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Nach Unfall in Wiesbaden: BGH betont Erste-Hilfe-Pflicht für Lehrer


Nach Schulunfall mit Hirnschäden
BGH: Erste Hilfe ist Pflicht für Lehrer im Sportunterricht

Von dpa
Aktualisiert am 04.04.2019Lesedauer: 3 Min.
Herzdruckmassage wird demonstriert: Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil im Schulunfall-Prozess gesprochen.Vergrößern des Bildes
Herzdruckmassage wird demonstriert: Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil im Schulunfall-Prozess gesprochen. (Quelle: Wolfgang Kumm/dpa)
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Ein Schüler bricht beim Sportunterricht zusammen. Die Lehrer rufen zwar den Rettungsdienst, reanimieren den Jungen aber nicht. Welche Erste-Hilfe-Pflicht haben Lehrer? Damit hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) befasst.

Er stand kurz vor dem Abitur und hatte große Pläne. Bis zu jenem Nachmittag im Januar 2013. Fünf Minuten nach Beginn des Aufwärmtrainings im Sportunterricht hört der 18-jährige Gymnasiast aus Wiesbaden mit dem Laufen auf und klagt über Kopfschmerzen. Er sackt an der Wand zusammen und ist nicht mehr ansprechbar. Die Lehrerin alarmiert den Notarzt, doch bis der kommt, vergeht wertvolle Zeit.

Acht Minuten Bewusstlosigkeit ohne jegliche Laienreanimation, heißt es später im Klinikbericht. Der Schüler erleidet schwerste Hirnschäden durch Sauerstoffmangel. Heute ist er zu 100 Prozent schwerbehindert und muss rund um die Uhr von seiner Familie betreut werden. Hätte das Schicksal des Jungen verhindert werden können?

"Keiner hat ihm geholfen"

"Es ist eine tragische Sache", so leitet der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann vor zwei Wochen die mündliche BGH-Verhandlung ein. Auf der einen Seite sitzen ihm Vertreter des hessischen Kultusministeriums gegenüber, auf der anderen Seite der Vater des Jungen. Er ringt sichtlich mit Fassung, als die entscheidenden Minuten vor dem höchsten deutschen Zivilgericht rekapituliert werden. "Das hätte so nicht sein müssen, wenn entsprechend Hilfe geleistet worden wäre. Keiner hat ihm geholfen", sagt er danach.

Sein heute 24-jähriger Sohn hat das Land Hessen wegen unzureichender Erste Hilfe-Maßnahmen verklagt. Er fordert mindestens 500.000 Euro Schmerzensgeld, gut 100.000 Euro für die Erstattung materieller Schäden, eine monatliche Mehrbedarfsrente von etwa 3.000 Euro sowie die Feststellung, dass Hessen auch für künftige Kosten aufkommen soll. Die Familie klagte, damit so etwas nie mehr in einer Schule passiere, sagt der Vater. Und: "Wir wollen, dass unser Sohn versorgt ist, wenn wir nicht mehr sind."

Klage der Familie blieb bislang erfolglos

Vor dem Landgericht Wiesbaden und dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt blieb die Klage erfolglos. Es sei nicht sicher, ob mögliche Fehler der Lehrer bei der Ersten Hilfe sich kausal auf den Gesundheitszustand des Klägers ausgewirkt hätten.

Dass nicht alles gut lief, wird bei der BGH-Verhandlung deutlich. Von einer "Verkettung unglücklicher Umstände" spricht die Anwältin des hessischen Kultusministeriums. "Ein ganz tragischer und unglücklicher Ausnahmefall." Grobe Fahrlässigkeit weist sie zurück – und auch, dass acht Minuten nichts passiert sei. Lehrer könnten nicht damit rechnen, dass ein Schüler aus heiterem Himmel plötzlich zusammenbreche.

Wiederbelebung erfolgte nicht

Die Lehrerin und ein ebenfalls anwesender Kollege waren nicht untätig: Der Junge wird nach Anweisung der Rettungsleitstelle in die stabile Seitenlage gebracht. Der Puls wird gefühlt. Doch ob der Schüler noch atmet, wird nicht kontrolliert. Es gibt weder eine Mund-zu-Mund-Beatmung noch eine Herzdruckmassage. Obwohl der Schüler nach Zeugenaussagen schon blau gewesen sei, hätten zwei Lehrer acht Minuten lang "nichts" zur Wiederbelebung getan, sagt der Anwalt des Jungen vor dem BGH.

Sein Vater, selbst lange Betriebssanitäter, versteht nicht, wie das passieren konnte. "Man kann nichts falsch machen bei einer Wiederbelebung." Das sagt auch der Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes, Peter Sefrin. Aus Furcht werde in vielen Fällen nichts getan, bis der Notarzt käme. Bis dahin würden Chancen möglicherweise vertan. Dabei, so der Mediziner, sei es das einzig Falsche, nichts zu tun.

Richter betonen Erste-Hilfe-Pflicht für Lehrer im Sportunterricht

Laut den Richtern des Bundesgerichtshofs obliege Sportlehrern die Amtspflicht, erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen. Für den Schüler ist der BGH-Spruch ein Teilerfolg. Ob die Lehrer die Amtspflicht in dem Fall verletzt haben, muss erst noch festgestellt werden.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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