Achtung, Keimfalle! Fleisch abwaschen kann gefährlich werden
Vor Keimen auf Lebensmitteln haben viele Angst. Vor allem auf Fleisch lauern Erreger. Lange hieß es: Waschen hilft. Ein Irrtum. Das Bundesinstitut für Risikobewertung klärt auf.
Lange galt die Regel: "Waschen Sie Ihr Fleisch vor der Verarbeitung, um die Keimlast zu verringern." Das ist inzwischen Schnee von gestern. Denn durchs Waschen wird alles noch viel schlimmer. t-online.de Gesundheitsredakteurin Larissa Koch hat den Mikrobiologen Dr. Niels Bandick vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) dazu befragt.
Herr Bandick, inzwischen wurde die Empfehlung, Fleisch zu waschen, von der Wissenschaft verworfen. Warum?
Niels Bandick: Wir raten mittlerweile davon ab, Fleisch zu waschen. Die Mikrobiologen in unserem Haus wissen, welche Keime wir auf der Oberfläche von beispielsweise Geflügelfleisch erwarten können.
Welche sind das und wie kommen diese aufs Fleisch?
Das sind häufig Darmbakterien, die bei der Entnahme der Organe des Tieres auf das Fleisch gelangt sind. Auch bereits während der Haltung kann es passieren, dass Keime von Ausscheidungen auf die Oberfläche der Tiere gelangen.
Insofern klingt es ja plausibel, diese Keime durch Waschen des Fleisches zu minimieren.
Ja, auf den ersten Blick schon. Früher haben wir das empfohlen, um Keime zu reduzieren. Wir machen hier im Haus ja auch viele Untersuchungen, die sich mit Kreuzkontaminationen befassen. Dabei haben wir in die Küche des Verbrauchers geschaut, um herauszufinden, wo Infektionsgefahren lauern.
Wie kommt der Keim, der vorher im Hühnchen war, später in den Salat? Wir haben den Weg verfolgt. Das kann eben dann passieren, wenn man Geflügel wäscht. Wenn man sich das vorstellt, dass das Fleisch unter den Wasserhahn gehalten wird, spritzt das Wasser natürlich auch. Dieses Spritzwasser, diese Tröpfchen, die sich dann in der gesamten Spüle und drum herum weit verbreiten, enthalten dann möglicherweise Keime. Wir haben das in Versuchen visualisiert, indem wir Keime auf der Fleischoberfläche durch eine fluoreszierende Flüssigkeit dargestellt haben. Beim Waschen des Fleisches unter UV-Licht konnten wir sehr gut sehen, wie stark sich die Tröpfchen im Spülbecken verteilt haben.
Dann sollte man Fisch natürlich auch nicht waschen, oder?
Tja, da weichen wir ein bisschen von unserer Empfehlung, Lebensmittel tierischen Ursprungs nicht zu waschen, ab. Weil wir natürlich auch sehen, dass Fisch häufig von einer Schleimschicht bedeckt ist, die manchmal unangenehm riecht. Und sie führt dazu, dass der Fisch schwierig zu fassen ist beim Verarbeiten. Da empfehlen wir dann doch, dass der Verbraucher den Fisch wäscht, bevor er ihn weiterverarbeitet. Wir raten natürlich aber zum gründlichen Saubermachen der Spüle. Das geht am besten, indem man sie mit kochend heißem Wasser flutet und ordentlich mit Spülmittel schrubbt und die Hände wäscht.
Pflanzliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse sollten übrigens in jedem Fall gründlich gewaschen werden.
Welche Keime sind das, die uns in der Küche gefährlich werden können?
Das ist insbesondere Campylobacter – ein Darmkeim, der besonders beim Geflügel vorkommt und beim Menschen Durchfallerkrankungen auslösen kann. Die Pute oder das Huhn lebt dagegen problemlos mit diesem Keim. Bei uns kann es dagegen sogar zu schweren Durchfallerkrankungen mit bleibenden Schäden, wie reaktive Gelenksentzündungen, führen. Die Daten, die das Robert Koch-Institut in seinen Berichten regelmäßig herausgibt, belegen auch: Die Zahlen der Campylobacteriosen – also die Infektion mit diesem Bakterium – liegen auf einem hohen Niveau.
Salmonellen, die auch über Geflügel übertragen werden, gehen dagegen glücklicherweise in letzter Zeit zurück. Denn inzwischen werden bereits vor der Schlachtung verschiedene Maßnahmen ergriffen, so dass sich Salmonellen nicht verbreiten können. Die Tiere werden zum Beispiel geimpft. Gegen den Darmkeim Campylobacter greifen die meisten solcher Maßnahmen dagegen nicht. Deshalb finden wir diesen Erreger oft auf Geflügel.
Wie häufig ist unser Fleisch mit Keimen befallen?
Es gibt in Deutschland regelmäßig bundesweit ein sogenanntes Zoonose-Monitoring. Dabei werden Proben verschiedener Lebensmittelgruppen genommen. Die Zoonose-Daten haben gezeigt, dass zwischen 20 und 55 Prozent des Geflügels den Keim Campylobacter enthalten. Heißt, über ein Drittel des Geflügelfleisches im Handel trägt diesen Erreger.
Was empfehlen Sie Verbrauchern nun?
Unser Ansatz ist: Der mögliche Schaden ist größer als der Nutzen, wenn man Geflügel unter fließendem Wasser wäscht. Wir empfehlen, wenn Geflügel noch Federreste hat, Blut, Organe oder Organreste sollte man das Fleisch in diesen Fällen mit Küchenpapier gründlich sauber machen.
Wie steht es um andere Fleischsorten und Lebensmittel?
Bei allen Lebensmitteln muss mit Keimen gerechnet werden. Sie können immer vorkommen – insbesondere bei Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs. Dabei handelt es sich meist um Keime, die während der Verarbeitung auf die Oberfläche von Lebensmitteln gelangen können. Lebensmittel sind nie steril. Das wäre auch nicht gesund für uns. Denn Keime trainieren unser Immunsystem. Zu finden ist auf unserem Essen daher das ganze Spektrum aller Keime, die im Darm vorkommen können: Von E. coli über Salmonellen bis hin zu Staphylokokken. Diese Bakterien kommen am Tier vor und somit besiedeln sie auch unser Essen. Die Kunst ist nun, die Zahl möglichst gering zu halten.
Und wie schaffe ich das als Verbraucher?
Das wichtigste ist eine strenge Hygiene zu Hause in der Küche. Rohes Fleisch, Fisch oder Eier sollten immer getrennt von anderen Lebensmitteln verarbeitet werden. Auf dem Schneidebrett, welches für Fleisch verwendet wurde, sollte nicht hinterher Rohkost oder Salat geschnitten werden. Denn so wird der Verbraucher leicht ein Patient.
Wer rohe Lebensmittel berührt hat, sollte zum Beispiel nicht achtlos zum Kühlschrank gehen und den Griff anfassen oder sich auf der Arbeitsplatte abstützen, wo dann später das Gemüse oder der Salat abgelegt wird. Nach dem man in Berührung mit rohen Nahrungsmitteln gekommen ist, sollten immer die Hände gründlich gewaschen werden.
Lebensmittel, die gekühlt werden müssen, sollten möglichst nur kurz Zimmertemperatur ausgesetzt sein. Fleisch, Fisch und Eier sollten gut durchgegart werden, damit gefährliche Keime absterben. Jeder muss seinen Teil beitragen. Hier gibt es noch Defizite beim Kenntnisstand der Verbraucher. Vor allem junge Leute wissen oft nicht, wie sie hygienisch mit Lebensmitteln umgehen. Wir machen deshalb auch umfangreiche Verbraucheraufklärung.
Gut durchgaren, sagen Sie. Heißt das, ein Steak medium oder blutig ist tabu?
Blutig sollte es tatsächlich nicht mehr sein, dann ist die Gefahr, dass etwaige Keime überlebt haben, recht groß. Bei Medium ist die Frage, wie man das definiert. Wenn der Fleischsaft nicht mehr blutig ist, können Sie das Steak als sicher betrachten. Kleine Kinder, ältere Menschen, Immungeschwächte oder Schwangere sollten dagegen Fleisch und Fisch immer gut durchbraten.
Wäre nicht die Lösung aller Probleme das sogenannte Chlorhühnchen? In den USA ist es ja üblich, Geflügel vor dem Verkauf mit Chorlösung zu behandeln, um alle Keime abzutöten, warum nicht hier?
Diese Art der Vorbehandlung ist für den Verbraucher zwar völlig unschädlich, denn die Menge an Chlor, die auf dem Fleisch zurückbleibt, ist äußerst gering. Aber die Deutschen Verbraucher lehnen das sogenannte Chlorhühnchen ab, wie wir von Verbraucherschutzorganisationen erfahren haben. Zudem ist eine Behandlung mit Chlor nach deutschem Lebensmittelrecht nicht zugelassen. Wir propagieren gegenüber den Herstellern, die Prozesse so sicher zu gestalten, dass die Keimbelastung so gering wie möglich ist. Darüber hinaus muss sich jeder selbst vor Erregern schützen.
Haben die USA denn insgesamt oder in Krankenhäusern weniger Keime, weil sie Chlor einsetzen?
Nein, haben sie nicht.
In den Medien sind Erreger und vor allem multiresistente Keime immer wieder ein großes Thema. Haben wir davon heute mehr als früher?
Wahrscheinlich hatten wir die früher auch, aber da wurde das nicht so genau untersucht wie heute. Sicherlich verschiebt sich das Muster der Resistenzen. Das ist der Lauf der Natur. Wir kommen aber zu der Einschätzung, dass es schon immer so viele Keime und Resistenzen gab.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.