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Die Wirtschaftsweisen verlieren an Bedeutung: Schuld daran ist die Ampel


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Regierungsberater
Die Verzwergung der Wirtschaftsweisen

  • Florian Schmidt
MeinungEin Kommentar von Florian Schmidt

Aktualisiert am 10.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Jüngster Auftritt zu viert: Die Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer (v.l.), Achim Truger, Volker Wieland und Veronika Grimm.Vergrößern des Bildes
Jüngster Auftritt zu viert: Die Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer (v.l.), Achim Truger, Volker Wieland und Veronika Grimm. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago-images-bilder)

Einst waren sie die wichtigsten Ökonomen des Landes. Durch Abgänge ohne Ersatz aber verlieren die Wirtschaftsweisen an Bedeutung. Schuld daran ist vor allem die Ampelregierung.

Es sind unruhige Zeiten, politisch, aber auch wirtschaftlich. Corona-Krise, Inflation, Krieg in Europa – nach einem vergleichsweise ruhigen Jahrzehnt spüren es die Deutschen nun auch im Alltag: Die Wirtschaft ist aus dem Tritt und findet nicht so recht zur gewohnten Stabilität zurück.

Entsprechend groß ist der Bedarf an ökonomischer Expertise. Vor allem die Politik giert, ähnlich wie zuletzt in der Pandemie, nach Ratschlägen von Wissenschaftlern, etwa in der Frage, welche Konsequenzen ein Gasembargo gegen Russland nach sich zöge. Die Ökonomen sind die neuen Virologen.

Welch ein Glück, dass die Bundesregierung mit dem Rat der "Wirtschaftsweisen" gleich über ein ganzes Gremium verfügt, das ihr jetzt Orientierung bietet. Wie trefflich, dass diese Experten jederzeit bereit stehen, um gemeinsam jene Wirtschaftspolitik vorzudenken, die für Deutschland am besten ist.

Aus fünf werden jetzt drei Experten

Das jedenfalls könnte man meinen. Die Wahrheit jedoch sieht anders aus.

Der "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung", wie die Wirtschaftsweisen offiziell heißen, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Das gilt einmal mehr seit diesem Wochenende, an dem mit Volker Wieland der letzte klar marktliberale Volkswirt seinen Rückzug aus Gremium verkündete.

Statt der eigentlich fünf Mitglieder zählt die Beratergruppe damit ab Mai nur noch drei Köpfe. Denn die längst nicht mehr ganz so neue Ampel-Regierung hat bislang noch nicht einmal einen Nachfolger für den schon vor einem Jahr ausgeschiedenen Gremiumsvorsitzenden Lars Feld bestimmt. (Der jetzt übrigens Finanzminister Christian Lindner berät.)

Pattsituationen lähmen den Sachverständigenrat

Zurecht, mag man denken, beklagt Wieland in einem aktuellen Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die Arbeit ohne Vorsitzenden sei "nicht optimal" gewesen. Viel wichtiger jedoch: Seit Felds Abgang fehlte es im Rat an klaren Mehrheitsverhältnissen.

Deutlich wurde das unter anderem im jüngsten Jahresgutachten des Rates vom November. Beim staatlichen Schuldenmachen etwa konnten sich die Wirtschaftsweisen nicht zu einer gemeinsamen Position durchringen.

Während mit Wieland, der für die Arbeitgeberseite im Gremium sitzt, und Veronika Grimm zwei der zuletzt vier Mitglieder gegen weitere Kreditfinanzierung der Staatsausgaben plädierten, waren mit Monika Schnitzer sowie Achim Truger, der von den Gewerkschaften nominiert wurde, die anderen beiden Top-Ökonomen dafür, "zukunftsbezogener" Ausgaben auf Pump zu bezahlen. Ähnlich uneins waren sich beide Seiten auch bei den Fiskalregeln der EU.

Der ökonomische Diskurs hat sich verschoben

Zwar verschwimmen die Positionen in der wirtschaftlichen Beurteilung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine momentan ein wenig. Dennoch sorgten genau diese Pattsituation dafür, dass die Relevanz der Wirtschaftsweisen zuletzt stark gelitten hat.

Was soll man auch anfangen mit Ratschlägen, deren Umsetzung zum Teil gegensätzliche Vorgehen erfordern? Was unterscheidet die Empfehlungen dann eigentlich noch vom Großkonzert der anderen hochkarätigen Ökonomen, die sich immer öfter zu Wort melden, nicht zuletzt im sozialen Netzwerk Twitter unter dem Hashtag "#EconTwitter"?

Sicher, dort mischen insbesondere Truger und Grimm auch regelmäßig mit. Den ökonomischen Diskurs in Deutschland aber, so wirkt es, bestimmen längst andere. Zu ihnen zählen etwa die Chefs die großen Wirtschaftsforschungsinstitute wie Clemens Fuest vom Münchner Ifo-Institut, Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), aber auch VWL-Professoren einzelner Universitäten wie Jens Südekum aus Düsseldorf oder zuletzt Rüdiger Bachmann, der in den USA lehrt.

Die Ampel muss schleunigst neue Mitglieder berufen

Das Prädikat "Wirtschaftsweiser" hingegen ist kaum mehr die Auszeichnung, die sie einst darstellte. Das ist schade. Denn eigentlich ist die Institution Sachverständigenrat samt eigener Geschäftsstelle und dazugehörigem Wissenschaftler-Apparat ein Geschenk für die Politik, gerade in komplexen Zeiten.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Ampel-Regierung um Kanlzer Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Lindner das auch erkennt, die weitere Verzwergung der Wirtschaftsweisen stoppt und für Ersatz in dem Gremium sorgt. An einflussreichen Kandidaten jedenfalls mangelt es nicht.

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