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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Arzt erklärt Unterschied Magenprobleme: Ist es Gastritis oder Reizmagen?
Bei Schmerzen im Oberbauch ist es nicht immer Gastritis. Welche Untersuchungen Klarheit bringen und was die Beschwerden lindert, erklärt ein Experte.
Druck und Schmerzen in der Magengegend locken viele Betroffene häufig auf die falsche Fährte. Selbst Ärzte interpretieren die Beschwerden oft vorschnell als Gastritis. Die Folgen sind gravierend, denn ein Reizmagen wird anders behandelt als eine Magenschleimhaut. Im Gespräche mit t-online erklärt der Magen-Darm-Spezialist Professor Ahmed Madisch, was hinter dem Reizdarmsyndrom steckt und welche Behandlung die Beschwerden lindert.
t-online.de: Herr Professor Madisch, was ist die häufigste Ursache für chronische Magenschmerzen?
Professor Ahmed Madisch: Die meisten Menschen denken schnell an eine Gastritis, auch bekannt als Magenschleimhautentzündung. Doch das, was in der breiten Bevölkerung unter Gastritis verstanden wird, ist eigentlich ein Reizmagen, auch Reizmagensyndrom, kurz RMS. Hier gibt es viele Missverständnisse und oft auch Fehlbehandlungen.
Wie definieren Sie Gastritis und Reizmagen?
Früher war eine Gastritis definiert als ein Krankheitsbild, das mit den Symptomen Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Aufstoßen, Erbrechen, Druckgefühl, Völlegefühl und Druckempfindlichkeit in der Magengegend verbunden ist. In neueren deutschen Lehrbüchern wird diese Beschreibung nicht mehr verwendet. Für dieses Symptombild wird der Begriff Reizmagen verwendet.
Der Begriff "Gastritis" hingegen steht mit der feingeweblichen Labor-Diagnose in Zusammenhang und beschreibt das Vorhandensein von Entzündungszellen in der Magenschleimhaut. Ein Zusammenhang zwischen Reizmagen und Gastritis gibt es nicht. Es kann sein, dass ein Patient keine Magenschmerzen hat und auch sonst keine Magenbeschwerden, aber bei ihm sehr viele Entzündungszellen zu finden sind, also eine Gastritis vorliegt. Andersherum kann es sein, dass ein Patient unter ausgeprägten Magenbeschwerden leidet, aber nur sehr wenige Entzündungszellen nachweisbar sind.
Prof. Dr. med. Ahmed Madisch ist Magen-Darm-Experte und behandelt seit vielen Jahren Patientinnen und Patienten mit funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen wie Reizmagen und Reizdarm.
Gastritis beschreibt also den Entzündungsfaktor der Magenschleimhaut?
Genau. Eine Gastritis ist ein histologischer Befund, der im Rahmen einer Magenspiegelung und Entnahme einer Gewebeprobe gestellt wird. Es sind Entzündungen der Magenschleimhaut sichtbar und der Laborbefund zeigt entsprechende Entzündungsparameter. Symptome wie Magenschmerzen, Völlegefühl, Druckgefühl und so weiter sind von der Gastritis entkoppelt. Es handelt sich um ein eigenständiges Krankheitsbild, das sogenannte Reizmagensyndrom.
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Wie viele Menschen sind in Deutschland von einem Reizmagen betroffen?
Der Reizmagen zählt zu den sogenannten funktionellen Magen-Darm-Störungen und betrifft etwa 20 bis 30 Prozent der Deutschen – besonders junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren. Zurückzuführen sind die Beschwerden auf verschiedene Ursachen. Das kann beispielsweise eine Überreizung des Nervensystems im Magen, eine Überempfindlichkeit der Bauchnerven oder eine Bewegungsstörung des Magens sein. Viele Betroffene weisen eine Kombination verschiedener Faktoren auf. Stress verstärkt die Beschwerden, da Stress das Nervensystem aktiviert – und damit auch die vielen Nervenzellen in unserem "Bauchhirn". Nach heutigen Erkenntnissen ist Stress aber nicht ursächlich der Auslöser eines Reizmagensyndroms.
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Wie wird das Reizmagensyndrom diagnostiziert?
Kommt ein Patient mit Beschwerden in die gastroenterologische Praxis, wird zuerst das Beschwerdebild erfasst. Zeigt er seit mehr als drei Monaten Beschwerden wie Oberbauchschmerzen, Völlegefühl, Druckgefühl, Übelkeit und Aufstoßen, ist das ein erster Hinweis auf einen möglicherweise vorliegenden Reizmagen. Im nächsten Schritt wird eine Magenspiegelung durchgeführt und eine Gewebeprobe entnommen. Diese wird auf Entzündungsfaktoren und den Magenkeim Helicobacter pylori untersucht. Weitere Untersuchungen sind ein Blutbild, Ultraschalluntersuchungen sowie Untersuchungen des Magens, um andere Erkrankungen wie beispielsweise Geschwüre auszuschließen. Die Diagnose Reizmagen wird über ein Ausschlussverfahren gestellt.
Ist ein Reizmagen heilbar?
Beim Reizmagen handelt es sich um eine chronische Erkrankung. Das heißt, sie ist nicht heilbar. Die Therapie zielt auf die Symptomlinderung. Bislang ist noch Großteils unklar, warum sich ein Reizmagen entwickelt. In seltenen Fällen ist der Magenkeim Helicobacter pylori der Auslöser. Wird der Magenkeim Helicobacter pylori nachgewiesen und behandelt, ist etwa jeder 15. Betroffene danach beschwerdefrei. Einem Reizmagen vorbeugen lässt sich nicht. Es sind bislang keine Ernährungsempfehlungen und Lebensstilfaktoren bekannt, mit denen sich ein Ausbrechen der Beschwerden zuverlässig verhindern ließe.
Wie wird ein Reizmagen behandelt?
Der Reizmagen wird vor allem mit Medikamenten behandelt, die das Nervensystem im Magen beruhigen, die Magenmotorik anregen und die Überempfindlichkeit reduzieren. Oftmals kommen pflanzliche Medikamente, sogenannte Phytopharmaka, zur Anwendung, die eine Mischung verschiedener Pflanzenextrakte enthalten. Manchmal helfen auch Magensäureblocker. Antidepressiva können in einigen Fällen ebenfalls helfen, das überreizte Nervensystem zu beruhigen.
Was kann der Patient zur Symptomlinderung beitragen?
Der Patient selbst kann seinen Magen entlasten, indem er kleine Mahlzeiten zu sich nimmt und auf gut verdauliche Speisen achtet. Gutes Kauen erleichtert die Verdauung. Mehrere Stunden vor dem Schlafengehen sollte man nichts mehr essen. Bewegung unterstützt den Magen und hilft zugleich, Stress abzubauen. Auch entspannende Sportarten wie Yoga tun vielen Betroffenen gut. Viele Patienten kennen zudem die Trigger, welche die Beschwerden verstärken. Das können beispielsweise Alkohol sein, sehr fettiges Essen und scharf gewürzte Speisen.
Herr Professor Madisch, vielen Dank für das Gespräch.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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