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Zum journalistischen Leitbild von t-online.ARD-Wetterexperte Sven Plöger "Teslas Großprojekt verschärft die Grundwasserprobleme"
Flut, Hitze, Dürre: Extremwetter gibt es immer häufiger – auch in Deutschland. Aureichend Trinkwasser ist in dieser Situation längst keine Selbstverständlichkeit mehr, warnt Meteorologe Sven Plöger.
Ein vereinzelter Tropfen aus dem Wasserhahn, dann bleiben die Leitungen still. Die Gefahr eines solchen "Day Zero" nimmt für immer mehr Länder auf der Welt zu – auch in Mitteleuropa. Nicht nur für Anwohner birgt das Risiken, auch für Unternehmen rückt Wasser als wertvolle Ressource immer mehr in den Fokus.
Die Verteilungskämpfe werden dabei nicht nur in trockenen, weit entfernten Entwicklungsländern ausgefochten, auch vor unserer eigenen Haustür macht der Konflikt zwischen Natur und Wirtschaft nicht halt.
Projekte wie der Bau der Gigafabrik von Tesla in Grünheide verschärfen auch bei deutschen Anwohnern die Angst um ihr Grundwasser. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass unsere Leitungen tatsächlich bald trocken sind? Oder müssen wir vielleicht in den kommenden Jahren bei der Wasserrechnung ordentlich draufzahlen?
Darüber sprach t-online mit dem Meteorologen Sven Plöger, ARD-Experte und Autor mehrerer Fachbücher zu den Folgen des Klimawandels. Er sieht auch die Unternehmen in der Verantwortung.
t-online: Herr Plöger, diesen Sommer gab es schon mehrere Hitzewellen und eine Flutkatastrophe in Deutschland. Hamstern Sie schon Sprudelwasser?
Sven Plöger: Ich "bunkere" immer schon Mineralwasser im Keller, allerdings nur ein bis zwei Kästen für den täglichen Gebrauch. Aber Gott sei Dank haben wir in Deutschland ja viel Trinkwasser zur Verfügung – trotz der vergangenen Dürrenachrichten oder der Hochwasserkatastrophe.
In Nachbarländern wie Italien und Belgien sieht das anders aus – da wird das Wasser bereits knapp. Wann kommen bei uns nur noch Tropfen aus dem Wasserhahn?
In den nächsten Jahren sehe ich diese Gefahr nicht. Wir nutzen knapp 13 Prozent des Wassers, das uns jährlich zur Verfügung steht – erst ab 20 Prozent wird es kritisch. Noch steht Deutschland also gut da. Wir müssen uns aber immer fragen: Wo kommt das Wasser her? Gerade bei Talsperren, Quellwassern und Kläranlagen sind wir bei Trockenjahren viel anfälliger, was regionale Schwankungen betrifft. Und nicht jede Region ist da gleich gut aufgestellt.
Wo ist es denn besonders trocken?
Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg – das sind Bundesländer, die zuletzt stark von Dürre betroffen waren. Aber auch Niedersachsen hat zuletzt 1,5 Meter an Grundwasser verloren. Den westlichen Bundesländern – wie etwa dem Saarland – geht es dagegen sehr gut. Die profitieren davon, dass Tiefdruckgebiete meist aus dem Westen kommen, es also mehr regnet. Bei den Regenmengen gibt es in Deutschland teils enorme Unterschiede. Beispielsweise fallen in Brandenburg nur etwa 500 Liter Niederschlag pro Quadratmeter pro Jahr, während es im Alpenvorland bis zu 2.000 Liter sind.
Sven Plöger, 1967 geboren, ist Diplom-Meteorologe. Bekanntheit gewann er vor allem als ARD-Wetterexperte. Plöger moderiert etwa die Sendung "Das Wetter im Ersten", 2019 erhielt er die Auszeichnung als "bester Wettermoderator Deutschlands". Seit 2013 veröffentlicht er zudem Sachbücher zu den Folgen des Klimawandels. 2020 erschien sein jüngstes Buch mit dem Titel "Zieht euch warm an, es wird heiß".
Gerade im trockenen Brandenburg entsteht momentan eine riesige neue Fabrik des E-Autobauers Tesla. Viele Anwohner sorgen sich wegen des hohen Wasserverbrauchs des Werks um ihr Grundwasser. Bei seinem jüngsten Besuch konnte Tesla-Chef Elon Musk darüber nur lachen.
Man merkt, dass Elon Musk sich noch gar nicht mit der Grundwasser-Thematik vor Ort beschäftigt hat. Fest steht: Brandenburg ist eine sehr, sehr trockene Region und die Böden dort speichern kaum Wasser. Das heißt, der Grundwasserpegel in diesen Regionen ist ohnehin schon anfällig, vor allem in Dürrezeiten. Großprojekte wie das von Tesla verschärfen diese Problematik weiter.
Trotzdem fördert die Landesregierung von Brandenburg den Tesla-Konzern mit Millionen. Ordnen wir die Natur zu häufig den wirtschaftlichen Interessen unter?
