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Corona-Gefahr in Innenräumen: Wo ist das Infektionsrisiko besonders hoch?


Corona-Gefahr in Innenräumen
Was sollten Sie jetzt zum Schutz vor Aerosolen beachten?

dpa, t-online, Walter Willems

Aktualisiert am 12.04.2021Lesedauer: 5 Min.
Corona-Infektionsrisiko: Forscher haben Berechnungen zum Ansteckungsrisiko für verschiedene Innenraum-Szenarien veröffentlicht.Vergrößern des Bildes
Corona-Infektionsrisiko: Forscher haben Berechnungen zum Ansteckungsrisiko für verschiedene Innenraum-Szenarien veröffentlicht. (Quelle: Milos Dimic/getty-images-bilder)

Beim Einkaufen oder im Büro: Eine Studie vergleicht das Corona-Ansteckungsrisiko für verschiedene Innenräume – mit klaren Aussagen. Aerosolforscher fordern nun neue Maßnahmen.

Führende Aerosolforscher aus Deutschland fordern von der Politik einen Kurswechsel bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise. "Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert", heißt es in einem Brief an die Bundesregierung und an die Landesregierungen. Es gilt als sicher, dass sich das Coronavirus vor allem über Luft verbreitet.

Bereits im Februar haben Forscher der Technischen Universität Berlin Berechnungen zum Ansteckungsrisiko für verschiedene Innenraumszenarien veröffentlicht: vom Friseur über den Supermarkt bis hin zu Kino und Fitnessstudio. "Es geht darum, dass wir jetzt in die Lockerungsphasen kommen", sagte Studienleiter Martin Kriegel damals.

Was fordern die Aerosolforscher?

"Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt", kritisieren die Verfasser. In Wohnungen, Büros, Klassenräumen, Wohnanlagen und Betreuungseinrichtungen müssten Maßnahmen ergriffen werden. In Innenräumen finde auch dann eine Ansteckung statt, wenn man sich nicht direkt mit jemandem treffe, sich aber ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten habe, warnen sie. Debatten über das Flanieren auf Flusspromenaden, den Aufenthalt in Biergärten, das Joggen oder Radfahren seien hingegen kontraproduktiv.

Maßnahmen wie die Maskenpflicht beim Joggen an Alster und Elbe in Hamburg etwa seien eher symbolischer Natur und ließen "keinen nennenswerten Einfluss auf das Infektionsgeschehen erwarten", schreiben die Experten. SARS-CoV-2-Erreger würden fast ausnahmslos in Innenräumen übertragen. Im Freien sei das äußerst selten, im Promillebereich. Hierauf sollten die begrenzten Ressourcen nicht verschwendet werden, heißt es in dem Brief. Auch würden im Freien nie größere Gruppen – sogenannte Cluster – infiziert, wie das in Innenräumen etwa in Heimen und Schulen, bei Veranstaltungen, Chorproben oder Busfahrten zu beobachten sei.

Auch die Ausgangssperren versprechen aus Sicht der Wissenschaftler mehr, als sie halten können. "Die heimlichen Treffen in Innenräumen werden damit nicht verhindert, sondern lediglich die Motivation erhöht, sich den staatlichen Anordnungen noch mehr zu entziehen", schreiben sie. "In der Fußgängerzone eine Maske zu tragen, um anschließend im eigenen Wohnzimmer eine Kaffeetafel ohne Maske zu veranstalten, ist nicht das, was wir als Experten unter Infektionsvermeidung verstehen."

Stattdessen empfehlen die Autoren mehrere Maßnahmen, wie Treffen in Innenräumen so kurz wie möglich zu gestalten, mit häufigem Stoß- oder Querlüften Bedingungen wie im Freien zu schaffen, effektive Masken in Innenräumen zu tragen sowie Raumluftreiniger und -filter überall dort zu installieren, wo Menschen sich länger in geschlossenen Räumen aufhalten müssen – etwa in Pflegeheimen, Büros und Schulen.

"Die Kombination dieser Maßnahmen führt zum Erfolg", heißt es weiter. "Wird das entsprechend kommuniziert, gewinnen damit die Menschen in dieser schweren Zeit zugleich ein Stück ihrer Bewegungsfreiheit zurück." Zu den Unterzeichnern zählen der Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, Christof Asbach, Generalsekretärin Birgit Wehner und der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch.

Was sollten Sie jetzt besonders beachten?

Um sich nicht mit dem Coronavirus zu infizieren, sind die gängigen Verhaltensregeln natürlich weiterhin wichtig. Sie sollten daher auf Abstände zu anderen Personen achten, sich regelmäßig gründlich die Hände waschen und, wann immer es notwendig ist, eine medizinische Maske tragen. Zum Schutz vor Aerosolen gibt es weitere Aspekte, die wichtig werden:

  • Treffen Sie sich, wann immer es möglich ist, nicht in Innenräumen, sondern an der frischen Luft mit anderen Menschen.
  • Wenn es sich nicht vermeiden lässt, treffen Sie sich so kurz wie möglich in Innenräumen.
  • Lüften Sie Innenräume regelmäßig, um die Aerosole auszutauschen und Luftzüge zu schaffen.
  • Vermeiden Sie direkten Körperkontakt und halten Sie Abstände zu anderen Menschen ein.

Was besagt die Aerosolstudie vom Februar?

In den Kalkulationen vom Februar, die nicht von unabhängigen Experten begutachtet wurden und nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlicht sind, fokussierten sich Kriegel und seine TU-Kollegin Anne Hartmann auf gängige Orte wie etwa Theater, Restaurants und Schulen.

Berücksichtigte Einflussfaktoren sind vor allem die Dauer des jeweiligen Aufenthalts (im Supermarkt mit einer Stunde veranschlagt), der Aktivitätsgrad (im Fitnessstudio hoch) und die Luftzufuhr im Raum. Die Einhaltung der Hygiene- und Lüftungsregeln wird vorausgesetzt, die Schutzwirkung einer Maske mit 50 Prozent einbezogen. Weitere Bedingung: Eine infizierte Person ist zusammen mit anderen im Raum.

Mehr Infektionen in Fitnessstudios und Büros

Unter den gesetzten Voraussetzungen ist das Risiko beim Friseur, in wenig ausgelasteten Museen, Theatern und Kinos, aber auch in Supermärkten demnach vergleichsweise gering. Deutlich höher sei es in Fitnessstudios und vor allem in Oberschulen und Mehrpersonenbüros.

Beispiele: Beim Einkaufen im Supermarkt würde sich demnach – unter den festgelegten speziellen Voraussetzungen – maximal eine weitere Person anstecken. In einem zur Hälfte besetzten Mehrpersonenbüro, in dem sich Menschen acht Stunden ohne Maske aufhalten, läge der Wert unter den für die Studie angenommenen Bedingungen acht Mal höher. In einem Theater mit 30 Prozent Auslastung und Maskenpflicht wäre das Risiko nur halb so hoch wie im Supermarkt – trotz doppelter angenommener Aufenthaltsdauer von zwei Stunden.

Einige medizinische Fragen bisher noch ungeklärt

"Es ist von großem Interesse, typische Situationen miteinander zu vergleichen, um einen generellen Eindruck zu bekommen", sagt Kriegel. Er räumt gleichzeitig ein: "Es ist ein einfaches Abschätzungsmodell, das allerdings auf einem detaillierten Infektionsrisikomodell basiert, das an realen Ausbrüchen validiert wurde."

Grundlegende medizinische Fragen seien dennoch unklar, etwa wie viele Viren in Aerosolpartikeln und welche Viruskonzentration für eine Infektion notwendig seien. "Man bräuchte eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit, um ein umfassendes, ganzheitliches Modell zu erhalten."

Die echte Welt ist eben komplexer. Der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch, mahnte bereits im Februar zu Vorsicht bei der Interpretation der Resultate: Von der Vielzahl der Einflussfaktoren sei bisher nur ein Teil bekannt, die Studie setze viele Annahmen voraus. "Solche Berechnungen sind unheimlich komplex." Die Resultate, die das Risiko sehr exakt angeben, erweckten den Eindruck einer Präzision, die es so nicht gebe.

Aussagen der Studie für weiteren Pandemieverlauf nutzen

Der Chemiker Jos Lelieveld hob die vergleichende Gegenüberstellung der Szenarien hervor. "Die Botschaft ist eigentlich simpel", erläuterte der Direktor am Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie. "Wenn eine Gruppe von Personen sich mit einem infizierten Menschen längere Zeit in einem geschlossenen Raum aufhält, ist das Ansteckungsrisiko sehr hoch. Über mehrere Stunden reichern sich die virenbeladenen Aerosole an, wobei die infektiöse Dosis erreicht werden kann."

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Dies gelte etwa für Oberschulen, für die sich das Risiko angesichts vergleichbarer Klassen- und Raumgrößen gut abbilden lasse. Auch das Risiko in Büroräumen sei eindeutig. "Diese Aussagen sind richtig und wichtig", betont Lelieveld. "Die Öffentlichkeit sollte verstehen, dass sie mit dem Öffnen der Schulen ein hohes Risiko eingeht." Auch der Homeoffice-Anteil im Beruf sei noch sehr ausbaufähig.

Andere Aussagen der Studie sieht Lelieveld kritisch – etwa zum Risiko in Schwimmhallen, das nach Kriegels Studie beträchtlich ist. Eine Anfrage von einem Schwimmbadverband, das Infektionsrisiko zu berechnen, lehnt Lelieveld ab. "Dafür müsste man für die großen Hallen die Aerosolströmungen gut simulieren", sagt er. "Das können wir nicht." Auch für Restaurants und Fitnessstudios seien genaue Angaben schwierig: "Diese Aussagen würde ich so nicht unterstützen."

Alle möglichen Einflussfaktoren miteinbeziehen

Der Physiker Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen betont, dass man relativ gut die Wahrscheinlichkeiten für Infektionen unter gegebenen Bedingungen abschätzen könne. Wichtig sei jedoch, alle Eventualitäten zu betrachten.

Ein Beispiel: Falls sich in einem Restaurant Menschen verabreden, die ohnehin Kontakt zueinander hätten, könnte es sein, dass die ganze Gruppe ansteckend sei, ohne es zu wissen. Dann sei die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass sich andere Personen über infektiöse Aerosole anstecken als etwa beim Friseur, den Kunden meist unabhängig voneinander besuchten.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Nachrichtenagentur dpa
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