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HomeGesundheitKolumne - Ulrike Scheuermann

Wie Sie Geduld lernen können


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Es hat viele Vorteile
Wie Sie Geduld lernen können


07.11.2021Lesedauer: 6 Min.
Egal, ob die Bahn zu spät kommt oder ein Anruf auf sich warten lässt: Mit mehr Gelassenheit lässt sich der Alltag einfacher meistern.Vergrößern des Bildes
Egal, ob die Bahn zu spät kommt oder ein Anruf auf sich warten lässt: Mit mehr Gelassenheit lässt sich der Alltag einfacher meistern. (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)

Mit Gelassenheit lässt sich Unangenehmes, Schwieriges und auch Tragisches einfacher überstehen. Leider fehlt vielen dafür die nötige Geduld. Daran können Sie aber arbeiten.

Gelassenheit hilft uns, besser zu überstehen, was wir nicht ändern können: Schicksalsschläge, schwierige Zeiten oder auch kleinere Probleme. Denn der Grashalm wächst nicht schneller, wenn man an ihm zieht – er kann dabei sogar abreißen, was einen Entwicklungsprozess verhindern kann. Wie können wir geduldiger werden, dadurch Kraft und Nerven sparen und sogar Schaden verhindern?

"Geduld ist eine Tugend" – die uns schwerfällt

Kennen Sie die Fabel mit dem langsamen Igel und dem schnellen Hasen? Der Hase verliert das Wettrennen gegen den langsamen Igel, weil dieser ihn mit einer List austrickst, während der Hase sich abhetzt und darüber keine Zeit und Kraft mehr zum Nachdenken hat, um dem Igel auf die Schliche zu kommen. Wir verhalten uns oft wie der Hase – Hauptsache schnell.

Zum Beispiel durch die Nutzung von Onlineshops und Lieferservices lernen wir, dass vieles nach ein paar Tagen oder sogar nur Minuten per Mausklick verfügbar ist. Wenngleich wir immer mal wieder erfahren, dass Langsamkeit Vorteile hat, etwa um achtsam und damit weniger gestresst zu sein, rennen wir im schnellen Tempo mit – und haben verlernt, dass Langsamkeit, Warten und Geduld zu vielen Prozessen des Lebens dazugehört. Sprüche wie "Geduld ist eine Tugend" haben wir alle schon einmal gehört und die Augen darüber verdreht.

Abwarten, Aussitzen, Aufschieben: Viele Begriffe rund um geduldiges Sich-entwickeln-Lassen sind negativ besetzt. Wie können wir von Geduld profitieren und sie wieder lernen? Am Anfang steht dabei die Frage, warum es so schwer ist, geduldig zu sein.

Die verschleierte Sorge oder was hinter der Ungeduld steht

Ich habe immer wieder Teilnehmende in meinen Seminaren oder Coachings, die gehetzt wirken, viel Zeit (mit Stress) bei der Arbeit verbringen und mit starken negativen Gefühlen darauf reagieren, wenn etwas nicht so schnell funktioniert, wie sie es wollen. Ärger, Wut, Hadern mit der Situation bis hin zu Verzweiflung werden dann zwischenmenschliche Konflikte mit noch mehr Stress, der zusätzlich belastend ist und Kraft kostet. Wenn wir die Hintergründe für Ungeduld erforschen, stoßen wir auf unangenehme und stark belastende Vorstellungen darüber, was passieren würde, wenn die ungeduldige Person warten müsste.

Zwei Beispiele: Eine Teamleiterin wartet ungeduldig und immer nervöser, schließlich ärgerlich auf die Arbeit eines Mitarbeiters. In dem Fall ist jedoch Eile gar nicht notwendig, denn es gibt keine enge Frist für die Fertigstellung. Warum kann sie trotzdem nicht in Ruhe abwarten, bis er fertig geworden ist? Was steht hinter ihrer Ungeduld? In ihrem Fall finden wir bald heraus, dass sie jedes Mal unter Druck gerät bei der Vorstellung, jemand anders würde warten, in diesem Fall ihre Chefin. Sie stellt sich vor, wie ihre Vorgesetzte sie zurechtweist, weil sie ihr Team nicht im Griff habe. Sie verbringt deshalb ganze Tage schlecht gelaunt und in Ungeduld.

