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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wegen hoher Neukundentarife Verbraucherzentrale NRW will drei Grundversorger verklagen
Der Streit um hohe Neukundentarife könnte eskalieren: Drei Grundversorger haben eine Unterlassungsfrist nach einer Abmahnung verstreichen lassen. Nun will die Verbraucherzentrale NRW klagen.
Die Verbraucherzentrale NRW hat Unterlassungsklagen gegen die drei Grundversorger Rheinenergie, die Stadtwerke Gütersloh und die Wuppertaler WSW Energie & Wasser AG angekündigt. "Die Grundversorger, die wir abmahnten, ließen die Frist verstreichen", sagte Udo Sieverding, Energieexperte und Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale NRW, t-online. "Jetzt werden wir klagen müssen – um Rechtssicherheit zu bekommen."
Hintergrund des Streits sind die teuren Neukundentarife für Verbraucher. Viele Grundversorger, also die Energieanbieter mit den meisten Kunden in einer Region, haben in den vergangenen Wochen solche Tarife eingeführt. Lesen Sie hier mehr dazu.
Anlass war die Liefereinstellung durch Energiediscounter, wodurch viele ehemalige Kunden in die Ersatzversorgung durch den örtlichen Grundversorger fielen. Diese sind verpflichtet, die Kunden bei Wegfall des bisherigen Lieferanten zunächst weiter mit Strom und Gas zu versorgen.
"Rechtlich umstrittenes Vorgehen"
Sieverding hält diese Tarife für einen Skandal. "Dass plötzlich Neukunden einen anderen Tarif erhalten als Bestandskunden hat es noch nicht gegeben", sagte er. "Das ist ein rechtlich umstrittenes Vorgehen der Grundversorger. Dieses Zweiklassen-System in den Grundversorger-Tarifen verstößt nach unserer Einschätzung auch gegen das Wettbewerbsrecht."
Daher hatte die Verbraucherzentrale die Unternehmen aus Köln, Gütersloh und Wuppertal vergangene Woche abgemahnt und aufgefordert, die neuen Tarife zurückzunehmen. Nun wollen sie eine Unterlassungsklage auf den Weg bringen.
Grundversorger widersprechen
Die Grundversorger sehen sich indes im Recht. Rheinenergie etwa sei davon überzeugt, dass eine solche Preisspreizung für Neukunden rechtmäßig ist. "Die Landeskartellbehörden NRW und Niedersachsen haben sich zu abweichenden Preisen für Neukunden bereits im November geäußert und sehen diese bei nachvollziehbaren Gründen als rechtmäßig an", sagte Vertriebsvorstand Achim Südmeier laut Mitteilung.
"Wir kommen unserem gesetzlichen Auftrag vollumfänglich nach und fangen als Grundversorger diejenigen Kunden auf, die von ihren bisherigen Lieferanten im Stich gelassen worden sind", so Südmeier. Daher habe kein Grund bestanden, die verlangte Unterlassungserklärung gegenüber der Verbraucherzentrale NRW abzugeben, heißt es weiter.
Lemke: "Das ist in keiner Weise zu rechtfertigen"
Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) stellte sich derweil hinter die Verbraucherzentralen. "Aktuell haben wir es mit Preisaufschlägen zu tun, die den Strompreis auf bis zu 90 Cent pro Kilowattstunde hochtreiben", sagte Lemke. "Das ist in keiner Weise durch Marktgeschehen zu rechtfertigen."
Lemke kündigte daher Gespräche mit der Energiewirtschaft an, um mögliche regulatorische Schritte zu prüfen. "Wir werden nicht zulassen, dass es bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern abgeladen wird, wenn Billigstromanbieter in die Insolvenz gehen oder massenhaft Verträge kündigen."
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Udo Sieverding
- Mitteilung Rheinenergie
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa