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Dieter Bohlen: Russland-Aussagen im Fakten-Check –hier erzählt der Pop-Titan Quatsch


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Bohlen-Aussagen über Russland
Nicht mehr als heiße Luft


Aktualisiert am 14.10.2022Lesedauer: 6 Min.
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Shitstorm für Poptitan: Dieter Bohlen hat öffentlich gegen die russischen Sanktionen und die deutsche Politik gehetzt. (Quelle: t-online)

Poptitan Dieter Bohlen ist davon überzeugt, dass die Sanktionen gegen Russland nichts bewirken und Diplomatie der bessere Weg sei. Kann das stimmen?

Die Deutschen sollten im Winter nicht frieren oder Energie sparen müssen, findet Musikproduzent und Musiker Dieter Bohlen. Das alles ließe sich seiner Ansicht nach verhindern, wenn mit Russland verhandelt würde, anstatt Sanktionen zu verhängen.

Die Aussagen stammen von der Unternehmerkonferenz "Founder Summit 2022", die Ende August in Wiesbaden stattgefunden hat. Neben Karrieretipps und Schwänken aus seinem Leben bezog Bohlen dabei auch zum Ukraine-Krieg Stellung.

Im Saal gab es damals dafür viel Applaus. Doch nachdem Ausschnitte des Auftritts nun im Netz für Diskussionen sorgen, reagierte nicht nur Wladimir Klitschko, der Ex-Boxweltmeister und Bruder des Bürgermeisters von Kiew, mit deutlicher Kritik.

Doch hat Bohlen mit seinen Aussagen recht? t-online gibt Ihnen den Überblick:

Wie wirksam sind Sanktionen?

Inwiefern die Sanktionen gegen Russland wirken, sorgt seit Monaten für Diskussionen.

Mehrere Studien zeigen allerdings: "Der Rückzug internationaler Firmen und die Sanktionen wirken verheerend auf die russische Wirtschaft", schreiben etwa Forscher der renommierten US-amerikanischen Universität Yale.

So sei die heimische Produktion in Russland "komplett zum Stillstand gekommen" und habe nicht die Kapazitäten, "verlorene Firmen, Produkte und Talente" zu ersetzen. Die mehr als 1.000 abgewanderten ausländischen Unternehmen hätten bislang allein etwa 40 Prozent zum russischen Bruttoinlandsprodukt beigetragen. (Mehr zu der Studie lesen Sie hier.)

An den Aktienmärkten macht sich das im russischen Aktienindex Moex bemerkbar. Dieser ist seit Februar von mehr als 3.500 auf rund 1.900 Punkte gefallen.

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Die Forscher sprechen darüber hinaus eine Warnung aus: "Seit dem Überfall auf die Ukraine lässt der Kreml ungünstige Wirtschaftsdaten immer häufiger unter den Tisch fallen und veröffentlicht vor allem solche, die seine Linie stützen", schreiben die Forscher im Fachmagazin "Social Science Research Network". "Die Annahme, die russische Wirtschaft sei besonders widerstandsfähig, ist schlicht eine Lüge."

Auch die Bundesregierung ist der Meinung, dass die Sanktionen wirken. Im August – also zum Zeitpunkt von Bohlens Äußerungen – antwortete das Bundeswirtschaftsministerium auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Sören Pellmann:

"Die Sanktionen treffen die russische Wirtschaft empfindlich und werden weitere Wirkung entfalten. Seriöse Berechnungen prognostizieren eine Rezession in Russland, das heißt eine Reduktion des russischen Bruttoinlandsprodukts in einer Spanne von sechs bis 15 Prozent für das Jahr 2022." Der Rat der EU geht von einem Rückgang des russischen Bruttoinlandsprodukts um "mehr als elf Prozent" aus.

