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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auf das Natureplus-Label achten Natürliche Dämmstoffe haben einen großen Vorteil
Polystyrol gerät bei Experten zunehmend in die Kritik. Der beliebte und günstige Dämmstoff hat eine Menge Nachteile. Natürliche Dämmstoffe sind eine Alternative. Noch fristen sie eher ein Nischendasein, sind meist auch etwas teurer und nicht ganz so einfach zu verarbeiten. Doch die Wärmedämmung mit natürlichen Materialien hat auch entscheidende Vorteile.
Nur wenige greifen für die Wärmedämmung bislang auf die tierischen und pflanzlichen Stoffe zurück: Ihr Marktanteil ist niedrig. Spitzenreiter unter den Naturdämmstoffen sind Holzprodukte, gefolgt von Hanf und mancherorts Schilfrohr. Schafwolle, Wiesen- oder Seegras hingegen werden bislang nur selten nachgefragt.
Entscheidender Vorteil im Sommer
Als größter Vorteil der Materialien gilt ihr Schutz vor Sommerhitze: Sie haben eine hohe Dichte und können Wärme gut speichern, weshalb im Sommer warme Luft erst mit Verzögerung in das Innere das Hauses gelangt, erläutert René Görnhardt von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe in Gülzow bei Rostock.
Zum Vergleich: Ist ein Dach mit einem natürlichen Dämmstoff eingepackt, dauere es bis zu acht Stunden länger als mit einer konventionellen Dämmung, bis die Hitze nach innen vordringe. Das eigentlich schlagende Argument für die meisten Bauherren ist jedoch das ökologische Bewusstsein: "Sie wollen regionale Produkte einsetzen, haben den Nachhaltigkeitsaspekt im Blick und das gute Gefühl, etwas Gesundes zu verwenden", sagt Görnhardt.
Bei Naturmaterialien ist mit hohen Anschaffungskosten zu rechnen
Dafür nehmen die Verbraucher einige Nachteile in Kauf: "Das größte Hindernis sind für viele die höheren Anschaffungskosten", erklärt Dietlinde Quack vom Öko-Institut in Freiburg. Hinzu kommt, dass die Stoffe schlechter Wärme im Haus halten.
Während konventionelle Dämmungen die Wärme eher reflektieren, speichern die Ökostoffe die Wärme, die dann im Haus fehlt. Gemessen wird das mit dem Wert der Wärmeleitfähigkeit. Er gibt an, welche Wärmemenge pro Stunde bei einem Temperaturunterschied von einem Kelvin durch einen Quadratmeter eines ein Meter dicken Materials übertragen wird. Je niedriger der Wert ist, umso besser ist die Dämmwirkung.
Dicke Dämmschicht ist notwendig
Bei vielen natürlichen Dämmstoffen beträgt die Wärmeleitfähigkeit etwa 0,04 Watt je Kelvin und Meter. Das ist deutlich höher als bei manch einem konventionellen Dämmstoff. "Das heißt, dass man eine etwas dickere Schicht benötigt, um dieselbe Dämmwirkung zu erzielen", erläutert Reimund Stewen, Vizepräsident des Verbandes Privater Bauherren (VPB) in Berlin. Manchmal ist das baulich nicht möglich, manchmal trägt der Dämmstoff auch optisch zu stark auf.
Und nicht verwendet werden dürfen solche Rohstoffe dort, wo sie in Berührung mit Feuchtigkeit kommen. Ein Beispiel ist eine sogenannte Perimeterdämmung, die etwa an der Außenseite einer Kellerwand mit Erde in Berührung kommt.
Dämmung als Flocken und Matten erhältlich
Die natürlichen Dämmstoffe kommen vor allem in zwei Formen auf den Markt: Flocken aus Holzfasern, Seegras sowie lose Holzspäne, die mit Lehm ummantelt sind, können in eine Wandnische geblasen werden, erläutert Görnhardt. "Hauptsächlich werden nachwachsende Rohstoffe jedoch als Matten oder Rollen geliefert und für die Dämmung von Dachflächen, Geschossdecken und Fassaden eingesetzt." Damit sowie mit Platten aus Holzfasern können auch Laien recht gut umgehen – und ihre Fassade selbst dämmen.
Nicht jeder Rohstoff ist überall zu bekommen – mit Ausnahme von Produkten aus Holz und Hanffaser, die mittlerweile überall gut verbreitet sind. Die kleinen Nischenprodukte sind in gängigen Baumärkten kaum vertreten. Eine gute Bezugsquelle sind Naturbaustoffmärkte. Allerdings kann es dort zu längeren Lieferzeiten kommen.
Geübte Handwerker muss man suchen
Auch mit den Materialien erfahrene Handwerker gibt es nicht überall. "Die Hersteller oder Entwickler seltener Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen haben nicht die Möglichkeit, großflächig Handwerker in der Anwendung auszubilden", sagt Görnhardt. In der Nähe einer Produktionsstätte sind die Chancen am größten, einen geübten Handwerker zu finden.
Die Herkunft sollte für Verbraucher auch ein entscheidendes Auswahlkriterium sein. Sie spielt letztlich in der Bewertung der Ökobilanz eine nicht unerhebliche Rolle. Und hier kann es Überraschungen geben: "Der einzige Hersteller von Seegrasdämmung hat seinen Sitz nicht – wie man vermuten würde – an der Ostsee, sondern in Bayern. Und das Seegras stammt aus dem Mittelmeerraum", sagt der Rohstoffexperte Görnhardt.
Auf Zusatzstoffe achten
Daneben sollten Hausbesitzer auf Zuschlagstoffe achten. "Die Gleichung 'Natürliche Dämmstoffe sind gut, die anderen sind schlecht' ist so leider viel zu einfach", sagt Bauherrenberater Stewen. Auch den Naturrohstoffen werden vor allem Flammschutzmittel wie Borsalz, Aluminiumsulfat oder Ammoniumphosphat zugesetzt. Sie werden hier sogar stark verwendet, weil die nachwachsenden Rohstoffe schlechtere Brandschutzeigenschaften haben als ihre Konkurrenten.
"Einige Hersteller arbeiten außerdem mit Soda als Pilzschutz", berichtet Görnhardt. "Und schließlich bestehen die Stützfasern von Mattendämmstoffen häufig aus synthetischen Stoffen." Wer das vermeiden will, sollte auf Stützfasern aus Kartoffel- oder Maisstärke Wert legen. Auch um die Materialien zum Ein- oder Aufbringen der Dämmung müssen umweltbewusste Verbraucher sich kümmern: "Es wird leicht übersehen, dass auch der eine oder andere Unterputz oder Systemkleber toxische Stoffe enthält", betont Ökoexpertin Dietlinde Quack.
Zusatzstoffe dürfen bis zu 25 Prozent des Gesamtproduktes ausmachen, damit es immer noch als "natürlicher Dämmstoff" verkauft werden darf, informiert die Deutsche Umwelthilfe. Sind die Dämmstoffe aus Recyclingsmaterial mit natürlicher Basis gemacht, findet man sie oft unter der Bezeichnung "naturnahe Dämmstoffe". Die Bezeichnungen "ökologisch" und "umweltverträglich" sagen aus, dass während der gesamten Lebensdauer - von Herstellung bis Entsorgung - die Umwelt möglichst wenig belastet wird.
Auf das Natureplus-Label achten
Eine gute Orientierung ist das Natureplus-Label. Es gibt an, ob das Produkt in der gesamten Produktionskette von Rohstoffanbau bis Verarbeitung umwelt- und gesundheitsbewusst behandelt worden ist. Und viele Informationen lassen sich auf Herstellerseiten im Internet finden – alle übrigen Fragen muss der Händler beantworten können.
- dpa