"Das Jenke Experiment" Eine Sendung zum Vergessen
Über 1,6 Mio Menschen in Deutschland leben mit Demenz. Später selber daran zu erkranken, ist nach eigenen Angaben die größte Angst des RTL-Reporters Jenke von Wilmsdorff. In der aktuellen Folge von "Das Jenke Experiment" versucht er, Demenz mittels Hypnose nachzuempfinden und besucht Betroffene.
Bei Alzheimer bzw. Demenz bilden sich im Gehirn Eiweiß-Plaques, die unsere Nervenzellen angreifen. Ein Heilmittel gibt es bislang nicht.
Der Hypnosetrainer Daniel Borschel versetzt Jenke für einen Tag in einen Demenz-ähnlichen Zustand. Dafür soll der Reporter erst einen Punkt auf seiner Hand fixieren und angeblich befindet er sich direkt danach in einem Trance ähnlichen Zustand. "Ich bin nicht wach, schlafe aber auch nicht. Es ist eine Art Zwischenwelt, in der es nur mich und Daniels Stimme gibt", berichtet von Wilmsdorff. "Eine Stunde lang manipuliert Daniel meine Psyche während ich immer tiefer in Hypnose falle."
Vergessen verleiht Gefühl von Unzulänglichkeit
Danach fühlt er sich kraftlos und dumpf. Jenke wirkt verzweifelt und sagt, er wisse tatsächlich nichts mehr. "Mein Kopf ist leer, wie soll ich nur einen ganzen Tag in diesem Zustand überstehen - Und wie schlimm muss das für Menschen sein, die tatsächlich dement sind?". Später will er im Radio Werbung für seine Sendung machen, weiß aber nichts mehr über diese. Komplexe Aussagen, bei denen die Erinnerung eine Rolle spielen, sind ihm nicht möglich. Beim Einkauf für das Abendessen vergisst er die Hauptzutat. Dadurch fühlt er sich unzulänglich und ausgegrenzt.
Einzug in Demenz-WG
RTL will auch wissen, wie Menschen mit Demenz leben. Deshalb zieht Jenke für fünf Tage in eine Demenz-WG. Die älteste Bewohnerin dort ist 93 Jahre alt, die jüngste 58. "Es ist wie ein eigenes Kind, das man hat" sagt deren Schwester über das Leben mit der noch recht jungen Demenzkranken.
Kindliche Verhaltensmuster statt liebender Ehemann
Außerhalb der Demenz-WG begleitet von Wilmsdorff eine weitere Familie. Die Angst, dass ihr 63-jähriger Mann Achim sie eines Tages nicht mehr erkennt, ist bei Tina Dörfler groß. Früher war er ein Lebemann, Karnevalsjeck und Fußballfan. Heute sind 20 Prozent seines Gehirns bereits abgebaut. Achim Dörfler hat eine seltener Form der Demenz, die besonders schnell voranschreitet. Der Mann ist stark von seiner Frau abhängig, alleine lassen kann sie ihn kaum. Dann stand er zum Beispiel schon stundenlang bei drei Grad draußen auf dem Balkon. Darunter leidet seine Frau: Sie muss zusehen, wie er zum Pflegefall wird und immer mehr in kindliche Verhaltensmuster verfällt.
Angehörige unter emotionalem Druck
Mit Aussagen wie "wenn ich ins Heim muss, bringe ich mich um", setzt ihr Mann Tina emotional stark unter Druck. Für sie besteht die Ehe aus Erziehung statt aus einer Liebesbeziehung und das tut weh. "ich bin im Moment an einem Punkt kurz vorm Burn-out", sagt sie. Zudem fühlt sich von ihrem Umfeld unverstanden und auch, dass sie nichts mehr alleine unternehmen kann, belastet sie.
Urlaub mit Pflege und Betreuung
Später sieht man die Dörflers beim Urlaub an der Ostsee. Dort wohnen sie in einer Einrichtung für Demenzkranke und ihre Angehörigen. Achim wird dort sieben Stunden am Tag betreut während seine Frau sich ausruhen kann. Doch auch während sie das tut, hat sie ein schlechtes Gewissen: Früher war sie mit ihrem Mann zweisam am Meer spazieren und hat den Urlaub mit ihm genossen.
Dennoch: Eine solche Urlaubsgestaltung ist für viele Demenzkanke und ihre Angehörigen ein guter Tipp. Die Kosten für die Pflege vor Ort trägt die Pflegeversicherung.
Im Endstadium fehlt die Sprache
Über einen weiteren Fall berichtet RTL im Pflegefall: Hannelore hat eine sehr weit fortgeschrittene Demenz und lebt im Pflegeheim. Sie kann nicht mehr sprechen und erkennt sich nicht mehr im Spiegel. So sieht Demenz im Endstadium aus. Doch ihre Tochter geht damit erstaunlich gut um und es wird deutlich: Das Leben mit Demenz ist für die Betroffenen und ihre Angehörigen ein Stück weit auch das, was sie selber daraus machen.
Von Wilmsdorff: Betroffene am besten in ihrer geistigen Welt lassen
Jenkes Fazit aus dem Hypnose-Experiment: Am meisten hilft man den Betroffenen, wenn man sie und das Vergessen nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern sie in ihrer eigenen Welt belässt.
Wer die Sendung gesehen hat, weiß wie das Leben mit Alzheimer aussieht und wie wertvoll Demenz-WGs sind. Schön anzusehen ist jedoch nichts davon. Demenz ist ein schwieriges Thema, vor dem viele lieber die Augen verschließen.
Der Zuschauer stellt sich auch die Frage, ob Jenke von Wilmsdorff sich tatsächlich in einem Demenz ähnlichen Zustand befand oder ob alles nur gespielt war.
Sendung gerät auf Abwege
Zudem setzt die Reportage stark auf Emotionen und gerät streckenweise auf Quotenjagd ohne größeren Informationsgehalt. Besonders die Schilderung von einem Fall ist unnötig: Der 11-jährige Sohn von Britta Zielinsky, Pascal, hat einen sehr seltenen Gendefekt und leidet durch diesen an Kinderdemenz. Er ist blind, kann nicht laufen und wird künstlich ernährt. Er kann nur das Wort "Mama" sagen und wird voraussichtlich früh versterben. Weltweit gibt es nur zwölf solcher Fälle.
Hier möchte RTL mal wieder die Sensationslust der Zuschauer befriedigen. Ein überflüssiger Exkurs, der dementen Menschen und ihren Angehörigen nichts bringt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.