Ja, das ist bedauerlicherweise sehr oft so. Das Verrückte ist: Wir reden derzeit so viel wie noch nie zuvor über Natur- und Klimaschutz, haben die Umwelt aber auch noch nie so sehr verschmutzt wie heute. Nach der Dürrewelle, die wir von 2018 bis 2020 erlebt haben, gab es einen riesigen Aufschrei. Und gleichzeitig sind wir 2019 – vor der Pandemie – häufiger geflogen als je zuvor, haben noch mehr SUVs zugelassen, noch mehr Kreuzfahrten gemacht und noch mehr Plastikmüll produziert.
Das heißt, wir möchten den Klimawandel allein mit schönen Worten bekämpfen?
Klar ist: Wir sagen A und machen B. Um wirklich etwas zu verändern, brauchen wir neue Konzepte. Wir dürfen uns doch nicht dem Trugschluss hingeben, dass es etwa ausreicht, einen Verbrennermotor durch einen E-Motor zu ersetzen.
Warum nicht? Weniger Abgase auf den Straßen sind doch etwas Positives.
Schon, das macht die Luft in den Städten zumindest etwas sauberer. Aber wir müssen uns doch viel mehr fragen: Brauchen wir in den Städten wirklich diese Masse an Autos am Straßenrand? Vor lauter Versiegelung ist es in den Städten bei Hitzewellen teilweise 9 Grad wärmer als im Umland, zum Beispiel in Köln und Frankfurt. Da ist die Stadt auf einmal eine ganz andere Klimazone! Wir brauchen ein neues Mobilitätskonzept und ein neues städtebauliches Konzept.
Denken Politik und Wirtschaft also zu kurzfristig?
Es gibt Studien, die zeigen genau das: Jeden Euro, den wir jetzt nicht für den Klimaschutz ausgeben, kostet uns später zwei- bis elfmal so viel, um die Schäden aufzufangen. Keine Studie sagt: Wir können jetzt ordentlich einheimsen und müssen später nicht die Zeche zahlen. Als Meteorologe sehe ich die dramatischen Klimadaten und es erschreckt mich, wie lange die Gesellschaft braucht, um aus dem Verständnis der Zusammenhänge ernsthaft Konsequenzen zu ziehen. Anderen Ländern können wir politisch zwar nichts vorschreiben, aber da sie ebenfalls vom Klimawandel und Extremwetter betroffen sein werden, müssen wir versuchen, sie ins Boot zu holen. Das Thema ist schließlich global und muss global gelöst werden. Kein Land kann das alleine. Aber deshalb zu sagen, wir tun nichts, weil die anderen nichts tun, ist ja unvernünftig. Man muss Konzernen, die sich auf Kosten des Klimas bereichern wollen, den Riegel vorschieben.
Bisher läuft es mit Verboten in Sachen Klimaschutz aber eher schleppend. Haben Sie keine Sorge, dass die Wirtschaft sich weiter gegen härtere Regulierung stemmt?
Der Mensch, und damit die Wirtschaft, ist profitgesteuert, also ist die Lösung eigentlich einfach: Profit darf nicht mehr ohne Klimaschutz möglich sein. Wer die Umwelt verschmutzt, muss weniger verdienen als der, der sie sauber hält. Es müssen also neue Rahmenbedingungen her, ähnlich wie beim Lieferkettengesetz. Das ist am Ende auch im Interesse der Wirtschaft.
Mehr Regulierung soll im Interesse der Wirtschaft sein? Das müssen Sie erklären.
China ist ein gutes Beispiel dafür. Ich bin wahrlich kein Freund der chinesischen Politik und China war bisher auch nicht für seine Nachhaltigkeit bekannt, aber die Chinesen haben eines erkannt: Sie werden ihre langfristigen wirtschaftlichen Ziele nicht erreichen, wenn sie dabei die Umwelt zerstören. Daher denkt die Regierung dort um. Mehr als die Hälfte aller neuen Windenergieanlagen auf der Welt werden aktuell in China installiert.
Die kommende Bundesregierung hätte die Chance, mehr Anreize für Klimaschutz zu setzen. Welche Partei kümmert sich schon im Wahlkampf richtig ums Klima?
Für meinen Geschmack leider keine ausreichend. Die Parteien haben eine wahnsinnige Angst davor, klare Kante zu zeigen. Wenn ich das sage, bin ich aber auch in der Luxusposition, kein Politiker zu sein. Ich bin Meteorologe, ich verstehe die Zusammenhänge und ich übersetze sie für die breite Masse. Deswegen ist mir aber auch klar: Die Vorsicht der Politiker wird nichts nutzen. Wir haben nur noch 8 bis 15 Jahre Zeit, bis wir dramatische Kipppunkte erreichen. Klima sollte für die Politik daher das Thema Nummer eins sein, denn der Planet verhandelt nicht. Aber diese Deutlichkeit fehlt mir aktuell bei allen Parteien.
Reicht Ihnen nicht einmal das Programm der Grünen als selbst ernannte Klimapartei?
Klimaschutz ist für mich parteiunabhängig. Parteien müssen kommunizieren, dass es gegebene Randbedingungen der Natur gibt und unser "Wunschkonzert" erst danach kommt. Dafür erwarte ich politischen Mut! Wenn man ungeschönt die Folgen für unseren Alltag, für die Wirtschaft und für das Leben der Enkelkinder ohne Klimaschutz aufzeigt und dann konkrete Gegenmaßnahmen präsentiert, dann würden sehr viele Wähler das gutheißen.
Herr Plöger, wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch!