"Schurkenstaaten fernhalten" Industrie warnt vor Zugriff Chinas auf Windenergie
Aus der Industrie kommen Warnungen vor einer Abhängigkeit von China bei der Windenergie. Das Land liefert viele Komponenten.
In Deutschland und den Niederlanden wächst die Sorge vor einem Zugriff chinesischer Firmen auf die europäischen Windenergienetze. Holger Berens, Vorstandschef des Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infrastrukturen, fordert im "Spiegel" deshalb klare Regelungen zum Schutz der Energienetze – nach dem Vorbild des im vergangenen Jahr verschärften IT-Sicherheitsgesetzes, das den chinesischen Ausrüster Huawei faktisch vom Bau der 5G-Netze ausschloss.
"Schurkenstaaten, die Menschenrechte verletzen" müssten benannt und von den Kernbereichen kritischer Infrastruktur ferngehalten werden, sagte Berens dem "Spiegel".
Der Bundestag hatte am Donnerstag ein umfangreiches Gesetzespaket für einen schnelleren Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne in Deutschland beschlossen. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte, das Paket sei das größte im Energiebereich der letzten Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte. Damit würden notwendige und dringend erforderliche Veränderungen umgesetzt. Die Windenergie soll ausgebaut werden, zwei Prozent der gesamten Bundesfläche sollen für Windräder an Land ausgewiesen werden, das ist mehr als eine Verdoppelung.
China liefert große Teile der Infrastruktur
Tim Holt, Vorstand von Siemens Energy, erklärte dem Spiegel, das Problem, vor dem die Ampelkoalition stehe. "Die Bundesregierung steht vor der schwierigen Frage, wie sie beschleunigte Energiewende und den Schutz kritischer Infrastruktur in Einklang bringt", so Holt.
Zwei Drittel der 15 größten Hersteller von Windturbinen kommen dem Bericht nach aus China. Und auch bei der Infrastruktur – Umspannwerken, Konvertern und Hochspannungsleitungen – führt offenbar an den Chinesen kaum ein Weg vorbei. Deutschland fürchtet deshalb eine wachsende Abhängigkeit, zumal in der Netzinfrastruktur sensible Software steckt.
Nach einem Bericht der Tagesschau wurden europäische Produktionen in der Vergangenheit zunehmend zurückgefahren. Im April 2021 schloss der dänische Hersteller Vestas sein deutsches Werk für Windkraft-Rotoren. Der deutsche Konkurrent Nordex kündigte an, seine Produktion in Rostock stillzulegen. Der Transport solcher Rotorblätter, bis zu 80 Meter lang, ist extrem aufwändig. Enercon, der größte deutsche Anbieter, hatte seine Produktionsanlagen in Aurich und Magdeburg schon in den vergangenen Jahren geschlossen, produziert immerhin noch in der Türkei und in Portugal – aber vor allem eben auch in Asien und Südamerika. Der Transport von Rotoren ist aufwändig, sowohl was Logistik als auch was die Kosten angeht.
Notbremse in den Niederlanden
Die niederländische Regierung hatte kürzlich zwei Gesetze auf den Weg gebracht, um chinesische Bewerber aus einem Großprojekt für die Anbindung von Offshore-Windparks an das Stromnetz herauszuhalten. Die Regelungen sollen es dem staatseigenen Netzbetreiber Tennet ermöglichen, nationale Sicherheitsinteressen stärker zu gewichten und chinesische Firmen auszuschließen.
Untätig ist die Bundesregierung nicht. Die Koalition hat in das neu gefasste Windenergie-auf-See-Gesetz einen Passus aufgenommen, wonach Bieter von Ausschreibungen ausgeschlossen werden können, wenn die Bundesnetzagentur die Sicherheit Deutschlands für gefährdet hält. Entsprechende kritische Infrastrukturkomponenten sollen allerdings erst bis Mai 2023 definiert werden.
- Vorabmeldung des Spiegel
- tagesschau.de: Die neue Abhängigkeit von China (Stand 9. Juli 2022)