"Du musst kämpfen, Johnny!" Ein Jahr auf Leben und Tod - "Du musst kämpfen, Johnny!"
Mit 14 galt Jonathan "Johnny" Heimes aus Darmstadt als Ausnahmetalent im Tennis. Dann kam die Schock-Diagnose Gehirntumor. "Du musst kämpfen", war fortan sein Motto – und wurde zu dem des Fußballvereins SV Darmstadt 98, dem Johnny eng verbunden war. Im März ist Johnny mit 26 Jahren gestorben.
Februar 2013, kurz nach Johnnys 23. Geburtstag: Der Termin im Krankenhaus sollte eigentlich nur der Kontrolle dienen. Doch die MRT-Aufnahmen zeigen Metastasen im Gehirn, der Krebs ist zurückgekehrt. Für Johnny ist es bereits das dritte Mal, dass er diese Diagnose erhält. Dennoch ist es diesmal anders, denn die Ärzte sagen, dass er nicht mehr operiert werden kann. Das einzige, was ihm helfen könnte, ist eine hochdosierte Chemotherapie und die Transplantation von Stammzellen. Der Sportler nimmt die Herausforderung an: "Gucken wir mal, wer gewinnt."
"Ein Tumor, was ist das überhaupt?"
Die letzten zehn Jahre hat Johnny gegen den Krebs gekämpft. Im Alter von 14 wurde die Krankheit erstmalig bei ihm diagnostiziert. Die Tragweite dessen, was ihm bevorsteht, ahnte er noch nicht: "Ein Tumor, was ist das überhaupt?", fragte er damals. Viel Zeit zum erklären blieb nicht, denn Jonny musste sofort operiert werden - ein Schock für die ganze Familie.
Nach zwei Wochen im Koma musste Johnny alles neu lernen: sprechen, laufen, schreiben. An Tennis war nicht zu denken. Dabei war doch gerade der Sport seine große Stärke. Als Zwölfjähriger war Johnny hessischer Jugendmeister, mit 14 sollte er zu den Weltschülerspielen. Doch der Patient Johnny griff auf das zurück, was auch den Sportler ausgezeichnet hat: Ausdauer, Ehrgeiz, Sportsgeist. Mit viel Energie kämpfte er sich zurück ins Leben, ging wieder zur Schule, machte das Fachabitur.
So wie Johnny erkranken jedes Jahr rund 1800 Kinder neu an Krebs. Die Zahl ist seit Jahren konstant. Die Überlebenschancen haben sich aber dank des medizinischen Fortschritts immer weiter verbessert.
Der Krebs kehrt zurück
Nach fünf Jahren ohne Rückfall galt Johnny als geheilt. Doch die Freude währte nur kurz, denn der Krebs kehrte zurück. Die Ärzte fanden Tumore und Metastasen in der Wirbelsäule. Wieder musste Johnny operiert werden. Zwar konnten die Geschwüre teilweise entfernt werden, als Folge der Operation konnte Johnny aber nicht mehr laufen und war auf den Rollstuhl angewiesen.
"Du musst kämpfen"
Johnny geriet das erste Mal an seine Grenzen. Er, der Sportler, zur Bewegungslosigkeit verdammt? Aber einem Freund gelang es, ihn aufzurütteln: "4:6, 4:5, 15:40, zwei Matchbälle gegen dich. Es ist noch nichts verloren, du musst kämpfen." Tatsächlich fand Johnny neue Motivation. Er schrieb ein Buch über sein Leben und rief ein Spendenprojekt für krebskranke Kinder ins Leben. Der Spruch, der ihn gerettet hat, sollte auch anderen helfen. Johnny ließ ihn auf Armbändchen drucken, die für einen guten Zweck verkauft wurden. Sogar die Fußballnationalmannschaft trug sie bei einem Länderspiel. Johnny schien es geschafft zu haben - doch der Krebs kommt erneut zurück.
