Sechsstellige Kosten Straßenausbaubeiträge: Das ungeahnte Risiko für Hausbesitzer
Das Haus ist gebaut und vielleicht auch abbezahlt. Man könnte sich ruhig zurücklehnen, doch dann flattert ein Gebührenbescheid über Tausende Euro ins Haus. Für die Sanierung der Straße, die am Haus vorbeiführt und die jeder nutzen darf.
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Das ist wohl für jeden Hausbesitzer ein wahrer Alptraum: Im Briefkasten landet ein Gebührenbescheid über 217.000 Euro – als "Straßenausbaubeitrag". Getroffen hat es einen Bauern in Schleswig-Holstein. Das war 2012. Das Verwaltungsgericht minderte die Summe 2017 auf 189.000 Euro. Auch dagegen wehren sich der Bauer mit seiner Frau. Über die Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig noch nicht entschieden, geschweige denn in der Sache.
Der Straßenausbaubetrag – fast eine deutsche Spezialität
Das ist kein Einzelfall, sondern ein Problem, das viele Wohnungs- und Hauseigentümer in Deutschland treffen kann. Wird eine Straße verbreitert oder erhält sie einen Bürgersteig mit Beleuchtung, können den Anliegern "Straßenausbaubeiträge" (SAB) drohen.
Straßenausbaubetrag: Wer ein Haus baut, benötigt eine Straße. Dafür fallen Erschließungskosten an, die der Hausbauer zu bezahlen hat. Sind Reparaturen an der Straße erforderlich, werden diese von der Kommune aus Steuermitteln getragen. Für eine grundlegende Sanierung wird hingegen wieder der Anlieger zur Kasse gebeten – in Form des Straßenausbaubetrages.
Das Risiko, zum Empfänger eines solchen Gebührenbescheids zu werden, hängt von der Gemeinde und dem Bundesland ab. Nach Auffassung des Städte- und Gemeindebundes seien die Straßenausbaubeiträge jedoch für die Aufrechterhaltung der kommunalen Infrastruktur erforderlich.
Die Kosten für den Straßenausbaubetrag
Die Höhe der Kosten hängt von dem Anteil des Fremdenverkehrs auf der Straße ab. Dabei wird unterschieden zwischen einer Anliegerstraße, einer Haupterschließungsstraße oder einer Hauptverkehrsstraße. Je geringer der Fremdverkehr, desto höher die prozentuale Beteiligung der Anlieger an den Gesamtkosten. Diese sind im Übrigen nicht auf die Mieter umzulegen.
Aufteilung der Kosten: Rechtliche Grundlage für den Straßenausbaubeitrag sind die Kommunalabgabengesetze der Bundesländer. Wie die Kosten zwischen der Kommune und den Anliegern aufgeteilt werden, ist in der jeweiligen kommunalen Straßenausbausatzung geregelt.
Wer den Straßenausbaubeitrag zahlen muss und wer nicht
In Deutschland gibt es keine einheitliche Regelung. Ob Wohnungs- oder Hauseigentümer Straßenausbaubeiträge zahlen müssen, hängt vom Bundesland oder der jeweiligen Gemeinde ab. In den 16 Ländern geht der Trend dahin, die umstrittenen Beiträge abzuschaffen, zu deckeln oder durch wiederkehrende Beiträge deren Höhe zumindest geringer zu halten. Bürgerinitiativen fordern die Rote Karte für die Abgabe.
Keine Straßenausbaubeträge erheben:
- Hamburg
- Bayern
- Berlin
- Baden-Württemberg
- Stadt Bremen (im Gegensatz zu Bremerhaven)
Wer ihn rückwirkend abschaffen will:
- Mecklenburg-Vorpommern
- Brandenburg
- Thüringen
Wer die Erhebung den Kommunen überlässt:
- Schleswig-Holstein
- Sachsen
- Hessen
- Saarland
Und die anderen Bundesländer?
Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen unterstützten 423.000 Unterzeichner eine Initiative zur Abschaffung der Beiträge. Die CDU/FDP-Koalition in Düsseldorf möchte die Bürger entlasten, es soll keine Extremfälle mehr geben. Die Beiträge sollen "gedeckelt" werden. Die Landesregierung will in den nächsten Wochen Eckpunkte vorlegen; das Kommunalabgabengesetz soll noch in diesem Jahr novelliert werden.
Rheinland-Pfalz will an den Straßenausbaubeträgen festhalten, aber Härten mildern. In Sachsen-Anhalt liegt das Thema auf Eis: Nach langem Streit konnte sich die Koalition von CDU, SPD und Grünen nicht auf einen Kompromiss zur Abschaffung einigen. In Niedersachsen will die SPD/CDU-Koalition Ende 2019 eine gemeinsame Position finden.
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Das Problem mit den Anliegerstraßen
Der Hauseigentümerverband "Haus & Grund" fordert die vollständige Abschaffung. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum für gemeindliche Straßen lediglich die anliegenden Grundstückseigentümer herangezogen werden sollen, wenn doch allen Bürgern die Benutzung dieser Straßen als Infrastruktur offen steht", sagt Verbands-Präsident Kai Warnecke.
Schleswig-Holsteins Verbands-Geschäftsführer Alexander Blazek meint: "Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen werden aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert – nur bei Anliegerstraßen werden die Eigentümer zur Kasse gebeten, das ist dem Bürger nicht mehr vermittelbar." Anlieger hätten ihre Straßen zudem bereits mit den sogenannten Erschließungsbeiträgen bezahlt.
Zwar seien sechsstellige Beträge nicht die Regel. Doch seien Abgaben, die höher als 10.000 Euro sind, auch keine Ausnahme, so Blazek. Das sei für junge Familien, die bereits bis zum Hals verschuldet sind oder alleinstehende, ältere Menschen mit kleiner Rente oft existenzbedrohend. Mangels Mitsprache und Informationen über den Straßenausbau bildeten sie meist keine Rücklagen hierfür.
Wiederkehrende Beiträge – eine Alternative?
Eine Alternative sind sogenannte wiederkehrende Beiträge. Dabei ist das Gebiet, in dem sie erhoben, werden größer. Die Beiträge werden über Jahre gestreckt und sind deshalb nicht so hoch. "Allerdings ist diese Form der Beiträge komplizierter, bürokratischer und damit streitträchtiger", sagt Blazek. Eigentümer wüssten oftmals gar nicht, wofür sie diesen Beitrag zahlen sollen, weil die erneuerte Straße in einem anderen Teil der Gemeinde liege. Mit dieser Begründung kippte das Verwaltungsgericht Schleswig im Januar (Aktenzeichen 9 A 55/17 und 9 A 258/17) eine Satzung der Gemeinde Oersdorf (Kreis Segeberg).
Allein in Schleswig-Holstein sind 107 Verfahren vor Gericht. Auch in anderen Ländern ist die Justiz belastet. In Rheinland-Pfalz gab es im vergangenen Jahr 140 Verfahren und 250 in der brandenburgischen Stadt Cottbus. Neben dem juristischen Streit stehen Aufwand und Ertrag der Abgabe in manchen Kommunen in keinem Verhältnis.
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Einbindung der Gebühren in die Grundsteuer?
Das Problem entschärfen könnte – neben einer Abschaffung – eine Finanzierung der Straßen über die Grundsteuer. Dies träfe Mieter und Eigentümer gleichermaßen, denn Straßenausbaubeiträge könnten nicht auf die Mieter umgelegt werden und rechtfertigten auch keine Mieterhöhung, sagt Blazek. Die Grundsteuer muss ohnehin bis Ende des Jahres auf eine neue Berechnungsgrundlage gestellt werden, hat das Bundesverfassungsgericht der Politik aufgegeben.
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherchen