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Antibiotika im Fleisch – wie schlimm ist es wirklich?


Arzneimittelrückstände
Antibiotika im Fleisch – wie schlimm ist es wirklich?

t-online, Larissa Koch

Aktualisiert am 27.07.2017Lesedauer: 4 Min.
Antibiotikaeinsatz in der Tiermast ist der Normalfall.Vergrößern des Bildes
Antibiotikaeinsatz in der Tiermast ist der Normalfall. (Quelle: artisteer/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Vor Lidl-Filialen in ganz Deutschland steht in diesen Tagen ein gigantisches Steak aus Plastik. Greenpeace macht in gewohnt öffentlichkeitswirksamer Manier Furore um Antibiotika in unserem Fleisch. Und die Supermarktkunden dürfen sich selbst überzeugen: Mit einer Schwarzlichtlampe können sie Rückstände in Koteletts und Hähnchenkeulen erspähen.

Arzneimittelrückstände in tierischen Lebensmitteln sind immer wieder ein großer Aufreger, der durch die Republik geht. Greenpeace will mit seiner Aktion deutlich machen, dass zu viel Antibiotika in der Massentierhaltung eingesetzt werden. Denn so entstehen immer auch Bakterien, die resistent werden gegen die Arzneimittel und diese bereits resistenten Keime können sich vermehren.

Wie steht es um Rückstände von Antibiotikum im Fleisch?

Greenpeace beleuchtet mit der Schwarzlichtlampe Fleischproben, die Knochen enthalten. Denn diese Form von UV-Licht ist in der Lage, in Tierknochen eingelagerte Tetrazykline zu ermitteln. Tetrazykline sind Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten. Wie der Lebensmittelexperte Jochen Wettach von der Stiftung Warentest im Gespräch mit der Gesundheitsredaktion von t-online.de sagte, sind eingesetzte Antibiotika noch lange danach im Tierknochen nachweisbar. Der Verbraucherschützer betont aber auch: „Die Antibiotika sitzen fest im Knochen drin.“ In das Fleisch würden die Medikamente dagegen nicht übergehen. Selbst das Auskochen eines Knochens könne das Antibiotikum nicht lösen. Das bedeutet im Ergebnis: Die von Greenpeace im Schwarzlicht dingfest gemachten Antibiotika befinden sich nicht im Fleisch und gelangen auch nicht dort hinein. Die Methode ist daher ausschließlich dazu geeignet, den Verbrauchern zu zeigen, dass das beleuchtete Schwein oder Huhn früher Antibiotika bekommen hat. Immerhin.

Wie viel Antibiotikum bekommen unsere Nutztiere?

Viel. Das kann man nicht beschönigen. Ein Hähnchenmastbetrieb mit 40.000 Hühnern unter einem Dach ist keine Seltenheit. "In der Massentierhaltung können Sie nicht ein einzelnes krankes Huhn herauspicken, weil die Gefahr zu groß ist, dass die Erkrankung auf den gesamten Bestand übergeht", erklärt Wettach von der Stiftung Warentest. Es wird deshalb Antibiotikum ins Tränkewasser der Hühner gegeben, an dem alle ihren Durst löschen. ABER! Diese Hühner – für alle anderen Schlachttiere gilt das gleiche – dürfen so lange nicht in den Handel, bis sie die Antibiotika im Körper abgebaut haben. Es gibt deshalb festgelegte Wartezeiten, bevor das Tier geschlachtet und verkauft werden darf. Der Kunde bekommt insofern davon in aller Regel überhaupt nichts ab.

Die Behörden finden kaum Rückstände von Arzneimitteln

Fleisch und Lebensmittel tierischer Herkunft werden in Deutschland sehr streng überwacht. In engen Abständen werden große Mengen von Fleisch in allen Lebensmittelüberwachungsbehörden der Bundesländer im Labor umfangreich geprüft. Und das was an Rückständen gefunden wird, liegt laut Jochen Wettach "im Promillebereich". So erklärt auch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf seiner Internetseite folgendes: "Der Anteil der Lebensmittel tierischer Herkunft mit Rückständen pharmakologisch wirksamer Stoffe liegt weit unter einem Prozent und ist damit sehr gering." Es gab bundesweit eine Vielzahl von Untersuchungen, die zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam. Auch die Stiftung Warentest selbst hat Fleischproben geprüft und ist dabei in Sachen Antibiotika nicht fündig geworden.

Zusammengefasst heißt das: Es gibt nur sehr selten Fälle, in denen die Überwachungsbehörden Rückstände von Antibiotika und anderen Arzneimitteln finden, die eine Wechselwirkung zwischen dem Medikament und Körperzellen oder einzelnen Bestandteilen von Zellen hervorrufen.

Wie schützt man sich ganz sicher vor der Aufnahme von Antibiotika?

Die bayerische Überwachungsbehörde rät Verbrauchern folgendes: "Um einer eventuell 'vermehrten Aufnahme' dennoch aus dem Weg zu gehen, sollten vor allem Innereien nicht häufig verzehrt werden. Leber und Niere sind 'Filterorgane' und weisen bei Vorliegen von Rückständen in der Regel höhere Rückstandsmengen auf als die Muskulatur." Das heißt im Klartext: Ziehen sie Muskelfleisch vor. Lassen Sie Niere, Leber und Co. besser links liegen.

Und am allerbesten ist es, auf Biofleisch sowie Milch und Eier umzuschwenken. Denn Tiere aus ökologischen Betrieben dürfen nur in Ausnahmefällen mit Antibiotika behandelt werden. Muss das Medikament doch mal eingesetzt werden, ist das Tier für die Bio-Fleischtheke tabu. Es darf dann nur noch für den konventionellen Handel verwendet werden – und auch hier gelten natürlich die Sicherheitsabstände, damit das Arzneimittel im Körper des Tieres abgebaut wurde, bevor es geschlachtet wird. Biobetriebe können es bewerkstelligen, auf derlei Medikamente zu verzichten, denn sie pferchen nicht solche Massen an Tieren in einen Stall. Die Situation bleibt somit überschau- und beherrschbar.

Sind Antibiotika demnach unproblematisch?

Keineswegs! Greenpeace weist mit seiner Kampagne zu Recht darauf hin, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast ein Riesenproblem ist. Auch wenn wir von der Arznei selbst in unseren Lebensmitteln kaum noch etwas abbekommen, ist der umfangreiche Einsatz dennoch folgenreich: Es entstehen nämlich immer mehr Resistenzen gegen Antibiotika. Insofern entwickeln sich mehr und mehr Keime, die wir nicht mehr bekämpfen können. Und diese Keime finden sich zuhauf auf der Oberfläche unseres Fleisches. Das haben unzählige unabhängige Prüfungen immer wieder gezeigt.

Mit jedem Antibiotikaeinsatz riskiere man, dass sich Resistenzen bildeten, erklärt Wettach. "Das größere Problem für den Verbraucher ist nicht, dass er durch mit Antibiotika belastete Lebensmittel in seinem eigenen Verdauungstrakt Resistenzen züchtet, sondern, dass er sich die bereits resistent gewordenen Keime über Lebensmittel in seine Küche holt", erklärt Wettach.

Krankenhauskeime führen jährlich zu tausenden Infektionen und Todesfällen

Die Verbreitung von multiresistenten Bakterien stellt vor allem für Kliniken eine Gefahr dar, weshalb auch von "Krankenhauskeimen" die Rede ist. Denn die schwer beherrschbaren Bakterien sind ein Risiko für Menschen mit geschwächtem oder noch nicht ausgereiftem Immunsystem: Das sind alte und oder kranke Personen, Schwangere und Kleinkinder. Gehen die wirksamen Mittel aus, können sie daran sterben. Schätzungen zufolge sind in Deutschland jährlich 15.000 Todesfälle auf Krankenhauskeime zurückzuführen. Jeder Gesunde kann dagegen mit multiresistenten Keimen im Darm sehr gut leben, ohne jede Beeinträchtigung.

Wie schütze ich mich vor multiresistenten Keimen?

Damit Antibiotika nicht unwirksam werden, ist es sehr wichtig, sorgsam mit der Arznei umzugehen. Jeder einzelne kann dazu beitragen, wenn er folgendes beachtet:

  • Kaufen Sie Fleisch aus ökologischer Landwirtschaft, nicht aus Massentierhaltung.
  • Ein Antibiotikum sollte nur verwendet werden, wenn der Arzt es ausdrücklich empfiehlt. Erkältungsinfekte werden von Viren ausgelöst – Antibiotika sind hiergegen machtlos.
  • Achten Sie auf ausreichende Hygiene in Ihrer Küche. Waschen und trocknen Sie das Fleisch vor der Verarbeitung und halten Sie es streng getrennt von frischen Lebensmitteln, die nicht erhitzt werden, wie Rohkost.
  • Braten Sie das Fleisch komplett durch. So werden sämtliche Keime abgetötet.
  • Kühlen Sie Lebensmittel mit Fleisch gut, so verhindern Sie die Vermehrung von Bakterien.
  • Verzichten Sie auf rohes Fleisch wie Mettwurst und Hackepeter.
Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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