Darüber hinaus haben sich viele westliche Firmen seit Februar aus Russland zurückgezogen. Für manche Produkte lässt sich auch in Russland Ersatz finden, wie etwa für Burger und Pommes von McDonald's (wie es in den Filialen des russischen Nachfolgers aussieht, sehen Sie hier). In anderen Bereichen fällt das deutlich schwerer: Siemens etwa liefert keine Ersatzteile mehr, was zum Problem für die U-Bahnen werden kann. Auch in der Luftfahrt drohen Russland wichtige Ersatzteile auszugehen. Die Sanktionen zeigen also Wirkung, aber eher mittel- und langfristig.

Warum ist der Rubel so stark?

Als Beispiele für die unwirksamen Sanktionen führt Bohlen den hohen Rubelkurs an, während der Euro an Wert verloren habe. Tatsächlich hat sich die russische Währung in den vergangenen Monaten gut gefangen, sogar mehrjährige Höchststände erreicht.

Auf den ersten Blick widerspricht das wirksamen Sanktionen. Doch die Sanktionen zielen darauf ab, Russlands Wirtschaft langfristig einzuschränken und vom Weltmarkt zu isolieren. An den Finanzmärkten ist das bereits passiert, etwa durch den Ausschluss aus dem Zahlungsnetzwerk Swift.

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Dass der Rubel dennoch so hoch im Kurs liegt, hängt vor allem mit den Maßnahmen der russischen Notenbank zusammen. Mit Kapitalkontrollen verhinderte sie zuerst, dass die Russen panikartig ihr Vermögen in andere Währung umtauschten oder außer Landes brachten. Als der Rubel kurz nach dem Kriegsbeginn sukzessive fast 50 Prozent an Wert verlor, erlebten die Banken einen starken Ansturm. Danach verhinderte die Bank, dass die Russen ihr Geld in andere Währungen tauschen.

Im Anschluss hob die Notenbank den Leitzins massiv an, um so das Vertrauen der Bevölkerung in die eigene Währung zu stärken. In einem letzten Schritt zwang Russland den Westen, die Energielieferungen in Rubel zu bezahlen, was wiederum für eine Stärkung sorgte. Der Euro hingegen ist durch die stark gestiegenen Energiepreise und die hohe Inflation geschwächt.

Der Rubel ist also aktuell keine Währung, die sich unter den Bedingungen eines freien, funktionierenden Devisenmarkts gebildet hat. Stattdessen ist vor allem die russische Notenbank für die scheinbar stabile Währung verantwortlich. Ein Zeichen, dass die Sanktionen den Rubel stärken, ist der aktuelle Wert jedenfalls nicht.

Können Friedensverhandlungen den Krieg beenden?

Statt der Sanktionen hätte Bohlen es lieber gesehen, "man hätte sich vernünftig an einen Tisch gesetzt". Ähnliche Forderungen hatten auch schon andere Prominente gestellt. In einem offenen Brief hatten unter anderem Philosoph Richard David Precht, die Schriftstellerin Juli Zeh und der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar einen "konzertierten Vorstoß" für Verhandlungen gefordert.

Wie genau das gelingen soll, ließ dieser Brief ebenso offen wie Bohlen in seinem Statement. Denn: Bislang hat sich Russland nicht ernsthaft zu Verhandlungen bereiterklärt. Vertreter der russischen Regierung betonen immer wieder ihre Gesprächsbereitschaft, ohne aber von ihren eigenen Zielen abzuweichen. Das wird auch dadurch deutlich, dass westliche Politiker wie Olaf Scholz oder Emmanuel Macron immer wieder mit Putin telefonieren, ohne dass es bisher zu Fortschritten gekommen ist.

Für Bohlen steht offenbar etwas anderes im Mittelpunkt, wenn er sich für Verhandlungen ausspricht. Dann bräuchte es den "ganzen Firlefanz" nicht mehr, sagt er und meint damit konkret hohe Heizkosten und Aufrufe zum Energiesparen.

