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Drohende "Preisexplosion" – jetzt will der Bund reagieren


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Gaskrise
Angst vor dem "Lehman-Moment" – jetzt will der Bund reagieren


Aktualisiert am 04.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister fürchtet eine "Preisexplosion" im Falle einer Gaskrise.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister fürchtet eine "Preisexplosion" im Falle einer Gaskrise. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)
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Im Fall eines russischen Gasstopps müssten Millionen Verbraucher mit drastisch steigenden Preisen klarkommen. Das will die Regierung jetzt verhindern.

In weniger als drei Wochen wissen wir, wie der Winter dieses Jahr ausfallen wird. Denn zwischen dem 11. und 21. Juli will Russland die wichtige Gas-Pipeline Nord Stream 1 warten. Routinemäßig. In der Zeit fließt kein Gas mehr nach Deutschland.

Doch seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gibt es keine Routine mehr. Die Bundesregierung befürchtet, dass der Kreml die Gaslieferungen nach den zehn Tagen nicht wieder hochfährt. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach am Wochenende von einem "Muster": Die Gasmenge sei immer wieder reduziert worden, zuletzt in der Pipeline Nord Stream 1 um 60 Prozent. Danach komme "logischerweise die nächste" Reduktion, sagte der Minister.

Ein Gasstopp könnte Deutschland also drohen, mit fatalen Folgen. Ökonomen sprechen von einer drastisch steigenden Arbeitslosigkeit sowie "zweistelligen Inflationsraten". Auch deshalb will die Bundesregierung gegensteuern – und eine Umlage einführen, um die Folgen einer Gaskrise leichter umverteilen zu können.

Umstrittene Klausel

Aber worum geht es genau? Aktuell ist es so, dass Versorger hohe Einkaufspreise für Erdgas auch bei langfristigen Verträgen direkt an ihre Kunden weiterreichen dürfen. Denn bei einem Gasstopp aus Russland müssten die Versorger das Gas kurzfristig und deutlich teurer anderswo einkaufen.

"Das würde bedeuten, dass man für einige Stadtwerke, die dann mit ihren Kunden zu tun hätten, sofort eine Preisexplosion haben würde", sagte Habeck am Samstagabend bei einer Veranstaltung der "Zeit". Auch Millionen Verbraucher dürften drastisch gestiegene Preise treffen.

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Diese Preisanpassungsklausel ist im Paragraf 24 des Energiesicherungsgesetzes festgelegt. Der Bund hatte sie erst im Mai beschlossen, das Energiesicherungsgesetz hat dagegen seinen Ursprung in den 1970er Jahren, zu Zeiten der Ölkrise. "Alle hiervon betroffenen Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette (haben) das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen", heißt es in Paragraf 24.

"Sehr, sehr scharfes Schwert"

Allerdings ist offen und rechtlich umstritten, was "angemessenes Niveau" überhaupt bedeutet. Daneben gilt: Einige Importeure beziehen Gas aus anderen Ländern und haben entsprechend geringere Mehrkosten, Kunden würden in einer Gaskrise folglich sehr unterschiedlich getroffen.

Bislang ist dieser Passus ohnehin noch nicht aktiviert. Dafür muss die Bundesnetzagentur eine "erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland" formal festgestellt haben.

Doch mit Ausrufen der Gas-Alarmstufe vor wenigen Wochen wurde eine Voraussetzung geschaffen; sollte Wladimir Putin den Gashahn nicht wieder aufdrehen, könnte die Netzagentur die Klausel aktivieren (mehr dazu lesen Sie hier). Laut Habeck gilt sie als "sehr, sehr scharfes Schwert".

So soll Umlage funktionieren

Daher kommt jetzt die Umlage ins Spiel. Bundestag und Bundesrat wollen ein entsprechendes Gesetz beschließen. Es sieht die Möglichkeit vor, die Mehrkosten sämtlicher Gasimporteure für den Ersatzkauf der Gasmengen, die Russland derzeit nicht mehr liefert, grundsätzlich auf alle Kunden gleichmäßig zu verteilen.