Johnny will wieder laufen lernen
Johnny wird wie schon die ersten beiden Male in der Uniklinik Frankfurt behandelt. Es ist nicht sicher, ob seine vorgeschädigten Organe die neue Chemotherapie verkraften. Er soll die zehnfache Dosis erhalten und muss mit extremen Nebenwirkungen rechnen, die auch lebensbedrohlich werden können. Aber darüber will Jonny nicht reden, er verfolgt ein anderes Ziel. Johnny hat sich vorgenommen wieder laufen zu lernen. Mit Hilfe seines Vater gelingen ihm erste Schritte.
Die Therapie ist äußerst schmerzhaft
Vier Monate später: 25 Chemotherapien, sechs Wochen Bestrahlung und 18 Monate weitere Therapien hat Johnny im Verlauf der letzten zehn Jahre schon hinter sich gebracht. Nun steht die hochdosierte Chemotherapie an. Sie wird die Krebszellen zerstören, aber auch sein blutbildendes System im Knochenmark. Johnny wurden deshalb einige Wochen vor der Behandlung Blutstammzellen entnommen, von Krebszellen befreit und eingefroren. Diese erhält er jetzt zurück, in der Hoffnung, dass sie neue krebsfreie Blutzellen bilden. Dieser Prozess ist äußerst schmerzhaft. "Die Schmerzen sind so doll, dass es egal ist, ob man lebt oder nicht", erklärt Johnny.
Johnnys Optimismus wankt
Johnny liegt währenddessen in einer Isolierstation, darf nur von den Eltern besucht werden. Auch für sie ist es eine Extremsituation. "Das ist jetzt unser Schicksal, das müssen wir aushalten", sagt seine Mutter Conny und fügt hinzu: "Man ist stark in solchen Situationen."
Die Therapie setzt Johnny zu. Er muss künstlich ernährt werden, erhält Morphium. Als er nach drei Wochen die Isolierstation verlassen darf, ist er mit seinen Kräften physisch und auch psychisch am Ende. Johnnys Optimismus, der ihn so lange durch schwierige Phasen getragen hat, wankt. Trotzdem muss er die Behandlung noch zwei Mal wiederholen.
Die Hoffnung ist zurück
Als das Kamerateam Johnny erneut besucht, gibt es gute Nachrichten. Der 23-Jährige ist wieder zu Hause und kann sein Lauftraining fortsetzen. Die Behandlungen mit der hochdosierten Chemotherapie haben ihm zugesetzt, ihn aber nicht gebrochen. Wie schätzt Johnny seine Situation selbst ein? "Ich weiß, dass der Tod kommt. Ich hoffe, dass ich es noch ein bisschen rauszögern kann."
Fast ein Jahr nach der dritten Krebsdiagnose steht Johnny wieder eine MRT-Kontrolluntersuchung bevor. Die Bilder zeigen keine Auffälligkeiten - diese Runde des Kampfes geht an den Sportler Johnny. Ob der Krebs endgültig besiegt ist, weiß er jedoch nicht. Zu oft musste er sich schon mit Rückschlägen auseinandersetzen. "Ich lebe im Hier und Jetzt und genieße die Zeit."
2016 – Johnny hat bis zuletzt gekämpft
Drei Jahre lebte und kämpfte Johnny nach dieser Reportage von "37 Grad" weiter. In dieser Zeit gab er anderen Menschen Kraft und Lebensmut, gründete mit Tennisspielerin Andrea Petkovic eine Initiative für krebskranke Kinder – und er erlebte den sensationellen Aufstieg der Darmstädter "Lilien" in die Bundesliga. Zum Markenzeichen der Spieler wurden die von Johnny entworfenen blau-weißen Armbänder mit dem Spruch "Du musst kämpfen. Es ist noch nichts verloren".
Zwölf Jahre lang trotzte Johnny Heimes dem Krebs. Im März 2016 hat er den Kampf verloren. Doch sein Kampfgeist wirkt in Darmstadt weiter. Der SV Darmstadt hat seine Heimspielstätte für die Laufende Saison ihrem Fan Johnny zu Ehren in "Jonathan-Heimes-Stadion" umbenannt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.