Russland ist für Gaslieferstopp verantwortlich

Doch ganz so einfach ist auch das nicht: Deutschland und andere westliche Staaten haben zwar Sanktionen gegen Russland verhängt, Gas war davon aber ausgenommen. Tatsächlich hat Russland selbst die Lieferungen über die verschiedenen Pipelines nach und nach eingestellt.

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Offiziell schiebt Russland bei der wichtigsten Pipeline Nord Stream 1 technische Probleme vor. Die Bundesregierung glaubt, dass Russland diese Ausrede nutzen wollte, um seine Macht zu demonstrieren und eventuell die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu erzwingen. Das glückte nicht.

Die Lage hat sich sogar noch verschärft: Anfang Oktober wurden gleich mehrere Lecks an beiden Pipelines gefunden. Dass es sich um Zufall und Materialversagen handelt, wird mittlerweile ausgeschlossen. Wer für die Sabotage verantwortlich ist, wird derzeit ermittelt.

Der Verkauf von russischem Gas nach Asien für viel Geld, wie Bohlen es unterstellt, funktioniert unterdessen auch nicht so einfach. Denn das Gas für den europäischen und den asiatischen Markt wird an unterschiedlichen Stellen gefördert und hängt an verschiedenen Pipelinenetzen. Umleiten ist nicht möglich, da der Ausbau des Verbindungsstücks bislang nicht fertiggestellt wurde. Stattdessen verbrennt Russland große Mengen Gas direkt an der Grenze zu Finnland. (Mehr zu Russlands Gas-Bluff lesen Sie hier.)

Gas ist an den Energiebörsen so teuer, weil insgesamt weniger auf dem Markt verfügbar ist. Gleichzeitig ist das russische Handeln unberechenbar geworden, die Trader schlagen diese Unsicherheit in Form von weiteren Risikoaufschlägen auf den Preis auf.

Studienabschlüsse bei den Grünen

Auch einen Seitenhieb gegen die Politik kann sich Bohlen nicht verkneifen. Gefragt, ob er selbst in die Politik gehen würde, stöhnt Bohlen. Er hätte nichts gegen die Grünen, sagt er, aber "diese ganze Führungsriege hat weder einen Berufsabschluss oder wer weiß was". Deshalb könne er deren Äußerungen zum Thema Fachkräftemangel gar nicht ernst nehmen. Danach leitet er über zu den Sanktionen, ein großer thematischer Sprung, den Bohlen somit aber rhetorisch verbindet – und suggeriert, dass kein entsprechendes Fachwissen vorhanden sei.

Doch stimmt das überhaupt, was er über die Abschlüsse grüner Politiker sagt?

Das Wort Führungsriege klingt nach einer größeren Gruppe an Menschen. Tatsächlich gibt es in Parteien eine ganze Reihe an Amtsträgern. Die Geschäfte einer Partei führen dabei die Bundesvorsitzenden. Im Fall der Grünen sind das Ricarda Lang und Omid Nouripour. Tatsächlich haben beide ihr jeweiliges Studium abgebrochen, um hauptberuflich Politik zu machen.

Damit ist die "Führungsriege" aber wohl kaum erschöpft, schließlich sind die Grünen Teil der Ampelkoalition und stellen fünf Minister im Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz. Hier können sowohl Wirtschaftsminister Robert Habeck (Doktor in Philosophie), Außenministerin Annalena Baerbock (Master in Public Law), Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Diplom-Sozialpädagoge), Familienministerin Lisa Paus (Diplom-Volkswirtin) als auch Umweltministerin Steffi Lemke (Diplom-Agraringenieurin) mit Abschlüssen an Universitäten aufwarten. Gleiches gilt für die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag: Katharina Dröge ist Diplom-Volkswirtin, Britta Haßelmann ist Diplom-Sozialarbeiterin.

Verwendete Quellen
  • Twitteraccount von Vitali Klitschko
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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