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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Worum geht es in Davos? Krisentalk im Luxus-Ferienort
Im Schweizer Alpendorf Davos treffen sich Wirtschaftsbosse und Regierungschefs zum Weltwirtschaftsforum. Im Fokus der Konferenz steht der Ukraine-Krieg, der die Wirtschaft weltweit ins Chaos stürzt.
Grüne Wiesen statt schneebedeckter Hänge, Olaf Scholz statt Donald Trump: Diese Woche treffen sich die führenden Köpfe aus Politik und Wirtschaft beim Weltwirtschaftsforum (Englisch: "World Economic Forum", kurz WEF) im Schweizer Alpendorf Davos.
Die diesjährige Ausgabe des Treffens ist in vielerlei Hinsicht eine Premiere: Erstmals in seiner über 50-jährigen Geschichte findet das Weltwirtschaftsforum im Sommer statt, wegen der Omikron-Welle verschoben es die Veranstalter von Januar auf Mai. Zudem stehen die Diskussionen beim WEF zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder im Zeichen eines schweren Kriegs in Europa sowie unter dem Eindruck globaler wirtschaftlicher Verwerfungen.
t-online ist in Davos vor Ort dabei und wird Sie in den kommenden Tagen über alle wichtigen Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Zum Start der Veranstaltungswoche beantworten wir die wichtigsten Fragen zum diesjährigen Weltwirtschaftsforum.
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Was ist das Weltwirtschaftsforum eigentlich?
Das Weltwirtschaftsforum ist im Kern eine Stiftung, gegründet 1971 von dem deutschen Ökonomen Klaus Schwab. Die zentrale Veranstaltung des Forums ist ein jährliches Treffen gleichen Namens. Dem Weltwirtschaftsforum gehören rund 1.000 große Unternehmen aus der ganzen Welt an, die das WEF durch ihre Mitgliedsbeiträge finanzieren.
Das Forum ist dadurch politisch unabhängig und verfolgt oder vertritt keine nationalen Interessen. Ziel des WEF ist es, Impulse für den politischen und wirtschaftlichen Fortschritt zu geben.
Normalerweise findet das Jahrestreffen in Davos im Januar statt. Zuletzt war dies im Januar 2020, kurz vor der Corona-Pandemie der Fall. Nachdem der Präsenztermin 2021 aufgrund der Pandemie ausfiel, schoben die Veranstalter das WEF für 2022 wegen der Omikron-Welle erstmals auf Mai.
Wie sonst auch gleicht die einwöchige Konferenz einem Klassentreffen für Wirtschafts- und Staatschefs: Bei Podiumsdiskussionen, Vorträgen und vielen weiteren Veranstaltungen tauschen sich neben Vertretern der Mitgliedsunternehmen, Journalisten und Angehörige von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auch zahlreiche Politiker in Davos aus.
Warum ist das WEF so wichtig?
Die Bedeutung des WEF bemisst sich maßgeblich an der Prominenz seiner Teilnehmer – und weniger an konkreten politischen Beschlüssen. Umgekehrt heißt das aber nicht, dass das WEF keine politische Relevanz hat.
Denn abseits der Diskussionsrunden dient das Treffen auch als Möglichkeit zum bilateralen Austausch zwischen Politikern, die sich sonst nur selten begegnen. Zudem nutzen zahlreiche Organisationen, Forschungseinrichtungen und NGOs das Forum als Anlass, um Studien und Wirtschaftsprognosen zu präsentieren. So nutzte etwa die Hilfsorganisation Oxfam den Start des WEFs, um angesichts der Inflation eine Vermögensabgabe für Superreiche zu fordern.
Um welche Themen geht es dieses Jahr?
Mehrere Krisen stehen im Mittelpunkt der Jahrestagung der nach offizieller Zählung 52. Ausgabe des WEF: Der Ukraine-Krieg, die Corona-Pandemie und die Klimakrise sind die wichtigsten Themen des Treffens. Das offizielle Motto des diesjährigen WEF lautet "Geschichte am Wendepunkt". Laut WEF-Gründer Klaus Schwab werde es das "aktuellste und wichtigste" seit der Gründung des Weltwirtschaftsforums überhaupt.
Thematisiert werden unter anderem die Folgen des Krieges auf Lieferketten, Energieversorgung und Nahrungsmittelsicherheit. Ebenfalls im Fokus: die hohe Inflation und ihre sozialen Folgen sowie die Digitalisierung.
Beherrschendes Thema jedoch dürfte insbesondere an den ersten beiden Tagen der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sein, die ihrerseits mit einer großen Delegation in Davos vertreten ist. Nicht aus Zufall hält die Eröffnungsrede in diesem Jahr kein Präsident einer der führenden Wirtschaftsmächte, so wie zuletzt etwa Chinas Staatschef Xi Jinping, – sondern per Videoschalte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Bereits am Sonntagabend stand ein erster Empfang im Zeichen ukrainischer Parlamentsabgeordneter, die vom Krieg in ihrer Heimat berichteten. Nicht zuletzt in Davos selbst ist der Ukraine-Krieg präsent: In einem Ladenlokal hat eine NGO ein "Haus der russischen Kriegsverbrechen" eingerichtet, in dem unter anderem Fotos der Gräueltaten aus Butscha zu sehen sind. Zudem gibt es ein "Haus der Ukraine", gehüllt in die Farben des Landes, blau und gelb.
Wer kommt alles – und wer nicht?
Das Weltwirtschaftsforum fällt dieses Jahr kleiner aus als sonst. Statt der rund 3.000 Teilnehmer sind es in diesem Jahr 2.500. In der Liste der Teilnehmer finden sich auch weniger Prominente als zuletzt:
Sorgte das WEF 2020 noch für großes Aufsehen, weil in Davos der damalige US-Präsident Donald Trump und Klimaaktivistin Greta Thunberg aufeinandertrafen, ist dieses Jahr lediglich der US-Sondergesandte für Klimafragen, John Kerry, nicht jedoch der Präsident bei dem Treffen dabei. Auch Chinas Staatschef Xi Jinping kommt nicht.
Ebenfalls nicht vertreten ist Russland, das sonst immer mit einer recht großen Reisegruppe aus Regierungsangehörigen und Unternehmern dabei war. Nach Putins Überfall auf die Ukraine wurden sie frühzeitig ausgeladen – weshalb manch einer in Davos zum Start des Treffens bereits vom "WEF des Westens" spricht.
Umso mehr dürfte deshalb die vergleichsweise große ukrainische Delegation in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Der Präsident des Landes, Wolodymyr Selenskyj, hält am Montag digital zugeschaltet die Auftaktrede. Später am Tag sind der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko und sein Bruder Wladimir vor Ort zu Gast und berichten vom Krieg.
Vorab warb das WEF auch mit dem Besuch von Kanzler Olaf Scholz (SPD), der am Donnerstag in Davos eine Rede halten wird. Am Montag wird außerdem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet, der auf einem Diskussionspanel zur Rohstoffabhängigkeit Deutschlands und der EU von Russland sprechen wird.
Viel beachtet dürften auch der Auftritt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstagmorgen sowie jener von Christine Lagarde, der Präsidentin der Europäischen Zentralbank, am Dienstagabend werden. Neben deutschen Politikern wie SPD-Co-Chef Lars Klingbeil haben vor allem eine Reihe bekannter Unternehmenschefs aus Deutschland und der ganzen Welt ihre Anreise angekündigt.
So reist unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates zum WEF an. Aus der Riege der Dax-Konzerne sind unter anderem vor Ort: Siemens-Chef Roland Busch, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, Post-Chef Frank Appel, VW-Boss Herbert Diess sowie die CEOs von Bayer, SAP und RWE, Werner Baumann, Christian Klein und Markus Krebber.
- Eigene Eindrücke von vor Ort