Jemand anderes guckt alle paar Sekunden auf sein Smartphone, denn er wartet sehnlichst auf die Textnachrichten einer Frau, die er gerade über eine Partnervermittlungsagentur kennengelernt hat. Bei ihm steht die Angst hinter der Ungeduld, er könne ihr nicht so wichtig sein, was wiederum an seinem Selbstwert kratzen würde. Um sich solchen unangenehmen Vorstellungen und Ängsten nicht direkt stellen zu müssen, stellt er die Ungeduld davor und sucht das nicht bei sich – in den ausgeprägten Selbstzweifeln –, sondern in der fehlenden Antwort im Handy.

Detektivisch vorgehen – die Ungeduld untersuchen

Untersuchen Sie Ihre Ungeduld, indem Sie sich fragen: (Warum) muss etwas jetzt, gleich und sofort sein? Was erhoffe ich mir davon, wenn es schnell geht? Wovor habe ich Angst?

Besonders hilfreich sind dabei noch weitergehende Fragen:
Was passiert, wenn ich warten muss? Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte, wenn es länger dauert als ich hoffe?

Mit den Antworten landen Sie bei den Szenarien, die Sie sich mithilfe von Ungeduld und Getriebensein lieber nicht so genau ausmalen wollen. Wenn Sie aber mehr darüber herausfinden, wird Ihnen das in drei Richtungen helfen.

Erstens, Sie beschäftigen sich mit der Angst oder den anderen schwierigen Gefühlen, anstatt sie zu verdrängen, und weiter zu rennen und sich abzuhetzen. Dann sind Sie beim eigentlichen Problem angekommen und können es angehen. Zweitens, Sie kommen zur Ruhe und damit zu Erholung, und das kann Ihnen dabei helfen, die schwierigen Gefühle abklingen zu lassen. Und drittens, oft flauen die schwierigen Gefühle schon ab, wenn man genau hinsieht. Gerade diffuse Ängste wie die allgemeine Angst vor dem, was die Zukunft bringt, lösen sich häufig auf, wenn man sie konkret benennt und betrachtet: Die neue Bekanntschaft könnte mich nicht so wichtig finden wie ich sie? Naja, so tragisch wäre das nun auch nicht, wir kennen uns ja erst seit ein paar Tagen. Die Chefin könnte genervt reagieren, wenn sich der Abgabetermin verzögert? Bei Lichte betrachtet wäre das nicht so schlimm, wenn ich ihr erklären kann, dass sich dadurch die Qualität des Ergebnisses verbessern wird.

Was die Forschung sagt

Studienergebnisse zeigen, dass Geduld unser allgemeines Wohlbefinden fördert. Denn Geduld bedeutet gerade nicht, in Resignation oder Passivität zu verfallen. Geduld korreliert negativ mit Depressionen, das bedeutet: je geduldiger, desto weniger depressiv. Das bewusste Warten und die Gelassenheit, die Geduld meist begleiten, sorgen dafür, dass wir weniger Druck empfinden, zufriedener sind und unsere Ziele besser erreichen. Wer geduldig seine Ziele verfolgt, lässt sich seltener von ihnen ablenken und gibt nicht so schnell auf, auch wenn es schwierig wird. Frustration und Ungeduld stehen der Erreichung unserer Ziele oft im Weg und damit letztlich auch unserer allgemeinen Zufriedenheit. Zu geduldig kann man also eigentlich gar nicht sein.

Geduld gibt uns die Möglichkeit, einen Schritt zurückzutreten – und damit den Raum für eine überlegte Entscheidung zu schaffen.

