Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Ungewöhnliche Beautyprodukte Wer schön sein will, muss hart im Nehmen sein
Die Schönheitsindustrie kennt keine Ekel-Grenzen: Selbst Schneckenschleim gilt als Beauty-Wundermittel. Doch die Produktion hat auch eine dunkle Seite.
Wer schön sein will, muss nicht unbedingt leiden, sollte aber besser hart im Nehmen sein.
Selbst wenn wir die menschliche Plazenta mal gemütlich als Mutterkuchen bezeichnen, ist der Gedanke, sie nach der Geburt des Kindes mit nach Hause zu nehmen ("Packen Sie's mir bitte ein, ja?") und dort, etwa als Bolognese-Sauce zubereitet, mit Spaghetti zu verspeisen, ein bisschen gewöhnungsbedürftig.
Inzwischen ist der aus den USA kommende Trend – es soll dort sogar Kochbücher dafür geben – mit all seinen medizinischen Risiken bekannt. Wir nehmen mit der Plazenta nämlich nicht nur Nährstoffe zu uns, die unlängst noch den Fötus gepäppelt haben, sondern auch die auf der "Mutterseite" gefilterten und gespeicherten Gift- und Schadstoffe, die die Plazenta vom Kind im Mutterleib fernhält. Darunter sind Quecksilber, Blei oder Arsen, unter Umständen auch richtig gefährliche Bakterien.
Auf andere Weise kontaminiert ist das körpereigene Menstruationsblut, das sich Influencerinnen unlängst zur gefälligen Nachahmung als hausgemachte Kosmetikmaske ins Gesicht strichen, wohl auch wegen der "Nährstoffe".
Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Bei Wellness- und Kosmetiktrends muss es erlaubt sein nachzufragen. Zum Beispiel beim Schneckenschleim. Sie lesen richtig, er gilt seit einiger Zeit als Wundermittel. Und ehe man sich das Gefühl dieser Substanz auf unserer Haut vorstellt, ist zu bedenken, dass die wundheilende Wirkung des Schneckenschleims bereits in der Antike untersucht wurde – etwa bei der Behandlung von Schnittverletzungen. Seit den 1960er-Jahren wird deshalb weitergehend geforscht. Seit etwa fünfzehn Jahren baut Südkorea industriell auf die Verarbeitung von Weichtiersekret im Kosmetiktiegel.
Ein ganzes Paket aus Wirkstoffen
Immerhin ist bekannt, dass Schnecken ihren Schleim evolutionär selbst als eine Art ständig verfügbares Universalmittel für eigene Verletzungen auftragen. Aber nicht nur für die Hauterneuerung soll dieses Bioprodukt wertvoll sein. Der Schleim enthält antioxidative und entzündungshemmende Wirkstoffe und auch einige kurzkettige Eiweiße, die quasi als natürliches Antibiotikum wirken.
Auch Vitamin A, Vitamin C und E können laut Literatur im Schneckenschleim enthalten sein, variierend je nach Art, allerdings in eher geringen Mengen. Ein ganzes Paket an Wirkstoffen – nicht nur gegen Geweberisse und Verletzungen, sondern auch zum Schutz vor Infektionen und sogar, allerdings abgeschwächt, gegen schädigende UV-Strahlung. Und das alles in nur einem Produkt.
Während Kollagen und Elastin die Hautbarriere äußerlich stabilisieren und leicht faltenmindernd wirken, weil die Feuchtigkeit in der Hornschicht erhöht wird, stemmt sich "von innen" Allantoin dagegen, das Entzündungen mildert und die Hautregeneration fördert. Der hohe Wasseranteil des Schneckenschleims durchfeuchtet auf angenehme Weise die Haut und Glykolsäure sowie die Vitamine A, C und E frischen den Teint auf.
Oft hilft nur der Glaube an das Gute
Man darf aber auch nicht vergessen, dass tierische Produkte, wie Naturprodukte generell, immer die Gefahr von unangenehmen Kontaktallergien in sich tragen. Außerdem kann die Konzentration der Inhaltsstoffe im Schleim variieren und auch niedriger sein als in gezielt angereicherten Kosmetika.
Als Dermatologin muss ich sagen, dass die gesamte Wirkung der Natursubstanz zwar zunehmend erforscht wird, es aber noch keinen belastbaren Gesamtüberblick gibt, ebenso wenig wie die Gewissheit, dass sie wirklich für alle Hauttypen geeignet ist. Und, wie könnte es anders sein, nicht jeder von der Kosmetikindustrie diesbezüglich angepriesene Artikel enthält die wirklich wichtigen Wirkstoffe. Manchmal wird nur der Schleim verarbeitet, den die Schnecken als eine Art Gleitmittel zur eigenen Fortbewegung ausscheiden. Wie so oft hilft hier nur der Glaube an das Gute im Produkt.
Produktion ist Tierquälerei
Natürlich ist jetzt längst das Kopfkino in Betrieb, wie man die Schnecken dazu bringt, ihre hausgeschleimte Wundapotheke einfach dem Kosmetikunternehmen abzutreten. Bekanntermaßen sondern die Tiere die größte Schleimmenge unter Stress ab. Etwa wenn man sie in Zentrifugen, wie in einer Wäscheschleuder, mit 1.000 Umdrehungen kreisen lässt.
Oder man lagert sie in Salzwasser, das dem Schneckenkörper Feuchtigkeit entzieht. Die Schleimproduktion wird daraufhin reflexartig hochgefahren. Mehr Stress produziert nun mal mehr Schleim, dafür sind mancherorts auch Stromstöße oder Chemikalienspray willkommen. Kein schöner Gedanke, wenn man den Anti-Aging-Teintschmeichler aufträgt und darauf wartet, sich jünger zu fühlen. Damit wir ihn nicht verdrängen, erinnern uns die Tierschützer daran. Die "Guten" in der Schleimspur sollen Bio-Bauern sein, die die Schnecken von Hand absammeln und die Kosmetikproduktion durch leichtes Kitzeln mit Holzstäbchen anregen. Wahrscheinlich wird nebenbei auch noch Schnecken-Meditation angeboten …
Wem diese ganze Thematik zu glitschig ist, der kann sich immer noch mit einer Reihe von Alternativlösungen anfreunden. Das von der Schnecke gewonnene Produkt ist zwar ein Allrounder, in gewöhnlichen Feuchtigkeitscremes und Seren aber werden verschiedene natürliche oder synthetische Wirkstoffe kombiniert, die passgenau auf ein bestimmtes Hautbedürfnis zugeschnitten und in ihrer Konzentration berechenbar sind.
Normale Feuchtigkeitscreme hilft auch
Wer etwa den Feuchtigkeitsgehalt der Haut verbessern will, braucht keine antibakteriellen oder talghemmenden Inhaltsstoffe. Hier genügt eine normale Feuchtigkeitscreme, die alles Nötige mitbringt.
Als Feuchtigkeitslieferant wirken Hyaluronsäure, Glycerin und Urea. Die antioxidativen Vitamine A, E und C verlangsamen oberflächlich diskret die Hautalterung. Wundheilend und regenerierend wirkt auch Panthenol. Allantoin mildert Reizungen. Ceramide unterstützen unsere Hautbarriere. Niacinamid (Vitamin B3) und Azelainsäure sorgen für ein harmonischeres Hautbild und helfen bei der Entsorgung von Hautschuppen. Für all das muss keine Schnecke Karussell fahren.
Bleiben dafür Sie in Bewegung, und kommen Sie gesund durch die Zeit.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Meinung