In Energie-Branchenkreisen hieß es, der Vorteil eines Umlagesystems für die Verbraucher wäre eine breitere Verteilung. Auch Habeck sagte mit Blick auf die Gas-Umlage, es gebe Möglichkeiten, "die vielleicht den Keil nicht so scharf in die Gesellschaft treiben". Die Mehrkosten sollten in einem "transparenten und diskriminierungsfreien" Verfahren ermittelt werden, heißt es in dem Entwurf, aus dem mehrere Nachrichtenagenturen zitieren.

Den finanziellen Ausgleich für die Gasimporteure könnte der Staat vorfinanzieren – sich ihn aber von den Energieverbrauchern zurückholen, etwa über höhere Netzentgelte, die von allen zu tragen sind. Nach diesem System funktionierte die EEG-Umlage, die vergangenen Freitag ausgelaufen ist. Über diese finanzierten alle Stromkunden den Ausbau der erneuerbaren Energien mit. Um wie viel Gas tatsächlich teurer würde, ist noch offen.

Angst vor dem "Lehman-Moment"

Die Bundesregierung hätte aber auch mit dem neuen Paragrafen die Möglichkeit, sich dennoch für die alte Preisanpassungsklausel zu entscheiden. Diese wird im Entwurf noch leicht abgeändert. Voraussetzung wäre nun beispielsweise, dass eine "erhebliche Störung" der Gasimporte festgestellt wird, bisher war von "Gasmangellage" die Rede.

Zu den Überlegungen für eine Gas-Umlage könnte auch geführt haben, dass Gasimporteure wie Uniper schon jetzt in Schwierigkeiten geraten sind. Das Unternehmen erhält seit Mitte Juni nach eigenen Angaben nur noch 40 Prozent der vertraglich zugesicherten Gasmengen von Gazprom und muss teuren Ersatz beschaffen.

Diese Mehrkosten könne Uniper bislang nicht weitergeben – daraus entstünden signifikante Belastungen. Der Energieversorger verliere derzeit einen zweistelligen Millionenbetrag, schreibt der "Spiegel" unter Berufung auf Regierungskreise – pro Tag, wohlgemerkt.

Die Regierung ist zwar auch in Gesprächen über eine Stützung des Versorgers. Bei weiter steigenden Gaspreisen könnten jedoch auch andere Unternehmen in Schwierigkeiten geraten. Ökonom Jens Südekum sprach gar von einem "Lehman-Moment für den deutschen Gasmarkt". "Dann würde sich sofort die Frage stellen: Wo sollen viele Stadtwerke ihr Gas herbekommen? Dann hätten wir wirklich einen Kaskaden-Effekt."

Ampel bleibt nicht mehr viel Zeit

Den aber will die Bundesregierung in jedem Fall verhindern. Allein: Ganz unumstritten ist eine Gas-Umlage nicht – vor allem aus marktwirtschaftlicher Sicht. FDP-Energieexperte Michael Kruse sagte der Nachrichtenagentur dpa, der Rechtsrahmen für die Erhebung einer Umlage auf den Gaspreis müsse "gründlich" diskutiert werden.

"Einen Schnellschuss sollte sich die Ampel bei einem so schwerwiegenden Eingriff in Marktpreise nicht erlauben. Sollte die rechtliche Basis dafür geschaffen werden, müssen hohe Auflagen für ihre Aktivierung gelten", so Kruse weiter.

Viel Zeit für den rechtlichen Rahmen bleibt der Ampel dabei nicht mehr. Ganz unabhängig von den Wartungsarbeiten, die bei Nord Stream 1 in einer Woche anstehen.

Denn: Nach dem 8. Juli ist erst einmal parlamentarische Sommerpause, eine Abstimmung entsprechend noch kommende Woche geplant. Wenn die Abgeordneten Anfang September wieder zusammenkommen, ist die Entscheidung über den Winter längst gefallen.

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