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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach heftigem Protest von Experten Ärzte-Chef kritisierte Masken – jetzt muss er zurückrudern
Mit widersprüchlichen Aussagen zum Nutzen von Alltagsmasken hat Ärztekammer-Chef Reinhardt für Aufsehen gesorgt. Was bringt ein Mund-Nasen-Schutz tatsächlich?
Zwei Tage, nachdem er den Nutzen von Alltagsmasken bei der Bekämpfung der Pandemie in Zweifel gezogen hat, ist der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, zurückgerudert. "Die aktuelle Evidenz aus vielfältigen Studien spricht für einen Nutzen des Mund-Nasen-Schutzes", teilte er am Freitag mit. Seine Aussagen hätten zu erheblichen Irritationen geführt, die er sehr bedaure.
Reinhardt hatte in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" vom 21. Oktober gesagt, er sei von den Alltagsmasken nicht überzeugt, "weil es auch keine tatsächliche wissenschaftliche Evidenz darüber gibt, dass die tatsächlich hilfreich sind. Schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich auch nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken". Das widerrief er am Freitag: "Die Studien weisen darauf hin, dass sowohl die Übertragung auf andere als auch die Selbstansteckung durch Alltagsmasken reduziert wird", sagte er laut Mitteilung.
Aussagen stoßen auf scharfe Kritik: "Widerspruch zur Studienlage"
Reinhardt war für seine Aussagen von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund krisitiert worden. Die Vorsitzende Susanne Johna hatte gesagt: "Diese persönliche Auffassung des Bundesärztekammer-Präsidenten steht im Widerspruch zur aktuellen Studienlage und ist geeignet, das seit Monaten wirksame und evidenzgestützte Konzept zur Minimierung von Infektionen zu diskreditieren."
Der SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe Karl Lauterbach forderte sogar Reinhardts Rücktritt. Auf Twitter bezeichnete er das Verhalten als "unentschuldbar" für den "ranghöchsten deutschen Ärztefunktionär". "Aus meiner Sicht ein Rücktrittsgrund, wenn er das nicht sofort zurücknimmt", schrieb er.
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Auch Bayerns Ärztekammerpräsident Gerald Quitterer hat die Aussagen seines Bundesvorsitzenden zum Nutzen von Mund-Nase-Masken kritisiert. Er sei über die Äußerungen "nicht glücklich", sagte Quitterer dem "Münchner Merkur". Der bayerische Staatskanzleichef und Corona-Koordinator Florian Herrmann (CSU) ergänzte: "Es ist mehr als irritierend, wenn sich ein hoher Vertreter der Ärzteschaft unverantwortlicher Corona-Leugner-Diktion bedient und Fake News verbreitet."
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Was bringt ein Mund-Nasen-Schutz?
Vor Monaten nannte der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, seine Formel für möglichst wenige Ansteckungen: Das einfachste seien die "AHA-Regeln" – Abstand, Hygiene, Alltagsmaske. Auch die Initiative "Zusammen gegen Corona" des Bundesgesundheitsministerium baut auf diesen Regeln auf. Und das aus einem bestimmten Grund.
Zahlreiche Studien haben bereits die Wirksamkeit von Masken untersucht. Eine übergreifende Analyse mehrerer Studien, die im Juni im Fachblatt "The Lancet" veröffentlicht wurde, war schließlich zu dem Schluss gekommen, dass eine Maske das Infektionsrisiko messbar verringert. Das Tragen einer Maske war mit einem Infektionsrisiko von drei Prozent assoziiert, im Vergleich zu 13 Prozent ohne Maske. Verglichen wurde vor allem der Gebrauch unter Haushaltskontakten oder bei Begegnungen mit anderen Kontaktpersonen.
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Die Mehrheit der Experten schließt sich dieser Haltung an. Für Johannes Knobloch, Leiter des Bereichs Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, ist der Nutzen von Masken klar: "Wir wissen, dass eine Maske Tröpfchen abhält und die Übertragung von Aerosolen vermindert. Somit sollte die Zahl der Tröpfcheninfektionen durch eine Maske deutlich reduzierbar sein, die Übertragung von Aerosolen in vielen Situationen ebenfalls." Besonders in Innenräumen sei eine Maske deshalb anzuraten.
Bayerns Ärztekammerpräsident Gerald Quitterer bestätigt dies: "Die Aerosole fliegen mit Maske nicht so weit. Ohne Maske wäre man dagegen völlig ungeschützt." Ärzte sollten zudem nicht Empfehlungen des Robert Koch-Institus (RKI) und Entscheidungen des Verordnungsgebers ignorieren.
Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt das Tragen von Alltagsmasken in bestimmten Situationen als Baustein, um Risikogruppen zu schützen und die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus zu reduzieren.
Wie sieht es mit Masken an der frischen Luft aus?
Wer draußen nur kurz an anderen Menschen vorbeigeht, hat nach Ansicht von Infektionsepidemiologe Knobloch eine extrem niedrige Wahrscheinlichkeit, sich dabei anzustecken. "Dass eine Maske die Sicherheit weiter erhöht, ist dabei relativ unwahrscheinlich", so Knobloch. Doch es gilt zu beachten: Wenn bereits sehr viele Menschen infiziert sind und es dann zu sehr vielen solchen Begegnungen kommt, kann eine Maske die Wahrscheinlichkeit einer Infektion aus Sicht des Experten weiter senken.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Robert Koch-Institut
- Ärzte Zeitung
- Nachrichtenagentur dpa
- Apotheke Adhoc
- Eigene Recherche