Die Zeit heilt alle Wunden

Als ich vor einigen Wochen beim Laufen im Wald über eine Baumwurzel stolperte, brach ich mir zwei Rippen. Einen solchen Bruch kann man leider nicht eingipsen, und bewegen muss man sich trotzdem, denn man muss atmen und leider auch mal husten oder niesen. Ein befreundeter Osteopath gab mir aus seiner zwanzigjährigen Erfahrung mit auf den Weg: Fast alles heilt, wenn man dem Körper Zeit für die Heilung lässt.

So war es auch bei mir: Da man bei Rippenbrüchen normalerweise nichts tun kann, außer geduldig abzuwarten und sich zu schonen, blieb mir nichts anderes übrig, als Woche um Woche auf Besserung zu warten. "Die Zeit heilt alle Wunden" – es ist natürlich nicht die Zeit selbst, sondern in der Zeit heilen die Wunden, körperliche wie seelische. Es sind wir selbst mit körperlichen und psychischen Regenerationsprozessen.

So heilt beispielsweise auch jede Nacht der Schlaf emotionale Wunden, er löst Ängste und andere schmerzliche Emotionen auf. Bei all dem gilt jedoch: Diese Heilungsprozesse brauchen Zeit. Sie werden aber gestört, wenn jemand zum Beispiel von Arzt zu Ärztin rennt und sich dabei regelrecht verausgabt. Man tut dann zu viel: ständig neue Medikamente und Behandlungen ausprobieren, stundenlang im Internet recherchieren. Das alles ist stressig und anstrengend.

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Verändern Sie Ihre Zeitvorstellung

  • Gehen Sie davon aus, dass das meiste länger dauert, als Sie es gerne hätten: Der Rippenbruch heilt nicht in zwei Wochen, sondern in zwei Monaten.
  • Verabschieden Sie Glaubenssätze wie "Wenn es nicht sofort besser wird, werde ich es nie wieder los". Wer sofort Angst vor einer Chronifizierung hat, stört ebenfalls den Heilungsprozess, weil dadurch Stress entsteht, und Stress ist heilungsfeindlich.

Bringen Sie sich bei sorgenvollen oder ängstigenden Gedanken an eine schwarze Zukunft also immer wieder zurück in die Gegenwart. Was dabei hilft:

  • Da Geduld nicht Inaktivität bedeutet, können wir uns das manchmal quälende Gefühl mit anderen, erholsamen Aktivitäten vertreiben wie zum Beispiel eine Extrarunde mit dem Hund drehen, Wäsche aufhängen oder entspannt mit einem Freund plaudern: aktives Warten.
  • Wenn ein Gegenstand defekt oder eine Beziehung angeschlagen ist, könnten Sie ausprobieren, eher an "reparieren" statt an "neu anschaffen" oder "beenden" zu denken. Wie wäre es, erst einmal zu beobachten, was sich entwickelt, anstatt direkt einzugreifen? Sie könnten unerwartete Lernerfahrungen in dieser Zeit finden, anstatt sich aufs Hadern und Schimpfen auszurichten.

Entwicklungen brauchen Zeit. Lassen wir sie ihnen, auch wenn es oft schwer zu ertragen ist. Es lohnt sich, sich im Aushalten zu üben. Die Geduld wird belohnt und es geht letztlich vieles schneller.

Ulrike Scheuermann ist Diplom-Psychologin und Bestsellerautorin. Seit 25 Jahren hilft sie Menschen dabei, ihr Leben mit modernsten Methoden der Psychologie innerlich frei und ohne Blockaden besser und gesünder zu gestalten. Ihre Self-Care- und Coaching-Programme finden in ihrer Akademie in Berlin und online statt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Matthias Sutter: Die Entdeckung der Geduld: Ausdauer schlägt Talent. Ecowin, 2018
  • S.A. Schnitker: An Examination of Patience and Well-Being. The Journal of Positive Psychology, 7(4), 2012
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