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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auf Girokonten Zweites Gericht erklärt Negativzinsen für rechtswidrig
Die Luft wird dünner für Banken und Sparkassen: Schon zum zweiten Mal hat ein Gericht Verwahrentgelte auf Girokonten gekippt. Die Düsseldorfer Richter entschieden, dass sie Kunden unangemessen benachteiligen.
Erst das Landgericht Berlin, jetzt das Landgericht Düsseldorf: Banken, die von ihren Kunden Negativzinsen auf Girokonten verlangen, handeln nach Ansicht dieser Gerichte rechtswidrig. Im jüngsten Fall ging es um ein sogenanntes Verwahrentgelt in Höhe von 0,5 Prozent pro Jahr, das die Volksbank Rhein-Lippe für Einlagen über 10.000 Euro von Neukunden forderte. Unzulässig, entschieden die Düsseldorfer Richter.
Nach Auffassung des Landgerichts darf ein Kreditinstitut kein Verwahrentgelt zusätzlich zu Kontoführungsgebühren berechnen. Die Kunden würden dadurch unangemessen benachteiligt, weil die Geldverwahrung keine zusätzlich angebotene Sonderleistung sei, die sie annehmen könnten oder nicht. Die Bank biete ihren Kunden lediglich eine Leistung und könne daher keine doppelte Gegenleistung verlangen.
Negativzinsen unzulässig – Verbraucherschützer wollten aber mehr
Das Landgericht Düsseldorf gab damit der Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (Vzbv) statt, der die entsprechende Klausel im Preisaushang der Volksbank Rhein-Lippe bemängelt hatte (Az. 12 O 34/21). Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da der Vzbv Berufung einlegte.
Die Verbraucherschützer hatten zusätzlich bewirken wollen, dass die Volksbank auch dazu verurteilt wird, die rechtswidrig erhobenen Beträge zu erstatten. Diesen Antrag wiesen die Richter jedoch aus formalen Gründen ab.
"Die Urteile sind nur ein Etappensieg"
Der Vzbv bewertet das Urteil dennoch als Erfolg. "Damit hat bereits das zweite Landgericht in unseren Verfahren entschieden, dass Banken für Guthaben auf Girokonten keine Strafzinsen berechnen dürfen", sagt David Bode, Rechtsreferent beim Vzbv. "Die Urteile sind für uns aber nur ein Etappensieg. Wir wollen die Rechtslage grundsätzlich klären lassen und haben deshalb mehrere Banken an unterschiedlichen Gerichtsstandorten verklagt."
Den ersten Erfolg erzielten die Verbraucherschützer im vergangenen Jahr, als das Landgericht Berlin die Verwahrentgelte der Sparda-Bank Berlin für Tagesgeld- und Girokonten für unzulässig erklärte (Az. 16 O 43/21). Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Bank Berufung eingelegt hat.
Nur Teilerfolg mit Klage gegen Sparkasse
Ein drittes Urteil vor dem Landgericht Köln endete für den Vzbv mit einem Teilerfolg. Die Verbraucherschützer hatten die Sparkasse Köln-Bonn wegen mehrerer Gebührenklauseln im Preisverzeichnis abgemahnt und verklagt, darunter auch eine Klausel über ein Verwahrentgelt bei Girokonten.
Das Landgericht Köln wies die Klage jedoch ab, weil die Sparkasse die Klauseln nach der Abmahnung geändert hatte (Az. 21 O 328/21). Das Institut räumte vor Gericht ein, dass die strittigen Klauseln rechtlich problematisch waren, und erkannte die Abmahnkosten des Vzbv an. Nach Auffassung des Gerichts bestand deshalb keine Gefahr, dass die strittigen Klauseln erneut verwendet werden. Auch gegen diese Entscheidung hat der Vzbv Berufung eingelegt.
Andere Landgerichte hatten in früheren Entscheidungen Negativzinsen nicht grundsätzlich verworfen. Eine endgültige Entscheidung wird möglicherweise erst vor dem Bundesgerichtshof fallen.
Negativzinsen sind inzwischen ein Massenphänomen
In Deutschland verlangt mittlerweile nach Daten des Vergleichsportals Verivox etwa jedes dritte von etwa 1.300 ausgewerteten Kreditinstituten Negativzinsen ab bestimmten Summen. Demnach erheben mindestens 429 Banken und Sparkassen von Privatkunden ein sogenanntes Verwahrentgelt auf Tagesgeld-, Giro- oder Verrechnungskonten (Stand: 26. Januar 2022).
Das sind mehr als doppelt so viele als noch vor einem Jahr. Die Verbraucherplattform Biallo kommt gar auf 555 Banken, die Negativzinsen von Privatkunden verlangen.
Immer häufiger sind auch Sparer mit kleinen und mittleren Guthaben betroffen. Einige Institute berechnen schon ab 5.000 Euro oder 10.000 Euro Negativzinsen. So auch die Volksbank Rhein-Lippe, gegen die nun das Urteil ergangen ist. 165 Banken beschränken den Freibetrag für die Gesamteinlage pro Kunde laut Verivox auf 50.000 Euro oder weniger.
Da nicht alle Institute ihre Negativzinsen frei zugänglich auf ihrer Webseite veröffentlichen, ist es gut möglich, dass noch mehr Banken ähnliche Grenzen ziehen oder überhaupt Verwahrentgelte erheben.
Banken sollten sich auf Rückzahlungen einstellen
Hintergrund der Negativzinsen ist, dass Geschäftsbanken im Euroraum seit Juni 2014 selbst Zinsen zahlen müssen, wenn sie Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Aktuell liegt dieser sogenannte Einlagenzins bei minus 0,5 Prozent. Die Notenbank gewährt aber seit einiger Zeit Freibeträge für bestimmte Summen, um die Institute zu entlasten.
Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wird in manchen Banken bereits diskutiert, ob sie angesichts der neuen Urteile Rückstellungen für mögliche Rückzahlungen von Negativzinsen bilden sollten. Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier hält die Sorge für berechtigt.
"Negativzinsen werden zunehmend zu einem rechtlichen Vabanquespiel", sagt er. "Bei dem juristischen Tauziehen steht für die Banken und Sparkassen viel auf dem Spiel. Sollten die nachfolgenden Instanzen die jüngsten Entscheidungen bestätigen und Negativzinsen für unzulässig erklären, müssten sich zahlreiche Kreditinstitute auf Rückforderungen ihrer Kundinnen und Kunden einstellen."
- Eigene Recherche
- Telefonat mit dem Pressedezernat des Landgerichts Düsseldorf
- Schriftliche Anfrage an den Verbraucherzentrale Bundesverband
- Pressemitteilung des Verbraucherzentrale Bundesverband
- Statement von Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier
- FAZ-Bericht: "Schon zum zweiten Mal erklärt ein Gericht Negativzinsen für unzulässig"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa