kommen demnach nicht infrage. Dafür sei kein Geld da, aber selbst wenn: Sie würden die darunter liegenden Probleme nicht lösen. Etwa, dass es bisher kaum erschwingliche E-Autos auf dem Markt gibt.

Knickt Habeck vor der Autoindustrie ein?

Dafür hat Habeck angekündigt, der Bitte der Autohersteller nachzukommen und in der EU nach einer früheren Revision der CO2-Emissionsnormen für Pkw zu fragen. Knickt der Klimaschutzminister hier vor der Autoindustrie ein? Rhetorisch ja, das können Umweltverbände und Aktivistinnen ihm vorwerfen. Auf mich wirkt es eher, als würde er die Absage der EU überlassen wollen. Er hat vorsichtshalber schon mal vorausgeschickt, dass er auf deren Entscheidung nur bedingt Einfluss habe.

Darauf, dass Ladesäulen schnell und konsequent ausgebaut werden, hätte die Regierung aber durchaus Einfluss, auch darauf, erneuerbare Energiequellen stärker auszubauen und so für verlässlich niedrige Strompreise zu sorgen.

Nach einem stringenten Plan klingen die Ergebnisse des Autogipfels noch immer nicht, eher nach einer psychologischen Intervention. In Richtung Kunden schickte Habeck das Signal, dass mögliche Maßnahmen auch rückwirkend gelten würden. Der Subtext: Wer aktuell überlegt, ein E-Auto zu kaufen, solle damit bloß nicht warten.

Vorbild Paris

Dabei ist die Aufgabe eigentlich ziemlich klar, wenn man sich die Fakten anschaut. Der Großteil der Emissionen im Verkehrssektor entsteht im Straßenverkehr, Pkw verursachen dabei einen Anteil von knapp zwei Drittel. Das Auto ist immer noch das Verkehrsmittel Nummer 1. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor im Individualverkehr sind damit eindeutig Hauptverursacher.

Daraus kann man relativ gut ableiten, was zu tun ist, um diese zu senken. Weg vom Verbrenner, hin zum E-Antrieb; weg vom Auto auf der Straße, hin zu Schienen und Bussen. In den Innenstädten auch hin zu Fahrrad- und Fußverkehr. Das ist seit Jahren klar und das Gegenteil des Pro-Auto-Plans der FDP. Wie das in großen Städten aussehen kann, macht die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo seit ein paar Jahren vor. Es geht, wenn man will und – idealerweise – statt Verboten die entsprechenden Alternativen und Angebote ausbaut.

Das verpennen deutsche Regierungen nicht seit Jahrzehnten, sondern verschleppen und verhindern es auch. Auch das FDP-geführte Verkehrsministerium scheint eng mit der Autolobby verbandelt und ließ sich Recherchen des ZDF zufolge für eine Werbekampagne für eine Dieselalternative einspannen. Ein beteiligter Lobbyverein soll sogar Termine mit Verkehrsminister Wissing verkauft haben. So traurig es ist, von der Ampel-Regierung erwarte ich im Verkehrssektor keine umfassenden Lösungen mehr. Ich wäre schon dankbar, wenn sie aufhört, aktiv für Verwirrung zu sorgen.

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